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VwGH vom 26.02.2020, Ra 2019/05/0048

VwGH vom 26.02.2020, Ra 2019/05/0048

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bayjones und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Mag. Rehak und Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wölfl, über die Revision 1. der Mag. X W und

2. des R W, MSc, MBA, beide in W, beide vertreten durch die Onz, Onz, Kraemmer, Hüttler Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom , VGW- 111/005/4442/2018-9, betreffend Versagung einer Baubewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; weitere Partei: Wiener Landesregierung; mitbeteiligte Partei: R R in W, vertreten durch Dr. Anika Loskot und Mag. Stephan Potz, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Opernring 7/18), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Erstrevisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1 Die Erstrevisionswerberin und der Zweitrevisionswerber sind Miteigentümer einer (näher bezeichneten) Liegenschaft in Wien. Für diese Liegenschaft ist im hiefür maßgeblichen Flächenwidmungs- und Bebauungsplan, dem Plandokument (PD) 7427, die Widmung "Bauland/Gartensiedlungsgebiet" festgelegt.

2 Die Mitbeteiligte ist Eigentümerin der unmittelbar nördlich angrenzenden Liegenschaft.

3 Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien (im Folgenden: Magistrat) vom wurde den Revisionswerbern die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines unterkellerten Wohnhauses mit einer Wohneinheit im Erdgeschoß, im ersten Obergeschoß und im ausgebauten Dachgeschoß erteilt. Das Gebäude wurde direkt an der nördlichen Grundgrenze zur Liegenschaft der Mitbeteiligten errichtet.

4 Mit Bauansuchen vom (beim Magistrat am eingelangt) beantragten die Revisionswerber u. a. unter Bezugnahme auf § 73 Bauordnung für Wien (im Folgenden: BO) die Erteilung einer Baubewilligung, abweichend von dem mit Bescheid vom bewilligten Bauvorhaben Änderungen vorzunehmen.

5 Mit Eingabe vom legten die Revisionswerber einen geänderten Einreichplan (Auswechselplan) vor. 6 Mit Schriftsatz vom erhob die Mitbeteiligte gegen das Bauvorhaben Einwendungen, die in der am durchgeführten mündlichen Bauverhandlung vorgetragen wurden und sich im Wesentlichen auf die Nichtberücksichtigung der im Auswechselplan im unteren Teil der Nordfront des Gebäudes ausgewiesenen Fläche von 6,00 m2 und als Folge davon die Nichteinhaltung der höchstzulässigen Gebäudehöhe bezogen. Die Mitbeteiligte brachte (u.a.) vor, dass die Revisionswerber den hier verfahrensgegenständlichen konsenswidrigen Zubau im Rahmen der Bauführung aufgrund der Baubewilligung vom errichtet hätten. Während der Konsens für ein Bauwerk mit einer durchschnittlichen Gebäudehöhe von 5,34 m erteilt worden sei, überschreite das ausgeführte Bauwerk diese Höhe jedenfalls an der dem Grundstück der Mitbeteiligten zugewandten Nordseite erheblich. Angesichts der im Gartensiedlungsgebiet geltenden Beschränkung der maximalen Gebäudehöhe von 5,50 m (§ 75 Abs. 7 BO) sei das errichtete Gebäude nicht bewilligungsfähig. Das vorliegende Bauansuchen stelle den Versuch dar, das konsenswidrig zu hoch errichtete Bauwerk durch "Anschüttungen" nachträglich baurechtlich zu legitimieren. In der Fassadenabwicklung laut den vorliegenden Planunterlagen werde die darin erwähnte Fläche von 6,00 m2 im Bereich des unteren Teiles der Nordfassade ohne weitere Begründung für den Nachweis der Gebäudehöhe nicht berücksichtigt, obwohl unter Berücksichtigung dieses Flächenabschnittes die zulässige Gebäudehöhe an der Nordfassade überschritten werde. Diese unberücksichtigte Fläche finde sich auch nicht in der "Flächenberechnung Aufschüttung", sei doch die Nordfassade unmittelbar an der Grundstücksgrenze ausgeführt worden und eine Aufschüttung somit dort nicht möglich. Die nordseitige Fläche stelle eine Ansichtsfläche dar und müsse sohin jedenfalls in der Fassadenabwicklung zur Bemessung der Gebäudehöhe herangezogen werden. Ferner sei der Gesetzgeber im Hinblick auf § 75 Abs. 7 und § 81 Abs. 4 BO im Gartensiedlungsgebiet von einem Gebäude ausgegangen, dessen Höhe 5,50 m nicht übersteige und dessen Umriss in der Giebelfläche innerhalb eines Winkels von 25 Grad, jeweils gegen das Gebäudeinnere ansteigend, abzubilden sei. Nunmehr solle nach der Herstellung von Anschüttungen und Stützmauern die an sich bedenkliche Ausnutzbarkeit von Gebäudehöhe und Gebäudeumriss nochmals um 50 bis 70 cm "angehoben" werden, was keineswegs als "geringfügig" zu werten sei. Durch die faktische Gebäudehöhe von über 6,00 m wäre zudem die künftige Bebaubarkeit und Ausnützbarkeit der Liegenschaft der Mitbeteiligten stark beeinträchtigt.

7 In der mündlichen Bauverhandlung am führte die Mitbeteiligte (u.a.) weiters aus, dass die projektierte Geländeveränderung gemäß § 60 Abs. 1 lit. g BO bewilligungspflichtig, jedoch nicht genehmigungsfähig sei, weil die Bebaubarkeit und Ausnützbarkeit der Nachbarliegenschaft beeinträchtigt werde.

8 Mit Bescheid des Magistrates vom wurde den Revisionswerbern unter Spruchpunkt I.) ("Abweichungen vom bewilligten Bauvorhaben (1. Planwechsel)") nach Maßgabe der mit dem amtlichen Sichtvermerk versehenen Pläne (Auswechselplan vom ) gemäß § 70 und § 73 BO die Bewilligung erteilt, auf der (näher bezeichneten) Liegenschaft, abweichend von dem mit Bescheid vom bewilligten Bauvorhaben, Änderungen vorzunehmen, nämlich Geländeveränderungen an allen Seiten des Gebäudes vorzunehmen und erforderliche Stützmauern herzustellen. Unter Spruchpunkt II.) des Bescheides ("Zubau") wurde nach Maßgabe der mit dem amtlichen Sichtvermerk versehenen Pläne gemäß § 70 BO die Bewilligung erteilt, auf dieser Liegenschaft die nachstehend beschriebene Bauführung vorzunehmen:

"Das Haus wird um durchschnittlich 27 cm höher ausgeführt, die zulässige Gebäudehöhe wird aufgrund der unter I.) bewilligten Geländeveränderungen eingehalten.

Die Bauführung wird in öffentlich-rechtlicher Beziehung für zulässig erklärt."

9 Dazu führte der Magistrat im Wesentlichen (u.a.) aus, dass die Revisionswerber am eine Baubewilligung für ein Einfamilienhaus erwirkt sowie nach Rechtskraft des bestätigenden Berufungsbescheides der Bauoberbehörde für Wien vom mit dem Bau begonnen hätten und das Haus abweichend von der Bewilligung im Rohbau errichtet worden sei. Im gegenständlichen Fall sei um die Bewilligung für Geländeveränderungen und für einen Zubau angesucht worden. Die Fassadenabwicklung der Gebäudehöhenberechnung laut den eingereichten Unterlagen sei nachvollziehbar. Bei der Berechnung der Gebäudehöhe nach § 81 Abs. 2 BO sei von der Höhe des anschließenden Geländes auszugehen, wie es sich nach dem Projekt darstelle. Die (im Auswechselplan im unteren Teil der Nordfassade grau schraffierte) Fläche von 6,00 m2 sei dabei außer Acht zu lassen, weil die Gebäudehöhe vom Gelände am eigenen Grund zu bemessen sei und jene Punkte an der Grundgrenze zur Interpolation des Geländes (geradlinige Verbindung) entlang der Feuermauer herangezogen würden. Trotz der geplanten Geländeveränderung werde der ursprünglich geplante Einfriedungssockel lediglich an der Ostseite des Gebäudes um 20 cm erhöht, und trotz der Geländeaufschüttungen auch im Bereich direkt an der Grundgrenze, welche hiemit einen Einfluss auf die Gebäudehöhe hätten, werde die Bebaubarkeit der Nachbarliegenschaft nicht eingeschränkt. Obschon die Anschüttungen zwischen 0,50 m und 0,70 m Höhe im Bereich der Nachbargrundgrenze lägen, sei die höchstzulässige Feuermauerhöhe mit 5,50 m Gebäudehöhe plus 4,50 m Firsthöhe, in Summe also 10 m Höhe, auch vom alten Gelände eingehalten, weil die höchstzulässige Firsthöhe nicht ausgenutzt werde.

10 Die Belichtung eines Gebäudes sei stets von der eigenen Liegenschaft zu gewährleisten. Dem Punkt II. 3.4. des PD 7427 werde entsprochen, und das Bauvorhaben halte die Bestimmungen über die Baumassengliederung ein, wonach der obere Abschluss der Gebäudefronten an keiner Stelle höher als das um 1,5 m vermehrte Ausmaß der zulässigen Gebäudehöhe über dem anschließenden Gelände liegen dürfe. Demnach dürfte die Gebäudehöhe stellenweise bis zu 7,00 m betragen, wenn dies an anderer Stelle ausgeglichen werde. Im gegenständlichen Fall werde diese Höhe weder vom neuen noch vom ursprünglichen Gelände aus bemessen erreicht.

11 Die Mitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid an das Verwaltungsgericht Wien (im Folgenden: Verwaltungsgericht) Beschwerde, worin sie (u.a.) den Antrag stellte, vor Aufhebung oder Abänderung des angefochtenen Bescheides gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG "erforderlichenfalls" eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

12 Mit Schreiben des Verwaltungsgerichtes vom wurde den Revisionswerbern die Beschwerde zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit geboten, innerhalb einer Frist von drei Wochen dazu Stellung zu nehmen und einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung (§ 24 Abs. 3 VwGVG) zu stellen. In der daraufhin von den Revisionswerbern mit Schriftsatz vom erstatteten Stellungnahme wurde kein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung gestellt.

13 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde - ohne Durchführung einer solchen Verhandlung - der Beschwerde stattgegeben und der Antrag auf Erteilung der Baubewilligung für Abweichungen vom bewilligten Bauvorhaben ("1. Planwechsel") und einen Zubau abgewiesen sowie eine ordentliche Revision für unzulässig erklärt. 14 Dazu führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass - entgegen den im erstinstanzlichen Bescheid getroffenen diesbezüglichen Ausführungen - an der Nordfront des Gebäudes weder Geländeveränderungen vorgenommen noch erforderliche Stützmauern hergestellt würden. Der Magistrat sei zwar im Hinblick auf § 60 Abs. 1 lit. g BO zutreffend davon ausgegangen, dass die projektierten Geländeveränderungen bewilligungspflichtig seien. Es fehle jedoch in der BO eine Regelung zur Frage, wann Geländeveränderungen einer Bewilligung überhaupt zugänglich seien, weshalb die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes heranzuziehen sei. So habe dieser Geländeveränderungen, die darin bestünden, dass sowohl Anschüttungen als auch Abgrabungen vorgenommen würden, für zulässig erklärt (Hinweis auf , 0058). Im gegenständlichen Fall würden jedoch nur Anschüttungen und keine Abgrabungen vorgenommen. Auch habe der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass eine projektierte Geländeanschüttung, die weder notwendig noch geboten sei, nicht zulässig sei (Hinweis auf ). Dass ohne die Geländeanschüttungen eine widmungsgemäße Nutzung der Liegenschaft nicht möglich wäre, könne nicht erkannt werden, zumal bereits mit Bescheid vom eine Baubewilligung erteilt worden sei. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes dienten die Anschüttungen ausschließlich dazu, die Überschreitung der Gebäudehöhe an der der Mitbeteiligten zugekehrten Front zu legalisieren, weshalb bereits die Bewilligung dieser Anschüttungen unzulässig sei. 15 In Bezug auf die Bemessung der Gebäudehöhe führte das Verwaltungsgericht aus, dass bei dieser Berechnung nach § 81 Abs. 2 BO von der Höhe des anschließenden Geländes auszugehen sei, wie es nach dem Bauvorhaben zum Zeitpunkt der Bauführung vorhanden sein werde, also wie es sich nach dem Projekt darstelle. Gemäß § 75 Abs. 7 BO betrage die maximale Gebäudehöhe im Gartensiedlungsgebiet 5,50 m, die, weil das Bauvorhaben nicht an einer Baulinie, Straßenfluchtlinie oder Verkehrsfluchtlinie liege, direkt an der Grundgrenze der Mitbeteiligten nicht überschritten werden dürfe. Vom anschließenden Gelände aus gemessen betrage allerdings die Gebäudehöhe an der Nordfront bis zu 6,20 m. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die im Auswechselplan im Zusammenhang mit der Fassadenabwicklung grau schraffierte Fläche im Ausmaß von 6,00 m2 nicht zur Gebäudehöhe dazugerechnet werden solle. Unter Hinzurechnung dieser Fläche ergebe sich an der Nordansicht (Nordfront) eine Fassadenfläche von 58,20 m2 (und nicht von 52,20 m2). Die Summe der Fassadenflächen betrage damit aber 195,69 m2 (und nicht 189,69 m2). Diese Zahl dividiert durch 34,50 m (= Länge aller Gebäudefronten) ergebe eine mittlere Gebäudehöhe von 5,67 m. Zudem weise die der Liegenschaft der Mitbeteiligten zugekehrte Gebäudefront eine Höhe von mehr als 5,50 m vom anschließenden Gelände aus gemessen auf, weshalb davon auszugehen sei, dass die zulässige Gebäudehöhe überschritten werde. Der Ansicht des Magistrates, dass "das Gelände an der Feuermauer mathematisch zwischen den Eckpunkten des geplanten Gebäudes linear interpoliert" werden könne, könne nicht gefolgt werden. Der angefochtene Bescheid sei deshalb aufzuheben und die Baubewilligung zu versagen.

16 Weiters vertrat das Verwaltungsgericht die Auffassung, dass die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung habe entfallen können, weil der Sachverhalt geklärt sei und ausschließlich Rechtsfragen zu beurteilen seien.

17 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision.

18 Der Magistrat und die Mitbeteiligte erstatteten jeweils eine Revisionsbeantwortung.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

19 Die Revision erweist sich in Anbetracht der in ihrer Zulässigkeitsbegründung (§ 28 Abs. 3 VwGG) aufgeworfenen Rechtsfrage der Zulässigkeit des Absehens von einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht als zulässig. 20 Die Revision führt dazu im Wesentlichen (u.a.) aus, dass die Auffassung des Verwaltungsgerichtes unzutreffend sei, wonach die durch den Planwechsel geänderte Gebäudehöhe an der der Liegenschaft der Mitbeteiligten zugewandten Grundgrenze auf Basis des Geländeniveaus laut der Stammbewilligung berechnet werden müsse, die im Einreichplan grau schraffierte Fläche zur Fassadenfläche hinzuzurechnen sei und daher die Gebäudehöhe an dieser Seite die gemäß § 75 Abs. 7 BO zulässige maximale Gebäudehöhe von 5,50 m überschreite. Nach ständiger hg. Judikatur (Hinweis u.a. auf ) sei nämlich das "anschließende Gelände" nicht das gewachsene Gelände, sondern jenes Gelände, wie es nach dem Bauvorhaben zum Zeitpunkt der Bauführung vorhanden sein werde. Es sei nicht erforderlich, geplante zulässige Geländeveränderungen bereits vor der Entscheidung über das Bauansuchen zu verwirklichen. Auf Basis des zukünftigen Geländeniveaus betrage die Gebäudehöhe an der hier verfahrensgegenständlichen Grundstücksgrenze 5,50 m und sei daher bewilligungsfähig.

21 Bei Änderungen bereits bewilligter Bauvorhaben sei zu fragen, ob das Bauvorhaben in der eingereichten, abzuändernden Form bewilligungsfähig wäre, wenn es von vornherein in dieser Form eingereicht worden wäre. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte das Verwaltungsgericht die interpolierte Anschüttung an der Nachbargrenze als Basis für die Berechnung der zukünftigen Gebäudehöhe heranziehen und die grau schraffierte Fläche an dieser Fassade im Ausmaß von 6,00 m2 unberücksichtigt lassen müssen. 22 Da sich das Bauvorhaben nicht in einer Schutzzone befinde und das PD keine besonderen Bestimmungen über die Gebäudehöhe auf Basis der Geländeformation enthalte, sei die Bewilligungsfähigkeit einer Geländeänderung ausschließlich auf Basis des § 60 Abs. 1 lit. g BO und der dazu ergangenen Judikatur zu beurteilen. Dass eine Verminderung der Bebaubarkeit und Ausnützbarkeit des Nachbargrundstückes im Sinne dieser Judikatur durch das Bauvorhaben gegeben sei, habe das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis nicht festgestellt. Vielmehr habe es sich über die Ausführungen des Magistrates im Bewilligungsbescheid, wonach die Bebaubarkeit der Nachbarliegenschaft nicht eingeschränkt werde, hinweggesetzt und jegliche Feststellungen in diesem Zusammenhang unterlassen.

23 Ferner rügt die Revision das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren und bringt vor, dass die Revisionswerber mit ihrem Schriftsatz vom ein sachverhaltsbezogenes Vorbringen (insbesondere zur Erforderlichkeit der Herstellung eines einheitlichen Geländeniveaus auf dem Baugrundstück) erstattet hätten und ein sachverhaltsbezogenes Vorbringen nach der (näher zitierten) hg. Judikatur in der Regel zur Verhandlungspflicht führe. Wenn, wie im vorliegenden Fall, der Sachverhalt strittig sei und Fragen der Beweiswürdigung (wie hinsichtlich der vom Verwaltungsgericht angenommenen Absicht der nachträglichen Legalisierung der Gebäudehöhe) aufträten, sei zwingend ohne Relevanzprüfung eine mündliche Verhandlung durchzuführen, wenn sich also herausstelle, dass eine Verhandlung eine weitere Klärung der Rechtssache ergeben könne.

24 Dazu ist Folgendes auszuführen:

25 Das Verwaltungsgericht hatte seiner Entscheidung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses zugrunde zu legen (vgl. etwa bis 0276, mwN).

26 Zu diesem Zeitpunkt stand die BO, LGBl. Nr. 11/1930, in der Fassung LGBl. Nr. 37/2018 in Geltung.

27 Die § 75, 81 und 134a BO lauten auszugsweise wie folgt:

"Bauklasseneinteilung, zulässige Gebäudehöhe

§ 75. ...

...

(7) In Gartensiedlungsgebieten darf die Gebäudehöhe 5,50 m nicht überschreiten, sofern der Bebauungsplan nicht anderes bestimmt.

..."

"Gebäudehöhe und Gebäudeumrisse; Bemessung

§ 81. ...

(2) Bei den über eine Gebäudetiefe von 15 m hinausragenden Teilen von Gebäuden an der Baulinie, Straßenfluchtlinie oder Verkehrsfluchtlinie sowie bei allen nicht an diesen Fluchtlinien gelegenen Gebäuden darf die Summe der Flächeninhalte aller Gebäudefronten nicht größer als das Produkt aus der Summe der Längen aller Gebäudefronten und der höchsten zulässigen Gebäudehöhe sein. Hierbei darf die höchste zulässige Gebäudehöhe an nicht an Verkehrsflächen liegenden Grundgrenzen und bis zu einem Abstand von 3 m von diesen Grundgrenzen überhaupt nicht und an den übrigen Fronten an keiner Stelle um mehr als 3 m überschritten werden; im Gartensiedlungsgebiet tritt an die Stelle dieser Maße jeweils ein Maß von 2 m. Bei dieser Ermittlung sind die Wände an der Bauplatz- oder Baulosgrenze (Feuermauern) ab 15 m hinter der Baulinie, Straßenfluchtlinie oder Verkehrsfluchtlinie wie Fronten in Rechnung zu stellen. Giebelflächen zählen bei dieser Ermittlung mit, jedoch bleiben je einzelner Giebelfläche höchstens 50 m2, je Gebäude höchstens 100 m2 außer Betracht. Der oberste Abschluss des Daches darf keinesfalls höher als 7,5 m über der zulässigen Gebäudehöhe liegen, sofern der Bebauungsplan nicht anderes bestimmt.

..."

"Subjektiv-öffentliche Nachbarrechte

§ 134 a. (1) Subjektiv-öffentliche Nachbarrechte, deren Verletzung die Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften (§ 134 Abs. 3) im Baubewilligungsverfahren geltend machen können, werden durch folgende Bestimmungen, sofern sie ihrem Schutze dienen, begründet:

...

b) Bestimmungen über die Gebäudehöhe;

..."

28 § 24 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 24/2017 lautet:

"Verhandlung

§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) Die Verhandlung kann entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

  1. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist;

  2. wenn die Rechtssache durch einen Rechtspfleger erledigt

  3. wird.

(3) Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

(4) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

(5) Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden."

29 Die Unterlassung einer nach diesen Regelungen gebotenen Verhandlung kann nicht nur von jener Partei, die einen Verhandlungsantrag gestellt hat, sondern von jeder

Verfahrenspartei geltend gemacht werden. Wurde nämlich bereits - wie hier von der Mitbeteiligten in der Beschwerde - ein Verhandlungsantrag gestellt, so sind die anderen Parteien nicht gehalten, einen eigenen Verhandlungsantrag zu stellen. Dies ergibt sich daraus, dass der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden kann (vgl. etwa , mwN).

30 Die Entscheidung über den Antrag der Revisionswerber auf Erteilung einer Baubewilligung für eine Änderung eines Bauvorhabens auf ihrem Grundstück fällt unter Art. 6 EMRK ("civil right"; vgl. etwa , mwN). 31 In Bezug auf § 24 Abs. 4 VwGVG hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt festgehalten, dass der Gesetzgeber als Zweck der mündlichen Verhandlung die Klärung des Sachverhaltes und die Einräumung von Parteiengehör sowie darüber hinaus die mündliche Erörterung einer nach der Aktenlage strittigen Rechtsfrage zwischen den Parteien und dem Gericht vor Augen gehabt hat. Ferner kommt eine ergänzende Beweiswürdigung durch das Verwaltungsgericht regelmäßig erst nach einer mündlichen Verhandlung in Frage. Bei maßgeblichem sachverhaltsbezogenem Vorbringen einer beschwerdeführenden Partei ist ebenfalls eine mündliche Verhandlung durchzuführen, dies sogar dann, wenn kein Antrag auf eine solche gestellt worden ist (vgl. etwa , mwN).

32 Die Mitbeteiligte hat in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid (u.a.) die Annahmen des Magistrates in Bezug auf die Fassadenabwicklung (§ 81 Abs. 2 BO) zur Berechnung der Gebäudehöhe im Zusammenhang mit den Geländeveränderungen auf dem Grundstück der Revisionswerber bestritten, welchem Vorbringen die Revisionswerber mit ihrem Schriftsatz vom entgegengetreten sind. Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Erkenntnis eine eigene Berechnung in Bezug auf die Fassadenabwicklung vorgenommen und ist damit teilweise von den Sachverhaltsannahmen des Magistrates im erstinstanzlichen Bescheid abgegangen.

33 Es lag somit im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht ein maßgebliches sachverhaltsbezogenes Vorbringen - zur Berechnung der Gebäudehöhe im Zusammenhang mit den projektierten Geländeveränderungen und der Fassadenabwicklung - vor, das vom Verwaltungsgericht gewürdigt wurde. Vor diesem Hintergrund wäre eine mündliche Verhandlung zur Erörterung dieser Fragen durchzuführen gewesen. Hiebei ist, wenn eine Verhandlung nach Art. 6 EMRK geboten ist, eine Prüfung der Relevanz der Unterlassung einer solchen Verhandlung nicht vorzunehmen (vgl. zum Ganzen nochmals , mwN). 34 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, wobei es sich angesichts des damit gegebenen Verfahrensstandes erübrigt, auf das weitere Revisionsvorbringen einzugehen.

35 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff, insbesondere § 53 Abs. 1 VwGG iVm der Verordnung, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019050048.L00
Schlagworte:
Baubewilligung BauRallg6

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