TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 21.12.2010, 2010/21/0401

VwGH vom 21.12.2010, 2010/21/0401

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2010/21/0174 E

2010/21/0468 E

2010/21/0519 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des B, vertreten durch Mag. Laszlo Szabo, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Claudiaplatz 2, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom , Zl. FW-20733, betreffend Ladung in einer Angelegenheit nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der vom Beschwerdeführer, einem im November 2003 nach Österreich eingereisten türkischen Staatsangehörigen, gestellte Asylantrag wurde im Instanzenzug mit rechtskräftigem Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom abgewiesen; unter einem wurde er aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Ladungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom wurde der in Schlitters wohnhafte Beschwerdeführer aufgefordert, am , um 14.00 Uhr, persönlich beim "Passreferenten" im (an einer näher genannten Adresse) in Salzburg situierten Generalkonsulat der Republik Türkei zu erscheinen, um in der Angelegenheit "Ausstellung eines Heimreisezertifikates" als Beteiligter mitzuwirken. Unter einem wurde der Beschwerdeführer ersucht, ein Passbild und in seinem Besitz befindliche "Dokumente, Ausweise ..." mitzubringen. Für den Fall, dass der Beschwerdeführer der Ladung ohne wichtigen Grund nicht Folge leiste, wurde die Veranlassung der zwangsweisen Vorführung angedroht. Als Rechtsgrundlage für diesen Ladungsbescheid wurde nur § 19 AVG genannt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:

1. Der im bekämpften Bescheid angeführte § 19 AVG lautet:

"Ladungen

§ 19. (1) Die Behörde ist berechtigt, Personen, die in ihrem Amtsbereich ihren Aufenthalt (Sitz) haben und deren Erscheinen nötig ist, vorzuladen. Im Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten sind auch Ladungen von Personen, die ihren Aufenthalt (Sitz) außerhalb des Amtsbereiches des unabhängigen Verwaltungssenates haben, zulässig.

(2) In der Ladung ist außer Ort und Zeit der Amtshandlung auch anzugeben, was den Gegenstand der Amtshandlung bildet, in welcher Eigenschaft der Geladene vor der Behörde erscheinen soll (als Beteiligter, Zeuge usw.) und welche Behelfe und Beweismittel mitzubringen sind. In der Ladung ist ferner bekanntzugeben, ob der Geladene persönlich zu erscheinen hat oder ob die Entsendung eines Vertreters genügt und welche Folgen an ein Ausbleiben geknüpft sind.

(3) Wer nicht durch Krankheit, Gebrechlichkeit oder sonstige begründete Hindernisse vom Erscheinen abgehalten ist, hat die Verpflichtung, der Ladung Folge zu leisten und kann zur Erfüllung dieser Pflicht durch Zwangsstrafen verhalten oder vorgeführt werden. Die Anwendung dieser Zwangsmittel ist nur zulässig, wenn sie in der Ladung angedroht waren und die Ladung zu eigenen Handen zugestellt war; sie obliegt den Vollstreckungsbehörden.

(4) Gegen die Ladung oder die Vorführung ist kein Rechtsmittel zulässig."

2. In der Beschwerde wird vorgebracht, der Zweck der Ladung sei die Erlangung eines Heimreisezertifikates, das "von der Türkei" auszustellen sei. Ungeachtet dessen sei eine österreichische Behörde nicht befugt, eine Ladung vor eine ausländische Vertretungsbehörde auszusprechen, denn als Behörde im Sinne des § 19 AVG sei immer nur eine inländische Behörde zu verstehen. Außerdem liege das Türkische Konsulat in Salzburg, weshalb auch die örtliche Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Schwaz nicht gegeben sei.

3.1. Den Fremdenpolizeibehörden erster Instanz obliegt - innerhalb ihres jeweiligen Amtssprengels - gemäß dem ihre sachliche Zuständigkeit im Inland regelnden § 5 Abs. 1 FPG (unter anderem) "die Besorgung der Fremdenpolizei" (Z 1). Das umfasst nach § 2 Abs. 2 FPG insbesondere auch die Beendigung des rechtswidrigen Aufenthaltes, die Überwachung der Ausreise Fremder aus dem Bundesgebiet sowie die Erzwingung von Ausreiseentscheidungen. Die örtliche Zuständigkeit im Inland richtet sich grundsätzlich nach dem Hauptwohnsitz iSd MeldeG, in Ermangelung eines solchen nach einem sonstigen Wohnsitz des Fremden im Bundesgebiet.

Daraus folgt, dass die belangte Behörde grundsätzlich zur Ergreifung von Maßnahmen zur Beendigung des rechtswidrigen Aufenthalts des in ihrem Amtssprengel wohnhaften Beschwerdeführers zuständig war.

3.2. Aus dem ersten Satz des Abs. 1 und aus Abs. 2 des zitierten § 19 AVG ergibt sich jedoch, dass die Behörde eine Person, die in ihrem Amtsbereich ihren Aufenthalt hat, nur zur Mitwirkung bei einer von ihr - im Rahmen ihrer örtlichen und sachlichen Zuständigkeit, allenfalls auch außerhalb ihrer Amtsräumlichkeiten "an Ort und Stelle" - vorzunehmenden Amtshandlung vorladen darf (vgl. auch Hengstschläger/Leeb , AVG § 19 Rz 1, wonach eine Ladung im Sinne dieser Bestimmung der Befehl an eine bestimmte Person ist, bei ihr zu erscheinen; idS auch aaO. Rz 6). Demnach bietet der von der belangten Behörde im angefochtenen Ladungsbescheid herangezogene § 19 AVG keine Rechtsgrundlage für die Ladung einer Person zur Mitwirkung bei einer nicht von dieser Behörde und nicht innerhalb ihres Amtssprengels vorzunehmenden Amtshandlung.

3.3. Die von der Bezirkshauptmannschaft Schwaz als Fremdenpolizeibehörde erster Instanz unter Androhung von Zwangsfolgen vorgenommene Ladung des Beschwerdeführers zum persönlichen Erscheinen "beim Passreferenten" im türkischen Konsulat in Salzburg erweist sich daher als rechtswidrig.

Dieser in der Beschwerde der Sache nach vertretenen Auffassung ist die belangte Behörde im Übrigen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren - auf die Erstattung einer Gegenschrift wurde ausdrücklich verzichtet - auch nicht entgegen getreten.

4.1. Der auf einer unrichtigen Rechtsansicht beruhende Ladungsbescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

4.2. Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am21. Dezember 2010