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VwGH vom 31.07.2014, 2013/08/0086

VwGH vom 31.07.2014, 2013/08/0086

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten, den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätinnen Dr. Julcher und Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter und Richterinnen, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde der M B in F, vertreten durch Mag. Helmut Hawranek, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Joanneumring 16/V, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom , Zl. LGS600/SfA/0566/2013-He/S, betreffend Höhe der Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführerin vom 3. September bis Notstandshilfe in Höhe von EUR 18,15, vom 1. Dezember bis in Höhe von EUR 12,75 und ab in Höhe von EUR 13,42 täglich gebührt.

Eine der Voraussetzungen um Notstandshilfe beziehen zu können sei, dass sich der Arbeitslose in Notlage befände. Das Vorliegen von Notlage hänge einerseits vom Einkommen der Arbeitslosen selbst und ihres Ehegatten ab, andererseits davon, wie hoch die Notstandshilfe der Arbeitslosen dem Grunde nach sei. Das jeweilige Einkommen müsse jedenfalls auf die maximal zustehende Notstandshilfe angerechnet werden. Davor sei vom Nettoeinkommen des Ehegatten die sogenannte Freigrenze, das seien Beträge, welche zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhaltes des Ehegatten und der allenfalls zu versorgenden Familienmitglieder bestimmt seien, abzuziehen. Unter welchen Voraussetzungen diese Freigrenzen erhöht werden könnten, sei in Richtlinien geregelt. Da der Ehegatte der Beschwerdeführerin eine Erwerbsunfähigkeitspension beziehe, sei aufgrund seiner Behinderung sowohl der dafür in den Richtlinien vorgesehene Betrag von EUR 80,-- zu gewähren, als auch die gesetzliche 50 % Freigrenzenerhöhung durchzuführen gewesen.

Der Ehegatte der Beschwerdeführerin sei hinsichtlich seiner Tochter N. G. seit nicht mehr unterhaltspflichtig (keine Zahlung von laufendem Unterhalt). Im Wege des Exekutionsverfahrens würden laut Auskunft der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft seit diesem Datum nur mehr Unterhaltsrückstände einbehalten. Es sei daher ab kein Zusatzbetrag zur Freigrenze mehr zu gewähren gewesen. Die Berufungseinwendungen der Beschwerdeführerin gingen ins Leere.

Unter Zugrundelegung des Nettoeinkommens (Erwerbsunfähigkeitspension) ihres Ehegatten ergebe sich von bis folgende Einkommensanrechnung:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Nettopension des Ehegatten .................................................
EUR
1.017,89
abzüglich Freigrenze für Ehegatten .....................................
- EUR
515,00
abzüglich Freigrenze für Tochter N. G. ...............................
- EUR
257,50
abzüglich Freigrenzenerhöhung Behinderung .....................
- EUR
80,00
abzüglich 50 % Freigrenzenerhöhung Behinderung ............
- EUR
386,25
ergebe monatlich anzurechnenden Betrag von ....................
- EUR
220,86

Es sei keine Anrechnung auf die Notstandshilfe vorzunehmen, sie gebühre für den genannten Zeitraum in ungekürzter Höhe von EUR 18,15.

Unter Zugrundelegung des Nettoeinkommens (Erwerbsunfähigkeitspension) ihres Ehegatten ergebe sich von bis folgende Einkommensanrechnung:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Nettopension des Ehegatten .................................................
EUR
1.017,89
abzüglich Freigrenze für Ehegatten .....................................
- EUR
515,00
abzüglich Freigrenzenerhöhung Behinderung .....................
- EUR
80,00
abzüglich 50 % Freigrenzenerhöhung Behinderung ............
- EUR
257,50
ergebe monatlich anzurechnenden Betrag von .....................
EUR
165,39
gerundet .................................................................... ............
EUR
165,00
ergebe täglich anzurechnenden Betrag von ..........................
EUR
5,40
täglich gebührende Notstandshilfe vor Anrechnung ............
EUR
18,15
täglich gebührende Notstandshilfe nach Anrechnung ..........
EUR
12,75

Die Beschwerdeführerin wende in ihrer Berufung ein, es sei nicht nachvollziehbar, dass einmal im Bescheid als Freigrenze auf Grund der Behinderung ein Betrag von EUR 257,50 abgezogen würde, ein anderes Mal ein Betrag in derselben Höhe als Freigrenze für ein Kind.

Der Freigrenzenbetrag für ein Kind betrage für 2012 EUR 257,50; der für den das Einkommen beziehenden Ehepartner für 2012 EUR 515,00. Eine 50 % Erhöhung der Freigrenze für den das Einkommen beziehenden Ehepartner von EUR 515,00 betrage somit EUR 257,50.

Unter Zugrundelegung des Nettoeinkommens (Erwerbsunfähigkeitspension) des Ehegatten der Beschwerdeführerin ergebe sich ab folgende Einkommensanrechnung:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Nettopension des Ehegatten .................................................
EUR
1.017,89
abzüglich Freigrenze für Ehegatten .....................................
- EUR
529,00
abzüglich Freigrenzenerhöhung Behinderung .....................
- EUR
80,00
abzüglich 50 % Freigrenzenerhöhung Behinderung ...........
- EUR
264,50
ergebe monatlich anzurechnenden Betrag von ....................
- EUR
144,39
gerundet .................................................................... ............
EUR
144,00
ergebe täglich anzurechnenden Betrag von ..........................
EUR
4,73
täglich gebührende Notstandshilfe vor Anrechnung ............
EUR
18,15
täglich gebührende Notstandshilfe nach Anrechnung ..........
EUR
13,42

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig auszuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

1. Die Beschwerdeführerin bringt vor, die Notstandshilfe sei zu niedrig bemessen worden, weil ab dem kein Zusatzbetrag zur Freigrenze für die Tochter ihres Ehegatten mehr gewährt worden sei. Der Umstand, dass gegenwärtig keine Zahlungen an laufendem Unterhalt von der Pension des Ehegatten der Beschwerdeführerin erfolgten, bedeute nicht, dass keine Unterhaltspflicht des Ehegatten der Beschwerdeführerin bestehe.

Richtigerweise hätte die belangte Behörde bei der Freigrenzenerhöhung berücksichtigen müssen, dass - wie aus der im Verfahren vorgelegten Pensionsbestätigung des Ehegatten der Beschwerdeführerin vom ersichtlich sei - ab weiterhin ein monatlicher Unterhalt in der Höhe von EUR 259,91 an die Tochter N. G. geleistet werde. Die Ausführungen der belangten Behörde würden eine nicht nachvollziehbare Ungleichbehandlung darstellen, weil in jedem Monat eine gleich hohe Unterhaltsleistung durch den Ehegatten der Beschwerdeführerin erfolge.

2. Die Beschwerde ist berechtigt.

Gemäß § 33 Abs. 2 AlVG ist Voraussetzung für die Gewährung der Notstandshilfe unter anderem, dass sich der Arbeitslose in Notlage befindet. Notlage liegt gem. § 33 Abs. 3 AlVG vor, wenn dem Arbeitslosen die Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse unmöglich ist.

Gemäß § 36 Abs. 1 AlVG hat der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz nach Anhörung der gesetzlichen Interessenvertretungen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Richtlinien über das Vorliegen einer Notlage im Sinne des § 33 Abs. 3 zu erlassen.

Gemäß § 2 Abs. 1 der auf Grund des § 36 Abs. 1 AlVG erlassenen Notstandshilfeverordnung, BGBl. Nr. 352/1973, liegt Notlage vor, wenn das Einkommen des (der) Arbeitslosen und das seines Ehepartners (Lebensgefährten bzw. seiner Lebensgefährtin) zur Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse des (der) Arbeitslosen nicht ausreicht.

§ 6 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 6 NH-VO (in der hier anzuwendenden Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 490/2001) lauten:

"§ 6. (1) Bei Heranziehung des Einkommens des Ehepartners (Lebensgefährten bzw. der Lebensgefährtin) des (der) Arbeitslosen für die Beurteilung der Notlage ist wie folgt vorzugehen: Von dem Einkommen ist ein Betrag freizulassen, der zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhaltes des Ehepartners (Lebensgefährten bzw. der Lebensgefährtin) und der allenfalls von ihm zu versorgenden Familienmitglieder bestimmt ist (Freigrenze). Der die Freigrenze übersteigende Teil des Einkommens ist auf die Notstandshilfe anzurechnen.

(2) Die Freigrenze beträgt pro Monat 430 Euro für den das Einkommen beziehenden Ehepartner (Lebensgefährten bzw. die Lebensgefährtin) und die Hälfte dieses Betrages für jede Person, für deren Unterhalt der Ehepartner (Lebensgefährte bzw. die Lebensgefährtin) auf Grund einer rechtlichen oder sittlichen Pflicht tatsächlich wesentlich beiträgt."

Gemäß § 7 NH-VO ist der im § 6 Abs. 2 genannte Betrag mit Wirkung ab 1. Jänner des Jahres 2002 und jedes darauf folgenden Jahres mit dem Anpassungsfaktor des jeweiligen Kalenderjahres zu vervielfachen und kaufmännisch auf einen vollen Eurobetrag zu runden.

Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren vorgebracht, dass ihr Ehegatte nach wie vor Unterhaltszahlungen für ein Kind leiste. Daher hätte die belangte Behörde im Rahmen ihrer Verpflichtung zur amtswegigen Sachverhaltsermittlung iSd § 6 Abs. 2 Notstandshilfeverordnung feststellen müssen, ob die von der Beschwerdeführerin behaupteten Zahlungen ihres Ehemannes tatsächlich geleistet werden und ob er damit zum Unterhalt für sein Kind auf Grund einer rechtlichen oder sittlichen Pflicht wesentlich beiträgt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2005/08/0118, und vom , Zl. 2006/08/0246). Im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde stellt § 6 Abs. 2 Notstandshilfeverordnung nicht darauf ab, ob mit den "tatsächlich geleisteten" Zahlungen Unterhaltsrückstände beglichen oder ein laufender Unterhaltsanspruch befriedigt wird, sofern eine Unterhaltspflicht iSd § 6 Abs. 2 NH-VO zum Zeitpunkt des Beitrags gegeben ist.

3. Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

4. Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
XAAAE-81551