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VwGH vom 11.12.2013, 2013/08/0083

VwGH vom 11.12.2013, 2013/08/0083

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde der C H in P, vertreten durch Mag. Georg Derntl, Rechtsanwalt in 4320 Perg, Hauptplatz 11a/Herrenstraße 1, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom , Zl. LGSOÖ/Abt.4/2013-0566-4-000126-11, betreffend Verlust der Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde ausgesprochen, dass die Beschwerdeführerin ihren Anspruch auf Notstandshilfe vom 2. November bis zum gemäß §§ 9 und 10 AlVG verliere und Nachsicht gemäß § 10 Abs. 3 AlVG nicht erteilt werde.

Die Beschwerdeführerin beziehe seit dem Notstandshilfe. Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Perg (im Folgenden: AMS) habe der Beschwerdeführerin am eine Beschäftigung als Hilfsarbeiterin im Bereich Gastronomie beim Verein S mit einer Entlohnung von monatlich EUR 400,-- und einer möglichen Arbeitsaufnahme am verbindlich angeboten. Das Beschäftigungsverhältnis sei nicht zustande gekommen. Die Beschwerdeführerin habe sich nicht beim Verein S vorgestellt. Am habe die Beschwerdeführerin gegenüber dem AMS dazu angegeben: "Es hat einfach nicht gepasst."

Mit Beschluss des Bezirksgerichts P. vom sei Dr. D., der Vertreter der Beschwerdeführerin, gemäß §§ 119 und 120 Außerstreitgesetz zum Verfahrenssachwalter und zum einstweiligen Sachwalter für die Verwaltung von Vermögen bestellt worden. Dr. D. sei jedoch nicht "zum Sachwalter für die Vertretung bei Ämtern und Behörden, aber auch nicht zum Sachwalter für alle Angelegenheiten" bestellt worden. Es sei nicht erforderlich gewesen, die Zuweisung der gegenständlichen Beschäftigung an ihn zu richten oder ihn davon zu informieren. Das AMS habe erst am und sohin nach der Zuweisung der gegenständlichen Beschäftigung von der Bestellung zum (einstweiligen) Sachwalter erfahren. Selbst wenn die Vertretungsbefugnis jene vor Ämtern und Behörden erfasst hätte, wäre die Zuweisung vom auch aus diesem Grund rechtswirksam gewesen. Der Sachwalter hätte wegen des vom Gerichtsbeschluss nicht umfassten Wirkungsbereiches nicht darüber informiert werden müssen. Grundsätzlich werde festgestellt,

"dass nur Sachwalter für Vertretung vor Behörden und Ämtern, Sachwalter für die Durchführung von Geldangelegenheiten und Sachwalter für alle Angelegenheiten rechtsgültige Handlungen im Verkehr mit dem Arbeitsmarktservice setzten können."

Bei der Beschäftigung durch den Verein S für die Dauer von einem Jahr handle es sich um eine Lernwerkstätte im Berufsfeld "Küche/Gastro" für Jugendliche und junge Erwachsene mit einem Grad der Behinderung von mindestens 30 % oder mit Lernschwächen bzw. sozial-emotionalen Beeinträchtigungen. Mit den "Klienten" werde ein Dienstvertrag über 38 Wochenstunden abgeschlossen. Da ein Kollektivvertrag nicht vorliege, müsse die Entlohnung zumindest angemessen sein. Die praktische Tätigkeit im Rahmen von Kundenaufträgen finde an zwei Tagen (in der Woche) im Gesamtausmaß von 16,5 Stunden statt. Ausgehend von den monatlich vereinbarten EUR 400,-- würde sich für 38 Stunden ein hochgerechnetes Monatsentgelt von EUR 921,21 ergeben. Die "Tätigkeit im Rahmen der Maßnahme" könne als Vorstufe für eine Lehrausbildung betrachtet werden. Entsprechend der Lohntabelle für Gastronomie und Hotellerie in Oberösterreich gebühre einem Lehrling bei 40 Wochenstunden im ersten Lehrjahr eine monatliche Entschädigung von EUR 574,--. Ausgehend von diesem Betrag bedeutet dies einen aliquoten Entgeltanteil für 16,5 Wochenstunden von EUR 52,11 bzw. monatlich EUR 225,64. Die gebotene Entlohnung sei daher angemessen.

Das Beschäftigungsverhältnis sei nicht zustande gekommen. Die Beschwerdeführerin habe es unterlassen, sich beim Verein S zu bewerben. Sie habe dadurch das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses vereitelt. Es bestehe kein Anspruch auf Notstandshilfe für den angegebenen Zeitraum.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die Beschwerde macht geltend, dass die gebotene Entlohnung nicht angemessen sei. Darüber hinaus sei die Beschwerdeführerin einstweilig besachwaltert. Die belangte Behörde habe es unterlassen festzustellen, ob sie zum Zeitpunkt der Ablehnung der zugewiesenen Stelle im Stande gewesen sei, "ihre finanziellen Mittel und Vermögen" selbständig zu verwalten oder Verträge abzuschließen.

Mit dem im Akt erliegenden Beschluss des Bezirksgerichts Perg vom wurde der Vertreter der beschwerdeführenden Partei einerseits gemäß § 119 Außerstreitgesetz zum Verfahrenssachwalter und andererseits "zum einstweiligen Sachwalter für folgende dringende Angelegenheiten (§ 120 AußStrG) bestellt: Verwaltung von Vermögen".

Die Besorgung des "bestimmten Kreises von Angelegenheiten" (vgl. § 268 Abs. 3 Z 2 ABGB) wurde in dem genannten Beschluss mit "Verwaltung von Vermögen" umschrieben und in keiner Weise eingeschränkt. Zum Wirkungskreis des (einstweiligen) Sachwalters gehörte daher insbesondere der Abschluss von Dienstverträgen für die Beschwerdeführerin (vgl. § 229 Abs. 2 ABGB iVm § 154 Abs. 3 ABGB, jeweils in der zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 135/2000, nunmehr § 214 Abs. 4 iVm § 167 Abs. 3 ABGB, betreffend Vertretungshandlungen "in Vermögensangelegenheiten").

Die Bestellung des einstweiligen Sachwalters erfolgte mit sofortiger Wirkung (vgl. den Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom , 2 Ob 173/08t, JBl. 2009, 320). Hätte die behinderte Person im Rahmen des Wirkungskreises des Sachwalters ein Rechtsgeschäft, das eine geringfügige Angelegenheit des täglichen Lebens betrifft, geschlossen, so würde dieses Rechtsgeschäft gemäß § 280 Abs. 2 ABGB (in der hier zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 92/2006) mit der Erfüllung der die behinderte Person treffenden Pflichten rückwirkend rechtswirksam. Der Abschluss eines Dienstvertrages über Zuweisung durch das Arbeitsmarktservice ist aber keine "geringfügige Angelegenheit" im Sinn des § 280 Abs. 2 ABGB. Selbst wenn die Beschwerdeführerin das Vorstellungsgespräch wahrgenommen hätte, wäre sie infolge ihrer jedenfalls infolge der Bestellung des einstweiligen Sachwalters eingeschränkten Geschäftsfähigkeit gar nicht in der Lage gewesen (rechtswirksam) einen Dienstvertrag abzuschließen, was zur Folge hat, dass aus einem aus welchen Gründen immer erfolglosen Verlauf eines ohne Beiziehung des Sachverhaltes geführten Vorstellungsgesprächs keine Weigerung, die Beschäftigung anzunehmen, abgeleitet werden kann (vgl. das zu § 273a ABGB ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/08/0110).

Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das auf Zuerkennung eines höheren Aufwandersatzes sowie der gesetzlichen Umsatzsteuer gerichtete Mehrbegehren war abzuweisen, weil es einerseits in der genannten Verordnung nicht gedeckt ist und andererseits der durch Verordnung pauschaliert festgesetzte Schriftsatzaufwand auch die anfallende Umsatzsteuer abdeckt. Das auf Ersatz der Eingabengebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG gerichtete Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Beschwerdeführerin im Rahmen der Verfahrenshilfe von deren Entrichtung befreit worden ist.

Wien, am