VwGH vom 29.01.2020, Ra 2019/05/0007

VwGH vom 29.01.2020, Ra 2019/05/0007

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bayjones und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Mag. Rehak und Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wölfl, über die Revision der L GmbH in I, vertreten durch Dr. Christian Schauberger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rathausstraße 11, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom , VGW- 111/V/067/13852/2017-24, VGW-111/V/067/13853/2017, VGW- 111/V/067/13854/2017, VGW-111/V/067/13855/2017, VGW- 111/V/067/13856/2017, VGW-111/V/067/13857/2017, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; mitbeteiligte Parteien: 1. K S in W, 2. Ing. W S in B, 3. Dipl.-Ing. T S in W,

4. I P in W, 5. B F in W und 6. Eh G in P, die Zweit- bis Sechstmitbeteiligten vertreten durch die Lattenmayer, Luks & Enzinger Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Tuchlauben 13; weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom erteilte die belangte Behörde der ursprünglichen Bauwerberin hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft in W, KG M, gemäß § 70 Bauordnung für Wien - BO für Wien und in Anwendung des Wiener Garagengesetzes 2008 die mit Ansuchen vom beantragte Bewilligung zur Errichtung eines Hofgebäudes. 2 Aufgrund der dagegen erhobenen Berufung behob die Bauoberbehörde für Wien mit Bescheid vom gemäß § 66 Abs. 2 AVG den angefochtenen Bescheid. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der genaue Umfang des vorliegenden Bauprojektes könne unter Zugrundelegung der Einreichunterlagen wegen der darin enthaltenen Unstimmigkeiten nicht beurteilt werden. Hinsichtlich des projektierten PKW-Stellplatzes im Hofinneren seien Ergänzungen vorzunehmen, und der gepflasterte Zufahrtsweg in einer gärtnerisch auszugestaltenden Fläche bedürfe ebenso einer Überprüfung auf seine Vereinbarkeit mit § 79 Abs. 6 BO für Wien wie der geplante Abbruch einer Stiegenanlage in Hinblick auf § 60 Abs. 1 lit. e BO für Wien.

3 Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde die Bewilligung für die Bauführung zur Errichtung eines Neubaus eines Wohngebäudes mit drei Hauptgeschossen, einem Kellergeschoss und einem Dachgeschoss, enthaltend eine Wohnung mit zwei Erkern, im Hof der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft erteilt.

4 Im Zuge des aufgrund von Beschwerden der mitbeteiligten Parteien durchgeführten Beschwerdeverfahrens beantragte das Verwaltungsgericht beim Verfassungsgerichtshof die Feststellung der Gesetzwidrigkeit näher bezeichneter Festlegungen des Plandokuments 7735. Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , V 98/2015-24, V 127/2015-7, wurde dieser Antrag abgewiesen.

5 Mit Beschluss vom hob das Verwaltungsgericht den Bescheid der belangten Behörde vom auf und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurück. Dies im Kern mit der Begründung, dass die belangte Behörde an die in der aufhebenden Berufungsentscheidung der Bauoberbehörde vertretene Rechtsansicht gebunden gewesen sei, die darin aufgetragenen Präzisierungen der Einreichpläne und die sonst klar aufgezeigten Sachverhaltserhebungen jedoch unterlassen habe.

6 Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde - infolge eines Bauwerberwechsels im Dezember 2014 - der Revisionswerberin nach Maßgabe der mit dem amtlichen Sichtvermerk versehenen Pläne die Bewilligung zur Errichtung eines näher beschriebenen Wohngebäudes im Hof mit drei Hauptgeschossen, einem Kellergeschoss und einem Dachgeschoss, enthaltend eine Wohnung mit zwei Erkern, sowie die Herstellung eines Kfz-Stellplatzes im Hof unter Vorschreibung verschiedener Auflagen erteilt. Die Einwendungen der mitbeteiligten Parteien wurden in der Begründung als unbegründet "abgewiesen".

7 Die mitbeteiligten Parteien erhoben dagegen Beschwerde an das Verwaltungsgericht.

8 In der seitens des Verwaltungsgerichtes durchgeführten Verhandlung vom wurde das Projekt dahingehend modifiziert, dass der PKW-Stellplatz nicht mehr Gegenstand der Einreichung sei und der Einreichplan entsprechend geändert werde. Ansonsten ändere sich nichts am Projekt des Hofgebäudes. 9 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht den Beschwerden der mitbeteiligten Parteien Folge und versagte die mit Ansuchen vom beantragte Baubewilligung. Die Revision gegen diese Entscheidung erklärte es für unzulässig.

10 Dabei ging das Verwaltungsgericht - soweit für das Revisionsverfahren wesentlich - davon aus, dass es sich bei den mitbeteiligten Parteien um die grundbücherlichen Eigentümer der an die projektgegenständliche Liegenschaft unmittelbar angrenzenden Liegenschaft handle. Diese hätten im Zuge der von der belangten Behörde durchgeführten mündlichen Verhandlungen Einwendungen gegen das Bauvorhaben erhoben. Das projektierte Hofgebäude schließe unmittelbar an das Gebäude der mitbeteiligten Parteien an. Im Einreichplan seien weiters unmittelbar an das projektierte Hofgebäude zwei auf der Liegenschaft der mitbeteiligten Parteien zurückversetzte, nicht bebaute Flächen ausgewiesen. In diesen zurückversetzten, nicht bebauten Flächen der Liegenschaft der mitbeteiligten Nachbarn seien Fenster situiert, die normal (senkrecht) zur projektierten Feuermauer bzw. zur gemeinsamen Grundgrenze stünden. Diese gehörten laut den mit Datum und Geschäftszahl näher bezeichneten Bescheiden in drei Fällen zu genehmigten Küchen, in einem Fall zu einem genehmigten Badezimmer. Aufgrund der genannten Bewilligungen befänden sich in den genannten, zurückversetzten Flächen der Liegenschaft der mitbeteiligten Parteien in drei Wohnungen konsensmäßige, rechtmäßig bewilligte Fenster zur Belichtung von Aufenthaltsräumen (Küchen).

11 Durch die Errichtung des dreigeschossigen Hofgebäudes mit ausgebautem Dachgeschoss und einer 12,3 m hohen Feuermauer an der unmittelbaren Grundstücksgrenze zur Liegenschaft der mitbeteiligten Parteien sei der erforderliche Lichteinfall entsprechend der OIB-Richtlinie 3, Punkt 9.1., auf die genannten, rechtmäßig bewilligten Aufenthaltsraumfenster (situiert in den zurückversetzten Flächen) der Liegenschaft der mitbeteiligten Nachbarn zur Gänze nicht mehr gegeben, weil im Fall der Bebauung der projektgegenständlichen Liegenschaft mit dem Hofgebäude ein bloß unter 25 Grad im Grundriss verschwenkter Lichteinfall gegeben sei. Der erforderliche Lichteinfall unter 45 Grad (direkter Lichteinfall) bzw. verschwenkte Lichteinfall bis zu einem Winkel von 30 Grad sei nicht gegeben, sodass die Lichtverhältnisse in den genannten Aufenthaltsräumen der mitbeteiligten Nachbarn beeinträchtigt würden.

12 Die anzuwendende Festsetzung des Flächenwidmungsplanes und des Bebauungsplanes für die verfahrensgegenständliche Fläche erfolge durch das Plandokument 7735 vom (im Folgenden: PD 7735). Das PD 7735 lege an Widmung im nordwestlichen Bereich der projektgegenständlichen Liegenschaft grundsätzlich Wohnzone, Schutzzone, Anordnung der gärtnerischen Ausgestaltung samt Untersagung der Errichtung unterirdischer Bauten fest. Im nordöstlichen Bereich der projektgegenständlichen Liegenschaft sei (im Wesentlichen auf einer Länge von 25,32 m und einer Breite von 2,4 m) die Widmung mit Wohnzone, Schutzzone, Wohngebiet, Bauklasse II, maximale Gebäudehöhe 11 m, geschlossene Bauweise, festgelegt. Ausgehend von der Baulinie an der M-Straße sei die Bebaubarkeit auf 12 m durch die hintere Baufluchtlinie, welche auf der projektgegenständlichen Liegenschaft zu liegen komme, begrenzt. An bebaubarer Fläche entfielen davon auf die projektgegenständliche Liegenschaft im Wesentlichen lediglich 2,4 m; 9,6 m der bebaubaren Breite entfielen im Wesentlichen auf die (Nachbar-)Liegenschaft (der mitbeteiligten Parteien) M-Straße 26. Das PD 7735 weise auch näher genannte - hier nicht relevante - Festsetzungen auf.

13 Die erstmitbeteiligte Partei habe mit ihren Beschwerdeausführungen keine Verletzungen subjektiver Rechte darlegen können. Dies treffe auch auf die Vorbringen der zweitbis sechstmitbeteiligten Parteien hinsichtlich der im Brandfall ausgehenden Gefahren, der unzulässigen unterirdischen Bebauung durch Fundamente und Stützmauern, der Aspekte und der Anforderungen der Stadtgestaltung, der inneren Raumgestaltung des Hofgebäudes, der dem anzuwendenden Plandokument zugrundeliegenden Erwägungen und hinsichtlich der Überschreitung der Gebäudehöhe zu. Allerdings hätten die zweit- bis sechstmitbeteiligten Parteien auch eine Beeinträchtigung der Belichtungs-, Luft- und Ausblicksituation vorgebracht, weil in ihren Aufenthaltsräumen durch die im angefochtenen Bescheid bewilligte Bauführung die erforderliche natürliche Belichtung nahezu gänzlich beseitigt werde. Es liege diesbezüglich eine besondere Situation vor, wie sie dem Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom , 2009/05/0245, vor Augen gestanden sei. 14 Mit dem maßgeblichen PD 7735 sei eine geschlossene Bauweise hin zur Liegenschaftsgrenze bzw. Hoffront des Gebäudes der mitbeteiligten Parteien festgelegt. An dieser Hoffront befänden sich angrenzend zum projektierten Hofgebäude in dem auf der Liegenschaft der Nachbarn zurückversetzten Bereich rechtmäßig bewilligte Fenster zur Belichtung von Küchen. Zum Zeitpunkt der Erteilung dieser Bewilligungen hätten Küchen als Aufenthaltsräume gegolten. Der Lichteinfall auf die genannten, rechtmäßig bewilligten Aufenthaltsraumfenster in den zurückversetzten Bereichen ("Lichthöfen") der Liegenschaft der mitbeteiligten Parteien wäre zur Gänze nicht mehr gegeben, weil im Fall der Bebauung der projektgegenständlichen Liegenschaft mit dem Hofgebäude ein bloß unter 25 Grad im Grundriss verschwenkter Lichteinfall gegeben sei, sodass die Lichtverhältnisse in den genannten Aufenthaltsräumen der mitbeteiligten Parteien beeinträchtigt wären. Dem genannten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes könne keine beschränkende Auslegung dahingehend entnommen werden, dass maßgeblich nur "Aufenthaltsfenster" in einer Feuermauer seien, weil der Anlasssachverhalt sich auf "rechtmäßige Fenster in der Feuermauer des Nachbargebäudes an der Grundgrenze" bezogen habe, gebe es doch keinen Hinweis darauf, dass nicht auch "rechtmäßig errichtete Aufenthaltsfenster in der Außenmauer der Nachbarliegenschaft hin zur gemeinsamen Grundgrenze" in dem im Erkenntnis aufgezeigten Sinn zu beurteilen wären (Hinweis auf die Wortfolge "dass für den Nachbarn der gesetzlich vorgesehene Lichteinfall jedenfalls gewahrt bleibt"). Auch der Umstand, dass bei den Fenstern der Aufenthaltsräume der mitbeteiligten Parteien auch derzeit nicht der direkte Lichteinfall von 45 Grad gegeben sei, führe zu keiner anderen Auslegung, wolle man nicht eine Ungleichbehandlung von Nachbarn herbeiführen. Es werde auch nicht die Ansicht geteilt, ein Lichteinfall auf der Nachbarliegenschaft spiele lediglich im Anwendungsbereich einer zu erteilenden Ausnahmegenehmigung nach § 69 BO für Wien für die Bebaubarkeit der Nachbarliegenschaft eine Rolle. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes im genannten Erkenntnis seien nämlich nicht im Rahmen der Erwägungen im Zusammenhang mit den Voraussetzungen für die Gewährung einer Ausnahmegenehmigung für Abweichungen von den im damaligen Bebauungsplan getroffenen Festsetzungen durch Überschreiten der festgesetzten Baufluchtlinien sowie der damit einhergehenden Abweichung vom Gebot der gärtnerischen Ausgestaltung erfolgt, sondern - davon losgelöst - im Zusammenhang mit dem im damaligen Bebauungsplan festgesetzten Gebot der geschlossenen Bauweise in Hinblick auf § 76 Abs. 8 BO für Wien und sodann im Lichte des § 134a Abs. 1 lit. a BO für Wien. Da durch das gegenständliche Bauvorhaben der gesetzlich vorgesehene Lichteinfall der mitbeteiligten Parteien nicht gewahrt sei, würde dieses deren subjektiv-öffentliches Nachbarrecht gemäß § 134a Abs. 1 lit. a BO für Wien verletzen, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

15 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision der Bauwerberin mit dem Antrag, die Revision zuzulassen und das angefochtene Erkenntnis im gesamten Umfang aufzuheben, in eventu in der Sache selbst zu entscheiden, und der Revisionswerberin jedenfalls Kostenersatz im gesetzlichen Umfang zuzusprechen.

16 Die belangte Behörde sowie die zweit- bis sechstmitbeteiligten Parteien erstatteten Revisionsbeantwortungen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

17 Die Revision wendet sich in ihrer Zulassungsbegründung gegen die Übertragung der Aussagen des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2009/05/0245, auf den vorliegenden Sachverhalt. Alle fraglichen Küchenfenster der mitbeteiligten Parteien befänden sich in Außenmauern, die im rechten Winkel zur gemeinsamen Grundgrenze stünden. Es handle sich daher um seitliche, nicht jedoch gegen die Nachbarliegenschaft der Revisionswerberin gerichtete Fenster, sodass ein anderer Sachverhalt vorliege. Die Entscheidung stehe auch in Widerspruch zu § 106 BO für Wien und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach ein Anspruch des Nachbarn auf Sicherstellung seiner Belichtung durch den Bauwerber, abgesehen von Abstands- und Höhenbestimmungen, nicht bestehe (Hinweis auf ). Darüber hinaus gebe es keine einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu, ob bei rechtmäßig bestehenden Aufenthaltsraumfenstern auf einer benachbarten Liegenschaft, die unter einem anderen rechtlichen Regime bewilligt worden seien, die Belichtung im Sinne der geltenden Bauvorschriften durch ein Bauvorhaben auf einem angrenzenden Bauplatz gewährleistet sein müsse, insbesondere dann, wenn die rechtmäßig bestehenden Fenster nicht gegen die gemeinsame Grundgrenze gerichtet seien.

18 Die Revision ist im Hinblick auf ihre Zulassungsbegründung zulässig.

19 Vorausgeschickt wird, dass der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom , V 98/2015-24, V 127/2015-7, die seitens des Verwaltungsgerichtes im gegenständlichen Verfahren gestellten Anträge, näher bezeichnete Festlegungen des hier anzuwendenden Flächenwidmungsplanes und des Bebauungsplanes der Stadt Wien, PD 7735, als gesetzwidrig festzustellen, abgewiesen hat.

20 Das Verwaltungsgericht hatte seinen Antrag wie folgt begründet (Zitat aus dem genannten VfGH-Erkenntnis):

"Gemäß § 76 Abs 8 BO für Wien müsse die Bauwerberin auf Grund der geschlossenen Bauweise grundsätzlich das Wohngebäude innerhalb bzw. an den durch die Fluchtlinien begrenzten Bereich von der einen seitlichen Bauplatzgrenze zur anderen durchgehend errichten; die projektgegenständliche Liegenschaft sei im nordöstlichen Bereich nicht durch Verkehrsflächen und Verkehrsbänder, sondern nur durch die Grundstücksgrenzen der Nachbarliegenschaft (Mstraße 26) begrenzt. Auf Grund der Grundstücksgrenzen zu dieser Nachbarliegenschaft verbleibe der Bauwerberin lediglich eine Fläche von 25,32 x 2,40 m zur Errichtung eines in geschlossener Bebauungsweise (also unmittelbar an das Gebäude auf der Nachbarliegenschaft) auszuführenden Gebäudes mit maximaler Gebäudehöhe von 11,00 m. Das Gebäude auf der Nachbarliegenschaft sei teils direkt an der hofseitigen Grundstücksgrenze zur projektgegenständlichen Liegenschaft (bereits) errichtet und weise teilsweise von der hofseitigen Grundstücksgrenze um ca. 1,5 m eingerückte Außenfassaden auf.

Durch die der Bauwerberin auf Grund des PD 7735 ermöglichte Bebauung des Bau-Gst. werde die im Vorlagebericht zu PD 7735 zum Ausdruck kommende Zielsetzung der Vorsorge für die der Erholung der Bewohner der Nachbarliegenschaft dienenden Grünflächen nicht nur nicht erreicht, sondern durch die eröffnete Gebäudehöhe schlicht konterkariert, weil den Bewohnern der Nachbarliegenschaft der Ausblick auf die mit gärtnerischer Ausgestaltung festgelegten Flächen in den Hofinnenbereich verbaut werden dürfe. Zudem erscheine mit der durch die eröffnete Bebaubarkeit des Bau-Gst. einhergehenden Beeinträchtigung der Belichtung der zum Bau-Gst. auf eine Entfernung bis zu ca. 1,5 m errichteten Fenster bzw. Wohnungen nicht im Einklang mit dem Ziel der Vorsorge mit Wohnraumflächen, die den Ansprüchen der Bevölkerung auf zeitgemäßes Wohnen entsprächen.

Der Verfassungsgerichtshof habe in VfSlg 19.647/2012 unter Hinweis auf VfSlg 12.468/1990 ausgesprochen, dass § 6 Abs 8 BO für Wien der allgemeine Grundsatz der Sicherstellung der Wohnverhältnisse bzw. der Grundsatz der möglichsten Vermeidung gegenseitiger Beeinträchtigung innewohne. Die genannte Bestimmung, eine Vorschrift, die in gemischten Baugebieten die Errichtung von Betrieben beschränke, sei vom Wortlaut und Telos mit der Bestimmung des § 6 Abs 6 leg.cit. vergleichbar, welcher in Wohngebieten die Errichtung von Wohngebäuden und Bauwerken beschränke; nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Wien wohne § 6 Abs 6 leg.cit. auch der Grundsatz der Sicherstellung der Wohnverhältnisse bzw. der Grundsatz der möglichsten Vermeidung gegenseitiger Beeinträchtigung inne. Der Verfassungsgerichtshof habe im genannten Erkenntnis u.a. ausgesprochen, dass der Verordnungsgeber in den vergleichsweise wohl seltenen Fällen, dass ein Widmungsgebiet mit geschlossener Bauweise nicht von Verkehrsflächen und Verkehrsbändern umgeben ist, verpflichtet sei, die Verbauung dem Grundsatz der Sicherstellung der Wohnverhältnisse bzw. dem Grundsatz der möglichsten Vermeidung gegenseitiger Beeinträchtigung entsprechend zu beschränken. Ein solcher seltener Fall liege nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Wien hinsichtlich des PD 7735 vor, weshalb, im Hinblick darauf, dass hinsichtlich des nordöstlichen Bereichs des Bau-Gst. die Verbauung auf Grund des FWP/BBP nicht beschränkt sei, auch nicht dem Grundsatz der Sicherstellung der Qualität der Wohnverhältnisse entsprochen sei. Dies zum einen, weil das angestrebte Ziel der Versorgung mit den der Erholung dienenden Grünflächen auf der angrenzenden Nachbarliegenschaft letztlich nicht erreicht werde.

Auch die im Vorlagebericht zur mit Beschluss des Gemeinderates der Stadt Wien vom erfolgten Abänderung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes PD 7735E dargelegten Erwägungen würden dafür sprechen, dass der Verordnungsgeber die Gesetzwidrigkeit des PD 7735 beseitigen habe wollen, indem er die ursprüngliche Festlegung der hinteren Baufluchtlinie auf 12,00 m ab der Baulinie M-straße zwecks Sicherung bestehender bzw. beabsichtigter Wohnqualitäten und zur Vermeidung einer Feuermauer abgeändert und die Grenzen der zulässigen Verbauung mit der Liegenschaftsgrenze E-gasse 6/Mstraße 26 beschränkt habe. Eine Baubewilligung für das den Anlassverfahren zugrunde liegende Projekt dürfte nach dem nunmehr geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan daher nicht mehr erteilt werden."

21 Dazu führte der Verfassungsgerichtshof aus, der Vorlagebericht des PD 7735 enthalte eine Interessenabwägung, in der der Verordnungsgeber umfangreich auf die angestrebten Ziele und Entwicklungen und ihre Umsetzung eingehe. Dem Vorlagebericht sei ausdrücklich eine Abwägung zwischen der Bedachtnahme auf den Bau- und Nutzungsbestand sowie der Vorsorge für der Erholung dienende Grünflächen durch entsprechende Widmungen und durch Entkernung und Begrünung der Innenhöfe zu entnehmen. Um dieser Zielsetzung gerecht zu werden, habe der Verordnungsgeber unter Berücksichtigung des entsprechenden Baubestandes eine prozentuelle Beschränkung der Bebaubarkeit auf 60 % festgelegt. In den Bereichen des Plandokumentes, wo keine Baufluchtlinien festgelegt worden seien, habe der Verordnungsgeber eine Beschränkung der Bebaubarkeit auf 75 % bzw. 85 % vorgesehen.

22 Lege der Verordnungsgeber aus Gründen des Ortsbildschutzes eine Widmung fest, dann sei es schon aus Gründen der Widmungskontinuität grundsätzlich nicht rechtswidrig, wenn er in nachfolgenden Änderungen des Bebauungsplans diese Art der Bebauung unverändert lasse. Es müsse sich der Verordnungsgeber bei der Festlegung und Zielfindung eines Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes auch nicht an den bestehenden Eigentumsverhältnissen orientieren. Die Raumordnung sei definitionsgemäß die planmäßige und vorausschauende Gesamtgestaltung eines bestimmten Gebietes. Eine von den Nachbarn als nachteilig empfundene konkrete Bebauung sei hingegen im Wege des Baubewilligungsverfahrens anhand der einfachgesetzlichen Bestimmungen der jeweiligen BO für Wien zu beurteilen. Im vorliegenden Fall habe der Verordnungsgeber seinen planerischen Gestaltungsspielraum nicht überschritten, wenn er nach umfangreicher Interessenabwägung und wegen der erhöhten Bestandskraft von Flächenwidmungen die bereits bestehenden Festlegungen beibehalte und somit eine Fortschreibung der bestehenden Widmung vornehme.

23 Weiters könne der aus § 6 Abs. 8 BO für Wien abgeleitete Grundsatz der möglichsten Vermeidung gegenseitiger Beeinträchtigung (in gemischten Baugebieten) nicht gleichsam schematisch auf die Situation im regelmäßig eng verbauten großstädtischen Bereich übertragen werden. Diese Bestimmung stelle auch keine Anforderung an die inhaltliche Ausgestaltung von Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen dar.

24 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird mit der Einwendung, durch die Ausführung des Bauvorhabens werde der Lichteinfall eines betroffenen Nachbargrundstücks erheblich beeinträchtigt, eine Verletzung von subjektivöffentlichen Nachbarrechten nicht dargetan. Eine solche Einwendung lässt sich nämlich dem Katalog des § 134a BO für Wien nicht zuordnen. Im Gesetz ist ein allgemeines subjektiv-öffentliches Nachbarrecht auf Wahrung des Licht- und Sonneneinfalls nicht vorgesehen; dem Nachbarn steht grundsätzlich nur ein Recht darauf zu, dass der Abstand zu seinem Grundstück eingehalten wird. Im Übrigen hat jeder Grundeigentümer auf seinem Grundstück für eine nach dem Baurecht ausreichende Belüftung und Belichtung seiner Bauten Sorge zu tragen (vgl. ; in diesem Sinne auch ; , 2007/05/0189).

25 Auch das vom Verwaltungsgericht zur Begründung seiner Entscheidung herangezogene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2009/05/0245, hielt ausdrücklich fest, dass kein Anspruch des Nachbarn gegen den Bauwerber bestehe, dass dieser die Belichtung auf der Nachbarliegenschaft sicherstelle, abgesehen von Abstands- und Höhenbestimmungen. Der Verwaltungsgerichtshof sah aber einen besonderen Fall gegeben, in dem einerseits die geschlossene Bauweise für die Bauliegenschaft festgelegt war und andererseits rechtmäßige Fenster in der Feuermauer des Nachbargebäudes an der Grundgrenze bestanden, sodass im Baubewilligungsverfahren darauf zu achten sei, dass die Bestimmungen über die geschlossene Bauweise im Hinblick auf das Nachbarrecht gemäß § 134a Abs. 1 lit. a BO so ausgelegt würden, dass für den Nachbarn der gesetzlich vorgesehene Lichteinfall jedenfalls gewahrt bleibe. Eine entsprechende Auslegung war im dort gegebenen Fall möglich und auch erfüllt.

26 Anders als bei dem der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2009/05/0245, zugrunde liegenden Sacherhalt liegen im vorliegenden Fall die Aufenthaltsraumfenster der Nachbarliegenschaft nicht unmittelbar in der an der Grenze zur Bauliegenschaft befindlichen Feuermauer, sondern im rechten Winkel dazu in den zurückversetzt im Lichthof liegenden Außenmauern. Ausgehend von diesem Unterschied, der auch nicht unwesentlich ist, weil die Lage der Fenster, je nachdem, ob sie sich direkt in der gegen die Bauliegenschaft gerichteten Außenmauer befinden oder in einer im rechten Winkel dazu verlaufenden Mauer und in größerer Entfernung vom Baugrundstück, entscheidend für die Lichtverhältnisse ist, ist die zitierte Entscheidung nicht ohne weiteres auf den vorliegenden Sachverhalt übertragbar. Während sich weiters im dortigen Fall schon angesichts der Einhaltung des gesetzlichen Lichteinfalles auf die Nachbarfenster eine Befassung des Verfassungsgerichtshofes mit dem PD erübrigte, erfolgte gegenständlich eine solche richtigerweise durch das Verwaltungsgericht. Der Verfassungsgerichtshof sah keine Gesetzwidrigkeit des PD gegeben, und zwar trotz der im Antrag des Verwaltungsgerichtes dargelegten Belichtungseinschränkung der Nachbarfenster. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtes kann daher vorliegend die Baubewilligung mangels ausreichenden Lichteinfalls auf die Nachbarfenster nicht versagt werden. Darauf, ob bzw. welche Auswirkungen die Techniknovelle 2007 auf diese Entscheidung hat (vgl. bis 0283), kommt es fallbezogen nicht (mehr) an.

27 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

28 Die Kostenentscheidung beruht auf den § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019050007.L00
Schlagworte:
Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Abstandsvorschriften BauRallg5/1/1 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Belichtung Belüftung BauRallg5/1/3 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Vorschriften, die keine subjektiv-öffentliche Rechte begründen BauRallg5/1/9

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