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VwGH vom 25.06.2013, 2013/08/0067

VwGH vom 25.06.2013, 2013/08/0067

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde der E R in D, vertreten durch Dr. Erwin Bajc, Dr. Peter Zach, Mag. Dr. Reinhard Teubl und Mag. Harald Terler, Rechtsanwälte in 8600 Bruck an der Mur, Mittergasse 28, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom , Zl. LGS600/SfA/0566/2013-Fa/Ja, betreffend Widerruf und Rückforderung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom wiederrief die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice B (in der Folge: AMS) gemäß § 38 iVm § 24 Abs. 2 AlVG die Zuerkennung der Notstandshilfe an die Beschwerdeführerin für die Zeit vom bis zum und verpflichtete sie gemäß § 38 iVm § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe.

Die Beschwerdeführerin habe die Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung zu Unrecht bezogen, weil sie die Kapitalerträge ihres Lebensgefährten nicht als dessen Einkommen bekannt gegeben habe.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Sie brachte vor, weder in dem Formular "Antrag auf Notstandshilfe" noch in dem Formular "Erklärung über das Nettoeinkommen" noch bei Ausfüllen und Abgeben dieser Erklärungen in der Servicezone des AMS sei darauf hingewiesen worden, dass Kapitalerträge ebenfalls anzugeben seien. Ihre Angaben seien gewissenhaft und korrekt erfolgt.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung nicht stattgegeben und den Rückforderungsbetrag mit EUR 5.021,01 festgesetzt.

Eine der Voraussetzungen der Notstandhilfe sei, dass sich der Arbeitslose in Notlage befinde. Der Lebensgefährte (und nunmehrige Ehemann) der Beschwerdeführerin habe seinen Einkommensteuerbescheiden zufolge im Jahr 2010 Kapitalerträge in der Höhe von EUR 10.145,87 (= EUR 845,49 monatlich) und im Jahr 2011 Kapitalerträge in Höhe von EUR 10.600, ( EUR 883,33 monatlich) bezogen. (Aus den Verwaltungsakten ergibt sich, dass im Einkommensteuerbescheid vom über das Jahr 2010 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von EUR - 2.984,33 und endbesteuerungsfähige Kapitalerträge in Höhe von EUR 10.145,87 und im Einkommensteuerbescheid vom betreffend das Jahr 2011 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von EUR - 2.464,78 und endbesteuerungsfähige Kapitalerträge von EUR 10.600,-- ausgewiesen werden.) Von diesem Nettoeinkommen sei der Freibetrag, also jener Betrag, welcher zur Bestreitung des eigenen notwendigen Lebensunterhaltes bestimmt sei, abzuziehen. Demnach ergebe sich folgende Einkommensanrechnung:

"Berechnung der Notstandshilfe ab


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Monatliches Nettoeinkommen des Gatten aus Kapitalvermögen ........
EUR 845,49
abzüglich Freibetrag für Gatten ............................................................
- EUR 495,00
ergibt monatlich anzurechnenden Betrag von .................................
EUR 350,49
gerundet .................................................................... ...........................
EUR 350,00
ergibt täglich anzurechnenden Betrag von ......................................
EUR 11,50
täglich gebührende Notstandshilfe vor Anrechnung .......................
EUR 24,82
täglich gebührende Notstandshilfe nach Anrechnung ....................
EUR 13,32

Berechnung der Notstandshilfe ab


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Monatliches Nettoeinkommen des Gatten aus Kapitalvermögen ........
EUR 845,49
abzüglich Freibetrag für Gatten ............................................................
- EUR 501,00
ergibt monatlich anzurechnenden Betrag von .................................
EUR 344,49
gerundet .................................................................... ...........................
EUR 344,00
ergibt täglich anzurechnenden Betrag von ......................................
EUR 11,30
täglich gebührende Notstandshilfe vor Anrechnung .......................
EUR 25,13
täglich gebührende Notstandshilfe nach Anrechnung ....................
EUR 13,83

Berechnung der Notstandshilfe ab


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Monatliches Nettoeinkommen des Gatten aus Kapitalvermögen ........
EUR 883,33
abzüglich Freibetrag für Gatten ............................................................
- EUR 501,00
ergibt monatlich anzurechnenden Betrag von .................................
EUR 382,33
gerundet .................................................................... ...........................
EUR 382,00
ergibt täglich anzurechnenden Betrag von ......................................
EUR 12,55
täglich gebührende Notstandshilfe vor Anrechnung .......................
EUR 25,13
täglich gebührende Notstandshilfe nach Anrechnung ....................
EUR 12,58

Berechnung der Notstandshilfe für Jänner 2012


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Monatliches Nettoeinkommen des Gatten aus Kapitalvermögen ........
EUR 883,33
abzüglich Freibetrag für Gatten ............................................................
- EUR 515,00
ergibt monatlich anzurechnenden Betrag von .................................
EUR 368,33
gerundet .................................................................... ...........................
EUR 368,00
ergibt täglich anzurechnenden Betrag von ......................................
EUR 12,06
täglich gebührende Notstandshilfe vor Anrechnung .......................
EUR 25,80
täglich gebührende Notstandshilfe nach Anrechnung ....................
EUR 13,74"

Die Beschwerdeführerin habe in den Anträgen auf Zuerkennung der Notstandhilfe vom September 2010 und Juli 2011 ihren damaligen Lebensgefährten namentlich eingetragen und in der das Nettoeinkommen betreffenden Rubrik die Zahl "0" angegeben. Bei dieser Rubrik befinde sich (im Formularvordruck) der Vermerk "Bitte tragen sie hier jegliche (auch steuerfreie) Nettoeinkommen des/der Angehörigen ein (Höhe in Euro monatlich)".

Die Beschwerdeführerin habe mit ihrer Unterschrift die Wahrheit der gemachten Angaben bestätigt und zur Kenntnis genommen, dass falsche Angaben oder das Verschweigen maßgebender Tatsachen (z.B. auch durch Nichtbeantworten von Fragen) die Einstellung und Rückforderung der bezogenen Leistung bewirkten. Außerdem könne in solchen Fällen eine Geldstrafe verhängt oder eine Strafanzeige erstattet werden. Ferner habe jede Leistungsmitteilung des AMS unter der Überschrift "wichtige Hinweise" die Belehrung enthalten, dass jede Einkommensänderung meldepflichtig sei und es bei Nichtmeldung oder verspäteter Meldung zur Rückforderung bezogener Leistungen kommen könne.

Die Beschwerdeführerin habe die Kapitalerträge ihres Ehemannes verschwiegen, obwohl sie nach jeglichem Nettoeinkommen dezidiert gefragt und über die Konsequenzen der Nichtmeldung bzw. verspäteten Meldung belehrt worden sei. Daher müsse sie gemäß § 25 Abs. 1 AlVG die zuviel ausbezahlte Notstandshilfe rückerstatten.

Der Rückforderungsbetrag errechne sich wie folgt:


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Bezugszeitraum
ausbezahlt
zustehend anhand der obigen Tagsatzberechnung
Differenz (=Rückforde- rungsbetrag)
bis
EUR 2.854,30
EUR 1.531,80 (EUR 13,32 x 115 Tage)
01.01.2011bis
EUR 779,03
EUR 428,73 (EUR 13,83 x 31 Tage)
bis
EUR 1.382,15
EUR 619,90 (EUR 12,58 x 55 Tage)
bis
EUR 2.412,48
EUR 1.207,68 (EUR 12,58 x 96 Tage)
bis
EUR 2.161,18
EUR 1.081,88 (EUR 12,58 x 86 Tage)
bis
EUR 799,80
EUR 425,94 (EUR 13,74 x 31 Tage)
GESAMT
EUR 10.388,94
EUR 5.367,93
EUR 5.021,01"

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerde bringt vor, die Angaben der Beschwerdeführerin und ihres nunmehrigen Ehemannes seien nach bestem Wissen und Gewissen richtig erfolgt. Dieser habe seinen Beruf und das daraus erzielte Nettoeinkommen dem AMS bekanntzugeben. Sein Lebensunterhalt könne nur dadurch bestritten werden, dass er Rücklagen gebildet habe. In der (von ihm gegenüber dem AMS abzugebenden) Erklärung über das Nettoeinkommen sei (formularmäßig) nirgends erwähnt, dass außer den Nettoeinkünften aus selbständiger Tätigkeit noch weitere Beträge anzugeben wären. Die Einkünfte aus Kapitalerträgen seien grundsätzlich durch die Kapitalertragsteuer mit einem Steuersatz von 25 % endbesteuert. Sie seien "beim Einkommen (§ 2 Abs. 2)" nicht zu berücksichtigen und auch nicht anzugeben. Da ein Nettoeinkommen nicht vorhanden gewesen sei, könne die Beschwerdeführerin auch nicht zu einer Rückzahlung verpflichtet werden.

Darüber hinaus sei die Berechnung des Rückforderungsbetrages unrichtig. Sofern überhaupt eine Berücksichtigung der endbesteuerungsfähigen Kapitalerträge zu erfolgen habe, sei das Einkommen nicht das "Guthaben" aus diesen Erträgen. Auch der Verlust aus dem Gewerbebetrieb habe Berücksichtigung zu finden, weil dieser ein negatives Einkommen darstelle. Unter Hinzurechnung der endbesteuerungsfähigen Kapitalerträge sei nur ein Nettogesamteinkommen im Jahr 2010 in Höhe von EUR 7.101,54 und im Jahr 2011 eines in Höhe von EUR 8.075,22 maßgebend. Die Berechnungsgrundlagen der belangten Behörde seien verfehlt.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

1. Die Einkommensanrechnung von im gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen erfolgt gemäß § 36 Abs. 3 lit. B iVm § 36a AlVG und § 6 der Notstandshilfeverordnung.

Nach ständiger hg. Rechtsprechung ist die Behörde bei ihrer Entscheidung über den Widerruf und die Rückforderung eines Notstandshilfebezuges an den Spruch des Einkommensteuerbescheides gebunden. Dies dient der Erleichterung des praktischen Vollzuges des AlVG in Bezug auf die dort geregelten Geldleistungen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/08/0033).

Gemäß § 36a Abs. 1 iVm Abs. 2 AlVG gilt als u.a. für die Anrechnung auf die Notstandshilfe maßgebendes Einkommen das Einkommen gemäß § 2 Abs. 2 EStG 1988. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin sind vorliegend sowohl die Einkünfte aus selbständiger Arbeit als auch die Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 2 Abs. 2 iVm Abs. 3 Z 2 und 5 EStG 1988) ihres Lebensgefährten (und jetzigen Ehemannes) heranzuziehen.

2. Gemäß § 6 Abs. 7 iVm § 5 Abs. 3 der Notstandshilfeverordnung ist bei der Ermittlung des Einkommens aus Einkünften im Sinn des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 und 5 bis 7 EStG 1988 vom Gesamtbetrag der Einkünfte die darauf entfallende Einkommensteuer abzuziehen. Die dem Einkommensteuerbescheid entnommenen "Einkünfte" stellten eine Nettogröße dar, d.h. die in diesem Jahr zugeflossenen (§ 19 EStG 1988) Einnahmen (das sind alle Zuflüsse von Geld oder geldwerten Vorteilen) sind bereits um die Betriebsausgaben oder Werbungskosten vermindert. Damit ist der in § 6 Abs. 7 iVm § 5 Abs. 1 Notstandshilfeverordnung angesprochene notwendige Aufwand zur Erwerbung dieses Einkommens berücksichtigt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/08/0050).

3. Der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin hat nach den insoweit unstrittigen Feststelllungen im Streitzeitraum positive Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 2 Abs. 3 Z 5 iVm § 27 EStG 1988) erzielt, die im Sinn des § 97 Abs. 4 EStG 1988 in der Fassung BGBl. I Nr. 26/2009 der Regelbesteuerung unterworfen wurden. Darüber hinaus hat er jeweils negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt.

Würde man - wie die Beschwerde verlangt - die positiven Einkünfte aus Kapitalvermögen gegen Verluste aus den anderen Einkunftsquellen aufrechnen, käme man im Ergebnis zu einer indirekten Finanzierung der selbständigen Erwerbstätigkeit des Lebensgefährten der Beschwerdeführerin durch Mittel der Arbeitslosenversicherung und geriete damit in Widerspruch zu Sinn und Zweck dieser Einrichtung. Notlage ist schon insoweit nicht anzunehmen, als das anzurechnende Einkommen aus Kapitalvermögen des Lebensgefährten zur Deckung der notwendigen Lebensbedürfnisse ausreicht. Steuerliche Verluste aus dessen anderen Einkunftsarten sind nicht zur berücksichtigen. Der belangten Behörde kann daher nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie auf der Grundlage der in den Einkommensteuerbescheiden ausgewiesenen positiven Einkünfte aus Kapitalvermögen zum Schluss gekommen ist, dass dieses Einkommen der Beurteilung der Notlage zu Grunde zu legen ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2001/08/0124, und vom , Zl. 2008/08/0196).

4. Die belangte Behörde hat die gemäß § 38 iVm § 24 Abs. 1 AlVG widerrufene Notstandshilfe in dem der Höhe nach im Übrigen nicht bestrittenen Betrag zutreffend gemäß § 38 iVm § 25 Abs. 1 AlVG zurückgefordert. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beschwerdeführerin eine Meldepflichtverletzung trifft, weil gemäß § 25 Abs. 1 zweiter Satz AlVG der Empfänger einer Leistung nach dem AlVG auch dann zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten ist, wenn sich ohne dessen Verschulden auf Grund eines nachträglich vorgelegten Einkommensteuerbescheides ergibt, dass die Leistung nicht oder nicht in diesem Umfang gebührte. Die Begrenzung der Rückforderung mit der Höhe des erzielten Einkommens gemäß § 25 Abs. 1 dritter Satz, zweiter Halbsatz AlVG geht im Fall der Anrechnung von Partnereinkommen ins Leere (vgl. das hg. Erkenntnis , Zl. 2005/08/0111, mwN).

Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
SAAAE-81489