VwGH vom 24.01.2013, 2010/21/0364
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde des K O in G, vertreten durch Dr. Josef Habersack, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Roseggerkai 5/III, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom , Zl. E1/9368/2009, betreffend Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, reiste am nach Österreich ein und stellte am nächsten Tag einen Asylantrag, der im Instanzenzug mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom rechtskräftig abgewiesen wurde. Zugleich wurde die Zulässigkeit der (u.a.) Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria festgestellt. Die Ablehnung der dagegen erhobenen Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden war, erfolgte mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom .
Während des Asylverfahrens war der Beschwerdeführer mehrfach strafgerichtlich in Erscheinung getreten. So wurde er bereits bald nach seiner Einreise insgesamt dreimal (Urteile vom , vom und vom ) jeweils wegen versuchten Ladendiebstahls rechtskräftig zu Geldstrafen verurteilt. Mit Urteil vom , rechtskräftig seit , wurde der Beschwerdeführer sodann wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 und 3 SMG und § 15 StGB (teilweise versuchter und im Zusammenwirken mit Mittätern begangener gewerbsmäßiger Suchtgifthandel in Bezug auf eine große Menge Kokain, teilweise auch in Bezug auf Heroin, im Zeitraum Mai/Juni 2001) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren verurteilt.
Hierauf erließ die Bundespolizeidirektion Graz mit Bescheid vom gegen den Beschwerdeführer gemäß § 36 Abs. 1 und 2 Z 1 Fremdengesetz 1997 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot.
Danach wurde der Beschwerdeführer noch mit rechtskräftigem Urteil vom wegen des Vergehens der versuchten Begünstigung nach den §§ 15, 299 Abs. 1 StGB zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt.
Aus der wegen der Verurteilungen vom und vom zu verbüßenden Freiheitsstrafe (von insgesamt 3 Jahren und 4 Monaten) wurde der Beschwerdeführer am bedingt entlassen und bis in Schubhaft angehalten.
Ungeachtet der im Hinblick auf die bedingte Entlassung aus der Strafhaft offenen Probezeit, die sodann auf fünf Jahre verlängert wurde, verübte der Beschwerdeführer neuerlich einen versuchten Ladendiebstahl, weswegen er am nach den §§ 15, 127 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt wurde. Auch die hierfür festgelegte Probezeit wurde auf fünf Jahre verlängert, nachdem der Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Urteil vom wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB (Tätlichkeiten, u.a. Faustschläge, im Zuge eines Streites gegen seine damalige Freundin) zu einer Geldstrafe verurteilt worden war.
Mittlerweile hatte der Beschwerdeführer am (nach der Verhängung der Schubhaft) einen zweiten Asylantrag gestellt, der im Instanzenzug mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde. Die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde lehnte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom ab.
Mit Schriftsatz vom stellte der Beschwerdeführer den Antrag, das gegen ihn bestehende Aufenthaltsverbot aufzuheben.
Dieser Antrag wurde mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark (der belangten Behörde) vom gemäß § 65 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG abgewiesen.
Ausgehend von der eingangs dargestellten Aktenlage meinte die belangte Behörde, entgegen der in der Berufung vertretenen Auffassung könne von einem (nunmehrigen) Wohlverhalten des Beschwerdeführers keine Rede sein. Der Beschwerdeführer sei nämlich seiner Ausreiseverpflichtung trotz des rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens und des rechtskräftig erlassenen Aufenthaltsverbotes nicht nachgekommen. Außerdem habe ihn auch die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren nicht von weiteren Straftaten abhalten können. Der Beschwerdeführer lebe zwar seit einiger Zeit mit einer kroatischen Staatsangehörigen zusammen und beabsichtige, mit ihr die Ehe zu schließen und "schlussendlich" eine Familie zu gründen, zumal die Freundin des Beschwerdeführers bereits schwanger sei. Das Familienleben sei aber zu einem Zeitpunkt eingegangen worden, in dem der Beschwerdeführer nicht damit habe rechnen können, sich in Österreich legal aufhalten zu dürfen. Die belangte Behörde gelangte daher zur Ansicht, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten sei, weil die öffentliche Ordnung und Sicherheit durch das vom Beschwerdeführer gezeigte Fehlverhalten (weiterhin) gefährdet sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage erwogen hat:
Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage bei seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei um die zu diesem Zeitpunkt (Juli 2010) geltende Fassung des genannten Gesetzes.
Zunächst ist auf die Übergangsbestimmung des § 125 Abs. 3 FPG zu verweisen, wonach Aufenthaltsverbote, deren Gültigkeitsdauer bei In-Kraft-Treten des FPG (am ) noch nicht abgelaufen war, als nach dem FPG erlassene Aufenthaltsverbote mit derselben Gültigkeitsdauer gelten. Das trifft auf das gegenständliche Aufenthaltsverbot zu.
Gemäß § 65 Abs. 1 FPG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Ein solcher Antrag kann nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Bei der Beurteilung nach § 65 Abs. 1 FPG ist maßgeblich, ob eine Gefährlichkeitsprognose dergestalt (weiterhin) zu treffen ist, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes erforderlich ist, um eine vom Fremden ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden, und ob die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 66 FPG zulässig ist. Darüber hinaus hat die Behörde auch bei dieser Entscheidung das ihr eingeräumte Ermessen zu üben (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2007/21/0259).
Der Beschwerdeführer tritt der Annahme der belangten Behörde, er stelle weiterhin eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar, zwar pauschal entgegen, begründet aber nicht näher, weshalb vom Wegfall seiner kriminellen Energie auszugehen sei. Vielmehr bestreitet er ausdrücklich nicht, auch nach seiner Haftentlassung wieder - so heißt es in der Beschwerde - "weitere kleine Verurteilungen" aufzuweisen. Richtig ist zwar, dass dem dem Urteil vom zugrunde liegenden Diebstahlsfaktum für sich genommen kein großes Gewicht zukommt. Maßgebend ist aber, dass den Beschwerdeführer nicht einmal die Verbüßung der mehrjährigen Strafhaft und die wegen der bedingten Entlassung offene Probezeit davon abgehalten haben, (im Verhältnis zu seinen drei ersten Verurteilungen) neuerlich einschlägig rückfällig zu werden. Überdies liegt dem Beschwerdeführer nunmehr auch ein mit Urteil vom geahndetes Fehlverhalten in Bezug auf die körperliche Integrität Anderer zur Last. Dazu kommt, dass sowohl in der Berufung als auch in der Beschwerde als Motiv für den seinerzeit in großem Stil begangenen Suchtgifthandel angeführt wird, der Beschwerdeführer habe sich damals "in finanzieller Not" befunden und sich deshalb "hinreißen lassen", Suchtgift zu verkaufen. Es ist aber nicht auszuschließen, dass der (über kein eigenes Einkommen verfügende) Beschwerdeführer wieder in eine solche Situation kommen könnte. Überdies weist der Beschwerdeführer eine weitere, erst nach der Erlassung des Aufenthaltsverbotes ergangene Verurteilung wegen versuchter Begünstigung zu einer unbedingten (Zusatz )Freiheitsstrafe von vier Monaten auf. Vor diesem Hintergrund bietet der seit der Haftentlassung im Dezember 2004 bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides im Juli 2010 vergangene Zeitraum insgesamt noch keine ausreichende Gewähr dafür, dass der Beschwerdeführer nicht wieder straffällig werden könnte.
Darüber hinaus hat die belangte Behörde zu Recht auch das fremdenrechtlich relevante Fehlverhalten ins Treffen geführt, zumal er nach der Entlassung aus der Strafhaft dem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Ausreisebefehl nicht entsprach, sondern durch einen weiteren unberechtigten, rechtskräftig wegen entschiedener Sache zurückgewiesenen Asylantrag seinen Aufenthalt in Österreich zu verlängern versuchte. Davon, dass sich der Beschwerdeführer - wie in der Beschwerde ins Treffen geführt wird -
"strikt" an die österreichische Rechtsordnung halte, kann somit keine Rede sein.
Den Schwerpunkt der Beschwerdeausführungen bildet der Hinweis auf die lange Aufenthaltsdauer seit 1999 und auf das Familienleben des Beschwerdeführers mit seiner schwangeren kroatischen Lebensgefährtin, die einer geregelten Beschäftigung nachgehe. Zu Nigeria habe er keinerlei Kontakt mehr. Es sei dem Beschwerdeführer "völlig unzumutbar", sich von seinen Familienangehörigen zu trennen.
Soweit in der Beschwerde darüber hinaus erstmals vorgebracht wird, der Beschwerdeführer sei - obwohl er in der Geburtsurkunde nicht aufscheine - auch der Vater des von seiner Lebensgefährtin am zur Welt gebrachten ersten Kindes, handelt es sich um eine unzulässige und somit unbeachtliche Neuerung. Entgegen der Beschwerdemeinung hat die belangte Behörde aber die Beziehung des Beschwerdeführers zu seiner (damals) schwangeren Lebensgefährtin ohnehin ausreichend berücksichtigt. Sie durfte die daraus ableitbaren familiären Interessen jedoch im Sinne des § 66 Abs. 2 Z 8 FPG als maßgeblich relativiert ansehen, weil der Beschwerdeführer und seine Lebensgefährtin bei Begründung des Familienlebens angesichts des rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes und der rechtskräftigen Beendigung der Asylverfahren nicht mit einem weiteren Verbleib des Beschwerdeführers in Österreich rechnen konnten. Es ist daher im Ergebnis nicht als rechtswidrig anzusehen, dass die belangte Behörde im Verhältnis zum großen öffentlichen Interesse an der Unterbindung der Eigentumskriminalität und von Suchtgifthandel nicht von einem Überwiegen der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers ausging und die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes iSd § 66 Abs. 1 FPG weiterhin für dringend geboten erachtete. Daran kann auch die behauptete Absolvierung von Deutschkursen nichts ändern. Eine allfällige Trennung des Beschwerdeführers von seinen Angehörigen und Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz in Nigeria wären im öffentlichen Interesse hinzunehmen.
In der Beschwerde wird insofern ein Begründungsmangel geltend gemacht, als die belangte Behörde (auch) auf die Gründe des erstinstanzlichen Bescheides verwiesen hat. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers war eine solche Vorgangsweise in der hier gegebenen Konstellation nicht unzulässig und stellt daher keine maßgebliche Verletzung der Begründungspflicht dar (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2008/08/0059).
Soweit der Beschwerdeführer noch rügt, dass er und seine Lebensgefährtin von der belangten Behörde nicht geladen und befragt worden seien, ist ihm zu erwidern, dass im fremdenrechtlichen Administrativverfahren vor der Sicherheitsdirektion kein Recht auf eine (mündliche) Berufungsverhandlung und auch kein Recht darauf besteht, von der Behörde mündlich gehört zu werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0204). Im Übrigen wird die Relevanz der gerügten Unterlassung in der Beschwerde nicht ausreichend dargetan. Außerdem wird vom Beschwerdeführer nicht bestritten, dass er Gelegenheit hatte, sich im Verwaltungsverfahren Parteiengehör zu verschaffen.
Als Verfahrensmangel moniert der Beschwerdeführer schließlich noch, dass "mein Asylakt nicht beigezogen" worden sei. Daraus sei nämlich ersichtlich, dass dem Beschwerdeführer eine Rückkehr in sein Heimatland Nigeria aus den im Asylverfahren geschilderten Gründen nicht möglich sei. Dem ist zu entgegnen, dass die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens war. Im Übrigen ist der Beschwerdeführer insoweit auf das negative Ergebnis seiner Asylverfahren zu verweisen (vgl. aus der letzten Zeit etwa das zu einer Ausweisung ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/21/0147, mwN).
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der in der Beschwerde beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Fundstelle(n):
OAAAE-81486