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VwGH vom 22.09.2011, 2008/18/0519

VwGH vom 22.09.2011, 2008/18/0519

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des G P in W, vertreten durch Dr. Aleksa Paunovic, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Ring 17/20, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/364.898/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes,

Spruch

1. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. den Beschluss gefasst:

Der Antrag, die Beschwerde dem Verfassungsgerichtshof zur Entscheidung abzutreten, wird zurückgewiesen.

Begründung

I.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, ein auf § 86 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gestütztes, auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

Die belangte Behörde stellte in ihrer Begründung auf die im angefochtenen Bescheid näher dargestellten Verurteilungen des Beschwerdeführers wegen Hehlerei, Urkundenunterdrückung und Verletzung der Unterhaltspflicht ab. Dazu stellte sie auch die den Verurteilungen zu Grunde liegenden strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers näher dar und verwies - bloß pauschal und ohne dazu nähere Feststellungen zu treffen - auf Bestrafungen des Beschwerdeführers wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung und des Kraftfahrgesetzes.

Nach Wiedergabe des - infolge der aufrechten Ehe des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsbürgerin gemäß § 87 FPG hier anzuwendenden - § 86 Abs. 1 FPG führte die belangte Behörde in ihrer rechtlichen Beurteilung zu einer vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung lediglich aus, es könne kein Zweifel bestehen, dass die Verurteilungen des Beschwerdeführers den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG, der als "Orientierungsmaßstab" herangezogen werden dürfe, erfüllten. Angesichts des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers lägen "(auch) die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 FPG 2005 vor".

Des Weiteren legte die belangte Behörde dar, weshalb sich die Erlassung des Aufenthaltsverbotes ihrer Ansicht nach auch gemäß § 66 FPG als zulässig darstelle.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid an ihn gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer verweist zum einen auf seinen langjährigen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet sowie auf sein bereits seit langer Zeit andauerndes Wohlverhalten. Die Beschwerde ist im Ergebnis berechtigt.

Den Feststellungen im angefochtenen Bescheid zufolge sei der Beschwerdeführer seit "mit kurzen Unterbrechungen im Bundesgebiet aufrecht gemeldet", wobei ihm zuvor (der Aktenlage zufolge im Mai 1995) ein ihn zur Niederlassung berechtigender Aufenthaltstitel ausgestellt worden sei. Mittlerweile verfüge er über einen unbefristet geltenden Aufenthaltstitel.

Infolge der mit einer österreichischen Staatsbürgerin, die ihr Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen hat, bestehenden Ehe des Beschwerdeführers ist gemäß § 87 FPG im vorliegenden Fall die Zulässigkeit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes am Maßstab des § 86 Abs. 1 FPG zu prüfen. Danach ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes (nur) zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen vom Anwendungsbereich des § 86 Abs. 1 FPG erfasste Fremde, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes ihren Hauptwohnsitz ununterbrochen seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.

Die belangte Behörde hat in Verkennung dieser Rechtslage nicht beachtet, dass sie - ausgehend davon, dass sie für die Begründung des Aufenthaltsverbotes als das zeitlich erste maßgebliche Fehlverhalten jenes (der ersten Verurteilung des Beschwerdeführers zu Grunde liegende) vom November 2005 heranzog - sich des Näheren mit der Frage hätte auseinandersetzen müssen, ob der Beschwerdeführer seit seiner Begründung eines Hauptwohnsitz im Bundesgebiet (jedenfalls) im August 1995 einen solchen bis vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes ununterbrochen beibehalten hat. Aus der im Akt erliegenden, von Amts wegen beigeschafften meldebehördlichen "Meldebestätigung" ergibt sich, dass der Beschwerdeführer jedenfalls seit August 1995 als nahezu durchgehend in Österreich gemeldet aufscheint. Mit dem Grund, weshalb in der Meldehistorie - bloß geringfügige und zeitlich untergeordnete - Lücken existieren und ob damit tatsächlich eine Aufgabe des Hauptwohnsitzes einherging, hat sich die belangte Behörde nicht befasst. Dies wäre aber schon deshalb geboten gewesen, weil sie im Einklang mit dem im Verwaltungsverfahren erstatteten Vorbringen des Beschwerdeführers selbst davon ausging, dieser habe seit der ihm erteilten Berechtigung zur Niederlassung im Bundesgebiet gelebt. Träfe es zu, dass der Beschwerdeführer zumindest seit August 1995 (dem Beschwerdevorbringen zufolge sei er aber schon seit 1990 durchgehend in Österreich aufhältig) seinen Hauptwohnsitz ununterbrochen im Bundesgebiet gehabt hätte, so hätte die belangte Behörde die Zulässigkeit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes am Maßstab des § 86 Abs. 1 fünfter Satz FPG zu prüfen gehabt, was sie aber nicht getan hat.

Somit war der angefochtene Bescheid wegen - prävalierender - Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Dem - unabhängig vom Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gestellten - Antrag, den "Akt dem Verfassungsgerichtshof abzutreten", war schon deshalb nicht zu folgen, weil es dafür keine gesetzliche Grundlage gibt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/18/0009).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
KAAAE-81483