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VwGH vom 05.07.2012, 2010/21/0360

VwGH vom 05.07.2012, 2010/21/0360

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde der N in O, vertreten durch Dr. Martin Dellasega und Dr. Max Kapferer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 154.561/2-III/4/09, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde gemäß §§ 24 Abs. 4, 62 und 63 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) einen auf Erteilung einer "Aufenthaltsbewilligung - Schüler" gerichteten "Verlängerungsantrag/Zweckänderungsantrag" der Beschwerdeführerin, einer georgischen Staatsangehörigen, ab.

Begründend führte sie aus, dass der Beschwerdeführerin auf Grund der Anzeigebestätigung des AMS Innsbruck als Au-Pair-Kraft eine "Aufenthaltsbewilligung - Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit" mit Gültigkeit von bis erteilt worden sei. Am habe sie einen mit einem Zweckänderungsantrag verbundenen Verlängerungsantrag auf Erteilung einer "Aufenthaltsbewilligung - Schüler" eingebracht und eine Bestätigung der Höheren Technischen Bundeslehr- und Versuchsanstalt Innsbruck vom vorgelegt, aus der hervorgehe, dass sie als ordentliche Schülerin in die Klasse aufgenommen worden sei und die Einschreibung am zu erfolgen habe.

Auf Grund dieses Sachverhaltes stehe für die belangte Behörde fest, dass die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen für die Verlängerung der "Aufenthaltsbewilligung - Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit" als Au-Pair-Kraft nicht mehr erfülle, weil gemäß § 1 Z 10 AuslBVO eine Anzeigebestätigung als Au-Pair-Kraft nur für maximal zwölf Monate ausgestellt werden könne und demnach kein entsprechendes Dokument nachgewiesen worden sei. Die besonderen Erteilungsvoraussetzungen für eine "Aufenthaltsbewilligung - Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit" würden somit nicht mehr erfüllt.

Da sich der Zweckänderungsantrag auf den Aufenthaltszweck "Schüler" beziehe und die Beschwerdeführerin diesen Aufenthaltszweck zum Zeitpunkt der Antragstellung am noch nicht erfüllt habe (Einschreibung in der Schule erst mit ), liege kein Zweckänderungsantrag im Sinn des § 24 Abs. 4 NAG vor, weil sich der Aufenthaltszweck nicht während der Geltung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels geändert habe. Die besonderen Erteilungsvoraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsbewilligung - Schüler" würden somit "im Rahmen des Zweckänderungsverfahrens" nicht erfüllt.

Zum Berufungsvorbringen, dass die Behörde darüber gesondert zu entscheiden hätte, ob die Voraussetzungen für den anderen Aufenthaltszweck erfüllt würden, und bei Nichterfüllung gemäß § 25 NAG vorzugehen habe, werde festgehalten, dass der Antrag zur Gänze abzuweisen sei, wenn im Fall eines Verlängerungsantrages nach § 24 Abs. 4 NAG die besonderen Voraussetzungen des früheren Aufenthaltstitels nicht mehr erfüllt würden und der begehrte neue Aufenthaltstitel mangels Erfüllung der Voraussetzungen nicht erteilt werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:

§ 24 Abs. 1 und 4 NAG (Abs. 1 in der am in Kraft getretenen Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009, Abs. 4 in der am in Kraft getretenen Fassung des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2009 - FrÄG 2009, BGBl. I Nr. 122) lauten unter der Überschrift "Verlängerungsverfahren":

"§ 24. (1) Verlängerungsanträge (§ 2 Abs. 1 Z 11) sind vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels, frühestens jedoch drei Monate vor diesem Zeitpunkt, bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen; § 23 gilt. Danach gelten Anträge als Erstanträge. Nach Stellung eines Verlängerungsantrages ist der Antragsteller, unbeschadet fremdenpolizeilicher Bestimmungen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag weiterhin rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Über die rechtzeitige Antragstellung kann dem Fremden auf begründeten Antrag eine einmalige Bestätigung im Reisedokument angebracht werden, die keine längere Gültigkeitsdauer als drei Monate aufweisen darf. Diese Bestätigung berechtigt zur sichtvermerksfreien Einreise in das Bundesgebiet. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, Form und Inhalt der Bestätigung durch Verordnung zu regeln.

(2) …

(3) …

(4) Mit einem Verlängerungsantrag (Abs. 1) kann bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides ein Antrag auf Änderung des Aufenthaltszwecks des bisher innegehabten Aufenthaltstitels oder auf Änderung des Aufenthaltstitels verbunden werden. Sind die Voraussetzungen für den beantragten anderen Aufenthaltszweck oder Aufenthaltstitel nicht erfüllt, ist darüber gesondert mit Bescheid abzusprechen und der bisherige Aufenthaltstitel mit dem gleichen Aufenthaltszweck zu verlängern, soweit die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen."

Für Aufenthaltsbewilligungen galt bis zum Ablauf des § 8 Abs. 5 NAG in der Stammfassung (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/21/0186), wonach Inhaber einer Aufenthaltsbewilligung, ausgenommen Fälle von Sozialdienstleistenden, während der Geltungsdauer dieser Bewilligung im Inland um eine Aufenthaltsbewilligung mit anderem Zweckumfang oder um eine Niederlassungsbewilligung ansuchen durften; ein solcher Antrag schuf bis zur Zustellung der Entscheidung der Behörde erster Instanz ein über die Geltungsdauer der ursprünglichen Aufenthaltsbewilligung hinausgehendes Bleiberecht. Diese Regelung wurde durch das FrÄG 2009 beseitigt, um auch Inhaber von Aufenthaltsbewilligungen vom "Verlängerungsregime" des § 24 Abs. 4 NAG profitieren zu lassen (vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 330 BlgNR 24. GP, 42).

Die Beschwerdeführerin hat vor Ablauf der Gültigkeitsdauer der ihr zuletzt erteilten Aufenthaltsbewilligung formularmäßig einen "Verlängerungsantrag/Zweckänderungsantrag" auf Erteilung einer "Aufenthaltsbewilligung - Schüler" gestellt. Dieser war zum Zeitpunkt der Antragstellung und zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides vom als Änderungsantrag nach § 8 Abs. 5 NAG (in der Stammfassung) anzusehen. Mit trat jedoch das FrÄG 2009 in Kraft, sodass der Antrag der Beschwerdeführerin - mangels abweichender Übergangsbestimmungen - von der belangten Behörde nach der zum Bescheiderlassungszeitpunkt geltenden Rechtslage als mit einem Zweckänderungsantrag verbundener Verlängerungsantrag nach § 24 Abs. 4 NAG in der Fassung der genannten Novelle zu beurteilen war.

Die belangte Behörde hat ihre abweisende Entscheidung damit begründet, dass die Beschwerdeführerin einerseits - was unstrittig ist - nicht mehr die besonderen Erteilungsvoraussetzungen für die "Aufenthaltsbewilligung - Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit" erfülle und dass anderseits "im Rahmen des Zweckänderungsverfahrens" auch die besonderen Erteilungsvoraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsbewilligung - Schüler" nicht erfüllt seien, weil die Einschreibung in der Schule erst nach der Antragstellung erfolgt sei und sich der Aufenthaltszweck nicht während der Geltung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels geändert habe.

Offenbar ist die belangte Behörde also der Meinung, dass die Voraussetzungen für den neuen Aufenthaltszweck oder Aufenthaltstitel nach § 24 Abs. 4 NAG bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung oder jedenfalls vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels erfüllt sein müssen. Dies trifft aber nicht zu. Vielmehr gilt mangels einer abweichenden Regelung auch im Verlängerungs- und Zweckänderungsverfahren der allgemeine Grundsatz, dass die Erteilungsvoraussetzungen im Zeitpunkt der Erlassung des (Berufungs )Bescheides erfüllt sein müssen. Die belangte Behörde hätte daher feststellen müssen, ob die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung ordentliche Schülerin einer öffentlichen Schule war und damit die fallbezogen in Betracht kommende Voraussetzung des § 63 Abs. 1 Z 1 NAG erfüllt hat. Die Begründung, dass die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Antragstellung am noch keine ordentliche Schülerin gewesen sei, greift demnach jedenfalls zu kurz.

Aber auch für die Ansicht der belangten Behörde, dass für die Anerkennung als ordentliche Schülerin zusätzlich zur Aufnahme als solche auch die "Einschreibung" erforderlich sei, findet sich weder im Schulunterrichtsgesetz noch im NAG oder der dazu ergangenen Durchführungsverordnung eine Grundlage. § 8 Z 6 lit. b NAG-DV sieht (nur) vor, dass dem Antrag auf Erteilung einer "Aufenthaltsbewilligung - Schüler" die schriftliche Bestätigung der Schule über die Aufnahme des Schülers anzuschließen ist. Es ist daher davon auszugehen, dass eine solche Bestätigung grundsätzlich für den Nachweis der Eigenschaft als ordentliche Schülerin ausreichend ist, auch wenn zusätzlich noch eine "Einschreibung" an der Schule zu erfolgen hat und/oder das Schuljahr noch nicht begonnen hat.

Da die belangte Behörde somit die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
FAAAE-81476