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VwGH vom 08.07.2013, 2013/08/0059

VwGH vom 08.07.2013, 2013/08/0059

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde des Ing. RK in W, vertreten durch Mag. Petra Trauntschnig, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Schubertring 6, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. 2012-0566-9-003535, betreffend Zuerkennung der Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, der seit vielen Jahren Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezieht, stellte am einen Antrag auf Zuerkennung von Notstandshilfe, in dem er angab, mit seiner Ehegattin und zwei Kindern im gemeinsamen Haushalt zu leben. Er machte Aufwendungen für eine Bestattung in Höhe von EUR 3.192,40 sowie weitere Aufwendungen "lt. Vorakt/Belege im Akt Wohnungskredit" geltend.

Die regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien (im Folgenden: AMS) gab diesem Antrag mangels Notlage keine Folge. Das anrechenbare Einkommen der Ehegattin des Beschwerdeführers übersteige trotz Berücksichtigung der gesetzlichen Freigrenzen seinen Anspruch auf Notstandshilfe.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er vorbrachte, aus dem erstinstanzlichen Bescheid gehe nicht hervor, welche Freibeträge zur Berechnung herangezogen worden seien.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung keine Folge gegeben. Der Beschwerdeführer wohne mit seiner Ehegattin und zwei Töchtern im gemeinsamen Haushalt. Die Ehegattin erziele aus ihrem Dienstverhältnis ein gleichbleibendes Einkommen in Höhe von EUR 2.816,34 netto. Der Beschwerdeführer habe monatliche Rückzahlungsverpflichtungen im Zusammenhang mit einer Hausstandsgründung aus einem Darlehen in Höhe von EUR 363,36 und weiteren EUR 61,77, insgesamt sohin EUR 425,13 nachgewiesen. Des Weiteren sei er am für Begräbniskosten für K. in Höhe von EUR 3.106,40 aufgekommen. Weitere Freigrenzenerhöhungsgründe habe der Beschwerdeführer weder geltend gemacht noch - im Hinblick auf einen weiteren Kredit - nachgewiesen.

Bei der Notstandshilfe habe das Einkommen des Partners/der Partnerin Einfluss auf die Höhe des Notstandshilfeanspruches des Arbeitslosen. Dessen Einkommen sei nach bestimmten, gesetzlich vorgeschriebenen Grundsätzen auf den theoretischen Notstandshilfeanspruch anzurechnen, sodass lediglich der verbleibende Differenzbetrag zur Auszahlung kommen könne. Vom Nettoeinkommen der Partnerin würden pauschalierte Werbungskosten sowie Freigrenzen abgezogen. Dem Partner müsse ein fixer Betrag zur freien Verfügung verbleiben (im Jahr 2012 EUR 515,-- monatlich). Weitere Freigrenzen in Höhe von jeweils EUR 257,50 (Wert 2012) würden für jedes Kind gewährt, für das Unterhaltspflicht bestehe. Diese Freigrenzen könnten auf Grund außergewöhnlicher finanzieller Belastungen infolge von Krankheit, Behinderung, Schwangerschaft, eines Todesfalles sowie Rückzahlungsverpflichtungen infolge einer Hausstandsgründung um bis zu maximal 50 % erhöht werden, wobei Kreditraten zu höchstens 50 % der Ratenhöhe anerkannt würden. Die Anrechnung habe immer auf den Leistungsanspruch des Folgemonats zu erfolgen. Die Rückzahlungsverpflichtungen im Hinblick auf eine Hausstandsgründung in Höhe von EUR 425,13 würden sich freigrenzenerhöhend zur Hälfte, d.h. in Höhe von EUR 212,56 auswirken. Ferner wirke sich die Begleichung der Begräbniskosten freigrenzenerhöhend aus, und zwar in Höhe eines Zwölftel des am geltend gemachten Betrages in Höhe von EUR 3.108,40, sohin in Höhe von EUR 259,04 monatlich. Unter Berücksichtigung sämtlicher Freigrenzen ergebe sich ein Anrechnungsbetrag von EUR 42,75 täglich. Die theoretisch mögliche maximale 50 %ige Freigrenzenerhöhung würde EUR 515,-- betragen (50 % der oben genannten Freigrenzen für die Ehegattin und die beiden Töchter). Unter Berücksichtigung dieses Wertes ergebe sich ein (geringerer) Anrechnungsbetrag in Höhe von EUR 41,31. Der tägliche Notstandshilfeanspruch des Beschwerdeführers würde ohne Anrechnung EUR 41,07 betragen. Das anrechenbare Einkommen seiner Ehegattin übersteige daher - selbst unter Berücksichtigung der maximal möglichen Freigrenzenerhöhung - die ihm an sich gebührende Notstandshilfe. Ferner übersteige das Haushaltseinkommen in Höhe von EUR 2.816,34 monatlich den für den Beschwerdeführer geltenden "Mindeststandard" in Höhe von EUR 1.437,-- monatlich (EUR 1.159,-- für ihn und seine Ehegattin zuzüglich EUR 139,-- pro Kind). Eine Zuerkennung von Notstandshilfe sei nicht möglich. Es würde (wegen der Ausschöpfung der maximal 50 %ige Freigrenzenerhöhung von EUR 515,--) selbst dann zu keiner Zuerkennung kommen, wenn der Beschwerdeführer noch weitere Freigrenzenerhöhungsgründe geltend machen bzw. den bislang nicht nachgewiesenen Kredit entsprechend belegen würde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

1. Die Beschwerde bringt vor, aus den Verwaltungsakten ergebe sich, dass der Beschwerdeführer

"nicht nur einen Kreditvertrag bei der W. hat, sondern auch bei der B. Dieser Kreditvertrag wurde vom Beschwerdeführer bereits im Jahr 2007 vorgelegt und ist somit Bestandteil des Aktes. Die Rückzahlungsverpflichtung gegenüber der B. in Höhe von monatlich EUR 1.400,-- ist Freigrenzen erhöhend. Der Beschwerdeführer hat sohin monatlich EUR 1.825,13 an Krediten zurückzuzahlen. Weshalb die Behörde nur den Kredit bei der W. im Hinblick auf die Freigrenzenerhöhung berücksichtigt und nicht auch den Kredit bei der B. ergibt sich nicht aus dem angefochtenen Bescheid. Der Beschwerdeführer wurde von der Behörde auch nicht aufgefordert, Zahlungsbelege betreffend die Kreditrückzahlungen an die B. nachzuweisen."

Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer am das 50. Lebensjahr erreicht. Die belangte Behörde habe sich nicht damit auseinandergesetzt, dass der Freibetrag gemäß § 6 Abs. 3 NH-VO um 100 % zu erhöhen ist, wenn der Arbeitslose nach dem 50. Lebensjahr einen Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer von 52 Wochen oder länger erschöpft habe.

2. Gemäß § 33 Abs. 2 AlVG ist Notstandshilfe nur zu gewähren, wenn (unter anderem) Notlage vorliegt. Notlage liegt gemäß § 33 Abs. 3 AlVG vor, wenn dem Arbeitslosen die Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse unmöglich ist. Gemäß § 36 Abs. 1 AlVG hat der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Richtlinien über das Vorliegen einer Notlage im Sinne des § 33 Abs. 3 AlVG zu erlassen.

Bei der Beurteilung der Notlage sind gemäß § 36 Abs. 2 AlVG die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des (der) Arbeitslosen selbst sowie des (der) mit dem (der) Arbeitslosen im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten, Ehegattin, eingetragenen Partners, eingetragenen Partnerin, Lebensgefährten oder Lebensgefährtin zu berücksichtigen. Für die Berücksichtigung des Einkommens des Ehepartners sieht § 36 Abs. 3 lit. B sublit. a vor, dass vom Einkommen des Ehepartners bei der Anrechnung ein zur Bestreitung des Lebensunterhaltes notwendiger Betrag (Freibetrag) freizulassen ist, der nach der Größe der Familie verschieden bemessen werden kann.

Gemäß § 36 Abs. 5 AlVG kann eine Erhöhung der im Abs. 3 lit. B sublit. a angeführten Freibeträge in berücksichtigungswürdigen Fällen, wie z.B. Krankheit, Schwangerschaft, Niederkunft, Todesfall, Hausstandsgründung und dgl. im Rahmen der vom Arbeitsmarktservice festgelegten Richtlinien erfolgen. Die auf Grund des § 36 Abs. 5 AlVG vom Arbeitsmarktservice im Sinne des § 4 Abs. 3 AMSG erlassenen, gemäß § 4 Abs. 4 AMSG am im Internet kundgemachten Richtlinien zur Freigrenzenerhöhung bringen in ihrem Abschnitt I. ("Allgemeines") zunächst zum Ausdruck, dass die Berücksichtigungswürdigkeit freigrenzenerhöhender Umstände keine Ermessensentscheidung gestattet. Liegt Berücksichtigungswürdigkeit vor, so ist die Freigrenze zu erhöhen, wobei es - erst hier - im Ermessen des Arbeitsmarktservice liegt, in welchem Ausmaß die Freigrenze erhöht wird. Das Ausmaß der Erhöhung der Freigrenze darf die Freigrenze gemäß § 6 Abs. 2 bis 4 NH-VO um maximal 50 % übersteigen. Bei Vorliegen mehrerer Freigrenzen erhöhender Tatbestände darf die Summe der berücksichtigten Kosten die vorstehende 50 %-Grenze nicht überschreiten. Die Freigrenzenerhöhung für ältere Arbeitslose gemäß § 36 Abs. 3 lit. B sublit. b AlVG bleibt unberührt.

In Abschnitt II. ("Berücksichtigungswürdige Umstände im Sinne des § 36 Abs. 5 AlVG") ist als Umstand, der zur Freigrenzenerhöhung führen kann, unter anderem angeführt:

"7. Darlehen für Hausstandsgründung bzw. Wohnraumbeschaffung; während des Leistungsbezuges bzw. nach Eintritt der letzten Arbeitslosigkeit aufgenommene Darlehen für Hausstandsgründung bzw. Wohnraumbeschaffung können ausnahmsweise und nur dann berücksichtigt werden, wenn die damit getätigten Anschaffungen (im unbedingt notwendigen Umfang) zur Sicherung einer angemessenen Haushaltsführung im bisherigen Umfang erforderlich sind (z.B. Wohnraumsanierung usw.)."

In Abschnitt III ("Entscheidung über die Freigrenzenerhöhung") wird zu den Darlehen ausgeführt:

"4. Darlehen:

Darlehen, die zum Zweck einer Hausstandsgründung bzw. Wohnraumbeschaffung aufgenommen wurden, können zu einer Erhöhung der Freigrenze führen, wenn auch tatsächlich Rückzahlungen geleistet werden. Grundsätzlich können nur Rückzahlungsverpflichtungen berücksichtigt werden, die vor Eintritt der Arbeitslosigkeit entstanden sind bzw. bei denen Punkt II 7 dieser Richtlinie zutrifft. In den übrigen Fällen finden während eines Leistungsbezuges aufgenommene Darlehen keine Berücksichtigung, erst nach Erfüllung einer neuen Anwartschaft können diese Rückzahlungsverpflichtungen bei nachfolgenden Bezügen berücksichtigt werden. Die tatsächlichen Zahlungen können zur Hälfte durch eine Freigrenzenerhöhung abgedeckt werden. Aufwendungen, die für Zweitwohnsitze getätigt werden, finden keine Berücksichtigung. Aufwendungen für Privatdarlehen (von Angehörigen) sind wie Bankdarlehen zu behandeln, wenn ein vergebührter Darlehensvertrag vorliegt und auch tatsächlich Rückzahlungen geleistet werden. Darlehen, deren Verwendungszweck nicht nachgewiesen wurde, sowie Darlehen, die zur Bestreitung des laufenden Lebensunterhaltes aufgenommen wurden, sind nicht geeignet, eine Freigrenzenerhöhung zu begründen."

Diese Richtlinien zur Freigrenzenerhöhung stellen eine Rechtsverordnung dar (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2004/08/0254, und Zl. 2004/08/0166).

3. § 6 der Notstandshilfeverordnung in der hier zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung BGBl. II Nr. 490/2001 enthält Bestimmungen darüber, wie bei der Heranziehung des Einkommens des Ehepartners des Arbeitslosen für die Beurteilung der Notlage vorzugehen ist. Gemäß § 6 Abs. 7 NH-VO ist bei der Anrechnung dieses Einkommens § 5 erster Satz der Notstandshilfeverordnung sinngemäß anzuwenden. Die zuletzt genannte Bestimmung sieht vor, dass das Einkommen des Arbeitslosen, das er innerhalb eines Monats erzielt, nach Abzug der Steuern und sozialen Abgaben sowie des zur Erwerbung dieses Einkommens notwendigen Aufwandes auf die Notstandshilfe, die im Folgemonat gebührt, anzurechnen ist. Für die Bemessung der im September 2012 gebührenden Notstandshilfe sind daher die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin im August 2012 maßgebend. Dies gilt auch für die Belastung durch die tatsächliche Bezahlung von Kreditraten.

4. Nach der Freigrenzenerhöhungsrichtlinie (II.7. und III.4.) bilden Darlehen nur dann einen berücksichtigungswürdigen Umstand iSd § 36 Abs. 5 AlVG, wenn sie für Hausstandsgründung bzw. Wohnraumbeschaffung aufgenommen und tatsächlich Rückzahlungen geleistet wurden. Tatsächliche Zahlungen können zur Hälfte durch eine Freigrenzenerhöhung berücksichtigt werden. Es stand ersichtlich nicht im Bestreben des Verordnungsgebers, Darlehen, die vom Notstandshilfebezieher im betreffenden Zeitraum gar nicht bedient werden, als berücksichtigungswürdigen Fall iSd § 36 Abs. 5 AlVG anzusehen. Die Arbeitslosenversicherung soll dem Versicherten nach dem Ende seines Anspruches auf Arbeitslosengeld (nur mehr) einen "Beitrag" zur persönlichen Existenzsicherung in Relation zum letzten Arbeitseinkommen (vgl. nochmals das Erkenntnis Zl. 2002/08/0038) in Form der Notstandshilfe gewähren und verfolgt nicht den Zweck, Notstandshilfebeziehern die Bedienung ihrer Kreditraten zu ermöglichen.

5. Anders als in dem ebenfalls den Beschwerdeführer betreffenden Fall, der dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/08/0080, zu Grunde lag, hat er im vorliegenden Fall weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde behauptet, für den genannten zweiten Kredit bei der B. tatsächlich Rückzahlungen geleistet zu haben. Auf das allfällige Bestehen einer bloßen Rückzahlungsverpflichtung, von der die vorliegende Beschwerde spricht, kommt es nach dem Gesagten nicht an. Da über die von der belangten Behörde zutreffend berücksichtigten Freigrenzenerhöhungsgründe hinaus keine weiteren ins Treffen geführt wurden, kommt es auch nicht darauf an, ob - wie die Beschwerde vorbringt - die Voraussetzungen für eine Erhöhung des Freigrenzenrahmens iSd § 6 Abs. 3 NH-VO vorliegen.

6. Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

7. Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am