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VwGH vom 22.09.2011, 2008/18/0506

VwGH vom 22.09.2011, 2008/18/0506

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des MP in H, vertreten durch Dr. Josef Unterweger und Mag. Doris Einwallner, Rechtsanwälte in 1080 Wien, Buchfeldgasse 19a, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/18.369/2008, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, ein auf § 86 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gestütztes unbefristetes Aufenthaltsverbot.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der im Jahr 1978 geborene Beschwerdeführer halte sich seit mit Unterbrechungen im Bundesgebiet auf. Am sei ihm vom Landeshauptmann von Wien ein unbefristeter Aufenthaltstitel erteilt worden.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom sei der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143 erster Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden. Dem Urteil sei zugrunde gelegen, dass der Beschwerdeführer am in W mit Gewalt gegen eine Person oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Waffe Verfügungsberechtigten des Unternehmens B eine fremde bewegliche Sache, nämlich Bargeld in der Höhe von EUR 600,-- abgenötigt habe, indem er ein Messer mit 15 cm Klingenlänge und der impliziten Aufforderung gegen die Angestellte W gerichtet habe, ihm Bargeld aus der Kassenlade zu übergeben, wobei er mit dem Vorsatz gehandelt habe, sich durch die Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Infolge seiner Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin, die ihr Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen habe, sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes am Maßstab des § 86 Abs. 1 FPG zu messen. Nach Wiedergabe diverser Bestimmungen des FPG führte die belangte Behörde aus, es könne ausgehend von der wiedergegebenen Rechtslage kein Zweifel bestehen, dass im vorliegenden Fall die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes vorlägen. Der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG sei auf Grund der erwähnten Verurteilung erfüllt. Das der Verurteilung zugrunde liegende Verhalten lasse aber auch die Annahme als gerechtfertigt erscheinen, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit gefährde und anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe. Eine positive Verhaltensprognose sei unter keinen Umständen möglich. Im Hinblick auf die beachtliche kriminelle Energie, die Schwere der Straftat und dem damit verbundenen erheblichen Unrechtsgehalt sowie unter Berücksichtigung, dass der seit der Verurteilung verstrichene Zeitraum viel zu kurz sei, um auf eine Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr schließen zu können, wobei er sich derzeit noch in Strafhaft aufhalte, sei das Aufenthaltsverbot zu erlassen gewesen. Das der Verurteilung zugrunde liegende Fehlverhalten zeige die vom Beschwerdeführer ausgehende massive Gefahr in Bezug auf geschützte Rechtsgüter und offenbare die mangelnde Verbundenheit mit den in Österreich rechtlich geschützten Werten.

Zur Interessenabwägung nach § 66 FPG führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet und habe mit ihr auch ein gemeinsames minderjähriges Kind. Es sei weiters "eine berufliche Integration" sowie der seit 16 Jahren in Österreich währende Aufenthalt zu berücksichtigen. Daher sei davon auszugehen, dass mit dem Aufenthaltsverbot ein erheblicher Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden sei. Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit sei aber die Maßnahme dennoch zulässig. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlung zum Schutz des Lebens, der Gesundheit und körperlichen Unversehrtheit sowie des Eigentums Dritter, als dringend geboten anzusehen. Der Beschwerdeführer sei, was sich aus seinem strafbaren Verhalten ergebe, augenfällig nicht in der Lage oder nicht gewillt, die österreichischen Rechtsvorschriften einzuhalten. Es sei bei der Interessenabwägung zu bedenken, dass die einer jeglichen Integration zugrunde liegende soziale Komponente bzw. die aus einem langjährigen Aufenthalt ableitbare Integration durch das schwerwiegende strafbare Verhalten des Beschwerdeführers erheblich an Gewicht gemindert worden sei. Zudem sei der Beschwerdeführer zuletzt nicht mehr im gemeinsamen Haushalt mit seiner Ehefrau und dem Kind gemeldet gewesen. Insofern sei auch sein Vorbringen zur aufrechten Ehe bzw. Lebensgemeinschaft zu relativieren. Die Integration am heimischen Arbeitsmarkt habe sich in den letzten Jahren als nicht nachhaltig erwiesen. Zuletzt sei der Beschwerdeführer im Zeitraum vom bis zum (dem Tag seiner Verhaftung) nur etwa knapp 26 Monate unselbständig erwerbstätig gewesen. Die übrige Zeit habe er Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe bezogen. Das Interesse des Beschwerdeführers an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet sei wohl als gewichtig einzustufen. Dem stehe allerdings das hoch zu bewertende öffentliche Interesse an der Verhinderung weiterer Straftaten zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit und des Eigentums Dritter gegenüber. Bei Abwägung der gegenläufigen Interessen sei zum Ergebnis zu kommen, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wögen als das in seinem Fehlverhalten gegründete hohe öffentliche Interesse an seinem Verlassen des Bundesgebietes und an seinem Fernbleiben von diesem. Die Einschränkung, dass der Beschwerdeführer künftig den Kontakt zu seinen Familienangehörigen nur vom Ausland aus wahrnehmen könne, habe er im öffentlichen Interesse zu tragen.

Angesichts der Verurteilung wegen eines Verbrechens wäre die Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen einer Ermessensübung offensichtlich nicht im Sinne des Gesetzes gelegen.

Das Aufenthaltsverbot sei unbefristet auszusprechen gewesen, weil der Wegfall des Grundes für seine Erlassung nicht vorhergesehen werden könne. Dies deshalb, weil der Beschwerdeführer, auch wenn er zuvor strafrechtlich in Österreich nicht in Erscheinung getreten sei, seine Bereitschaft zur Gewaltanwendung durch sein strafbares Verhalten deutlich gezeigt habe. Selbst unter Bedachtnahme auf seine private Situation sei der Wegfall der von ihm ausgehenden Gefährdung nicht absehbar.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet sich zunächst gegen die von der belangten Behörde nach § 86 Abs. 1 FPG getroffene Gefährdungsprognose und macht geltend, bereits aus dem Gesetz gehe klar hervor, dass auf das persönliche Verhalten des Fremden abzustellen sei. Die belangte Behörde habe zwar den Urteilsspruch zitiert, darüber hinaus aber keine ausreichenden Feststellungen zu den Beweggründen der Tat, nämlich der Verzweiflung des Beschwerdeführers wegen (Spiel)Schulden, und den näheren Tatumständen - der Beschwerdeführer sei keinesfalls kaltblütig und gezielt vorgegangen und die Beute habe sichergestellt werden können - getroffen.

Dem Beschwerdeführer ist zuzugestehen, dass die belangte Behörde im Hinblick darauf, dass sie auf Grund ihrer Feststellungen, der Beschwerdeführer halte sich seit im Bundesgebiet auf, (auch) den fünften Satz des Abs. 1 des § 86 FPG zur Anwendung zu bringen hatte, bei der Beurteilung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung durchaus eine eingehendere Begründung hätte erstatten können. Ungeachtet dessen geht aus den im angefochtenen Bescheid enthaltenen Erwägungen noch hinreichend deutlich hervor, dass die belangte Behörde das Vorliegen jeglichen in § 86 Abs. 1 FPG enthaltenen Maßstabes bejaht hat. Dies stützte sie auf das oben wiedergegebene - in ausreichendem Umfang erhobene und festgestellte - Fehlverhalten sowie die aus diesem Verhalten erkennbar ableitbare beachtliche kriminelle Energie des Beschwerdeführers und den bei Weitem bislang zu kurzen verstrichenen Zeitraum seit der Verurteilung.

Die derart erfolgte Bejahung einer vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung im Sinne des § 86 Abs. 1 fünfter Satz FPG, sohin dass die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet wäre, kann letztlich angesichts des von der belangten Behörde festgestellten Verhaltens nicht als rechtswidrig angesehen werden. Gerade der Umstand, dass der Beschwerdeführer (immer noch) hohe Schulden aufweist, die sich seinen eigenen Angaben zufolge aus Spielschulden zusammensetzen, kann der Prognose der belangten Behörde, es bestehe weiterhin Gefahr, der Beschwerdeführer könnte diese durch Begehung weiterer gravierender strafbarer Handlungen zu tilgen versuchen, nicht erfolgreich entgegengetreten werden. Dass letztlich die strafbare Handlung des Beschwerdeführers nicht zu seinem beabsichtigten Ziel geführt hat, weil die aus dem Raub herrührende Beute sichergestellt werden konnte, kann nicht zu seinen Gunsten berücksichtigt werden. Angesichts der Feststellungen zum Ablauf der Tatausführung ist aber auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, womit er seine Handlungen zu verharmlosen sucht, fehl am Platz.

Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, er bereue seine Tat und er werde sich künftig wohlverhalten, ist dem entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde zutreffend darauf hingewiesen hat, dass zum einen der seit der Verurteilung verstrichene Zeitraum als zu kurz angesehen werden muss, um von einem Wegfall oder einer erheblichen Minderung der vom Beschwerdeführer herrührenden Gefahr ausgehen zu können. Zu anderem hat die belangte Behörde auch im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung berücksichtigt, dass sich der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch in Strafhaft befunden hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist aber für die Beurteilung des Wohlverhaltens in erster Linie das in Freiheit gezeigte Verhalten heranzuziehen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2008/21/0486, und vom , Zl. 2008/18/0771, jeweils mwN).

Im Ergebnis begegnet sohin die Beurteilung der belangten Behörde, die in § 86 Abs. 1 FPG ausgedrückte Gefährdung sei im Falle des Beschwerdeführers verwirklicht, keinen Bedenken.

Soweit der Beschwerdeführer darauf hinweist, dass er über einen Aufenthaltstitel verfügt, der nach der mit in Kraft getretenen Rechtslage als Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" weiter gelte, sodass auf ihn auch § 56 FPG Anwendung finde, ist für ihn schon deshalb nichts gewonnen, weil im gegenständlichen Fall die Beurteilung, ob die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zulässig ist, ohnedies nach dem gegenüber § 56 FPG strengeren Maßstab des § 86 Abs. 1 FPG erfolgte (vgl. zum System der abgestuften Gefährdungsprognosen im FPG das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0603).

Der Beschwerdeführer wendet sich aber auch gegen die von der belangten Behörde nach § 66 FPG vorgenommene Abwägung. Er verweist auf seinen 16 Jahre dauernden rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich, seine Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin, sein in Österreich lebendes Kind, auf den in Österreich absolvierten Schul- und Lehrabschluss und berufliche und soziale Bindungen in Österreich. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstände hat die belangte Behörde allerdings bei ihrer Interessenabwägung ausreichend berücksichtigt. Angesichts des gravierenden strafbaren Verhaltens des Beschwerdeführers kann die Beurteilung der belangten Behörde, die öffentlichen Interessen an der Hintanhaltung weiterer strafbarer Handlungen durch den Beschwerdeführer überwögen seine persönlichen Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, es sei ihm im Ausland nicht mehr möglich, das Familienleben weiterzuführen, hat bereits die belangte Behörde zu Recht darauf hingewiesen, dass er die (allfällige) Trennung von seinen Familienangehörigen im öffentlichen Interesse hinzunehmen hat.

Letztlich wendet sich der Beschwerdeführer aber auch gegen die Erlassung des Aufenthaltsverbotes auf unbestimmte Zeit. Er verweist auf seine "massiven, familiären und privaten Bindungen" und seine erstmalige Straffälligkeit. Damit zeigt er aber mit Blick auf die Gegebenheiten des vorliegenden Falles nicht auf, dass die Ansicht der belangten Behörde, auf Grund der mit seinem Verhalten gezeigten Bereitschaft, erhebliche Gewalt gegen andere Menschen auszuüben, um sich Barmittel zueignen zu können, könne nicht abgesehen werden, wann die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr weggefallen sein werde, als unzutreffend anzusehen wäre.

Soweit der Beschwerdeführer abschließend noch vorbringt, die belangte Behörde hätte zu seinen persönlichen Verhältnissen noch ergänzende Ermittlungen durchführen und weitere Feststellungen treffen müssen, tut er nicht dar, was im Fall ergänzender Ermittlungen hervorgekommen wäre und welchen - ein anderes Ergebnis ermöglichenden - Inhalts die zu treffenden Feststellungen hätten sein können. Anders als der Beschwerdeführer meint, kommt der Feststellung, es sei die Fortführung des Familienlebens im Ausland nicht möglich, fallbezogen keine entscheidungsrelevante Bedeutung zu, weil - wie bereits oben ausgeführt - im vorliegenden Fall die Trennung von den Familienangehörigen im öffentlichen Interesse hinzunehmen ist. Dass insoweit eine außergewöhnliche und deswegen eine anderslautende Entscheidung gebietende Sachverhaltskonstellation gegeben wäre, wird in der Beschwerde nicht behauptet.

Da der Beschwerdeführer sohin im geltend gemachten Recht nicht verletzt ist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
RAAAE-81459

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