VwGH vom 18.09.2019, Ra 2019/04/0086
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision des A P in W, vertreten durch Dr. Martin Wandl und Dr. Wolfgang Krempl, Rechtsanwälte in 3100 St. Pölten, Kremser Gasse 19, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom , Zl. VGW- 021/014/2455/2018-13, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1994 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird mit Ausnahme der unangefochten gebliebenen Aufhebung des behördlichen Spruchpunktes 5 und diesbezüglichen Einstellung des Verfahrens wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1 1. Mit Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien (belangte Behörde) wurde dem Revisionswerber vorgeworfen, er habe es als gewerberechtlicher Filialgeschäftsführer der (zur Ausübung des Handelsgewerbes berechtigten) S AG zu verantworten, dass diese in der Betriebsanlage in W näher bezeichnete Auflagen des Genehmigungsbescheides nicht eingehalten habe. Der Revisionswerber habe dadurch § 367 Z 25 GewO 1994 verletzt, weshalb über ihn mehrere Geldstrafen in der Höhe von insgesamt EUR 572,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: ein Tag und sechs Stunden) verhängt wurden.
2 2.1. Das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) gab der dagegen erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers mit Erkenntnis vom insofern Folge, als es Spruchpunkt 5 des Straferkenntnisses (betreffend Nichteinhaltung von Auflagenpunkt 68 des Genehmigungsbescheides) aufhob und das Verfahren in diesem Umfang einstellte sowie in Spruchpunkt 1 (betreffend Nichteinhaltung von Auflagenpunkt 44 des Genehmigungsbescheides) die Tatumschreibung änderte, die Strafhöhe herabsetzte und den Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens reduzierte. Im Übrigen wurde die Beschwerde abgewiesen (bzw. das Straferkenntnis "bestätigt") und die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für unzulässig erklärt.
3 2.2. In der Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, dass der Auflagenpunkt 68 erfüllt worden sei und sich deshalb der erhobene Tatvorwurf als unrichtig erwiesen habe. Das Straferkenntnis sei in diesem Punkt daher aufzuheben und das Verfahren einzustellen gewesen.
4 Dem Beschwerdevorbringen, es bestehe keine Verpflichtung, die geforderten Urkunden in der Betriebsanlage zur jederzeitigen Einsichtnahme bereitzuhalten, es sei denn, dies werde ausdrücklich als Auflage gefordert, hielt das Verwaltungsgericht entgegen, dass sich diese Verpflichtung bereits aus § 338 Abs. 1 und 2 GewO 1994 ergebe. Nach dieser Bestimmung habe der Betriebsinhaber oder dessen Stellvertreter den Behörden unter anderem die notwendigen Auskünfte zu geben, notwendige Unterlagen vorzulegen und erforderlichenfalls Einblick in die Aufzeichnungen über den Lagerbestand sowie die Warenein- und -ausgänge zu gewähren. 5 Abschließend erfolgten Ausführungen zur subjektiven Tatseite und zur Strafbemessung.
6 3. Gegen dieses Erkenntnis, mit Ausnahme der Aufhebung des behördlichen Spruchpunktes 5 und der diesbezüglichen Einstellung des Verfahrens, richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die das Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegt hat.
7 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revision beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
8 1. In der vorliegenden Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit insbesondere vorgebracht, das Verwaltungsgericht habe übersehen, dass dem Revisionswerber nicht ein Verstoß gegen § 338 GewO 1994, sondern die Nichteinhaltung von konkreten Bescheidauflagen zur Last gelegt werde. Die Nichteinhaltung allfälliger Verpflichtungen aus § 338 GewO 1994 stelle einen eigenen Straftatbestand dar, den man dem Revisionswerber nie zur Last gelegt habe. Insofern sei Verfolgungsverjährung eingetreten. 9 Die Revision ist zulässig und auch berechtigt. 10 2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat sich eine - die Verfolgungsverjährung nach § 31 VStG unterbrechende - Verfolgungshandlung nach § 32 Abs. 2 VStG auf eine bestimmte physische Person als Beschuldigten, eine bestimmte Tatzeit, den ausreichend zu konkretisierenden Tatort und sämtliche Tatbestandselemente der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschrift zu beziehen. Die (korrekte) rechtliche Qualifikation der Tat ist hingegen nicht erforderlich. Ob dem Revisionswerber somit im Zusammenhang mit den ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen in jedem Punkt richtige Normen vorgehalten worden sind, spielt für die Frage der Verfolgungsverjährung keine Rolle (vgl. ; , Ra 2017/04/0129, jeweils mwN). Sofern von der Verfolgungshandlung alle erforderlichen Sachverhaltselemente erfasst waren, kann die Tat nach einer anderen als der ursprünglich ins Auge gefassten Bestimmung bestraft werden (siehe ). Die Richtigstellung der verletzten Verwaltungsvorschrift und der Strafbestimmung kann auch nach Ablauf der Verfolgungsverjährungsfri st vorgenommen werden (siehe ). 11 Ausgehend davon wäre es nicht per se unzulässig, wenn das Verwaltungsgericht dem Revisionswerber - abweichend vom verwaltungsbehördlichen Verfahren - einen Verstoß gegen § 338 GewO 1994 (vgl. § 367 Z 26 GewO 1994 als entsprechende Strafbestimmung) zur Last legen würde.
12 Im vorliegenden Fall stützte sich das Verwaltungsgericht jedoch ausschließlich in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses auf § 338 GewO 1994. Indem das Verwaltungsgericht die Beschwerde in den hier relevanten Punkten abwies und das erstinstanzliche Straferkenntnis somit insoweit bestätigte, wird dem Revisionswerber durch das angefochtene Erkenntnis spruchgemäß ausschließlich ein Verstoß gegen § 367 Z 25 GewO 1994 (Nichteinhaltung von Bescheidauflagen) angelastet. Eine Begründung für diesen Ausspruch ist dem angefochtenen Erkenntnis allerdings nicht zu entnehmen, weil das Verwaltungsgericht das Beschwerdevorbringen, eine Verpflichtung zur Bereithaltung der geforderten Urkunden in der Betriebsanlage zur jederzeitigen Einsichtnahme müsse sich ausdrücklich aus den Bescheidauflagen ergeben, ausschließlich mit dem Hinweis auf § 338 GewO 1994 abvotierte.
13 Damit wird der in § 29 Abs. 1 VwGVG normierten Begründungspflicht verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen (vgl. dazu etwa , mwN) nicht entsprochen. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben. 14 3. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 20
14.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019040086.L00 |
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