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VwGH vom 05.07.2012, 2010/21/0345

VwGH vom 05.07.2012, 2010/21/0345

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde des A in L, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom , Zl. E1/11787/10 I, betreffend Versagung eines Konventionsreisepasses, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Dem Beschwerdeführer, einem Staatsangehörigen Afghanistans, wurde mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom gemäß § 7 Asylgesetz 1997 Asyl gewährt, und es wurde gemäß § 12 Asylgesetz 1997 festgestellt, dass ihm damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.

Auf seinen Antrag vom wurde ihm ein Konventionsreisepass mit Gültigkeit bis zum ausgestellt.

Mit Bescheid vom versagte ihm die Bundespolizeidirektion Linz die am beantragte neuerliche Ausstellung eines Konventionsreisepasses gemäß § 94 Abs. 5 iVm § 92 Abs. 1 Z 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG).

Begründend führte sie aus, der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom wegen des Vergehens der Schlepperei gemäß § 114 Abs. 1 FPG zu einer Geldstrafe im Gesamtausmaß von EUR 240,-- (120 Tagessätze a EUR 2,- -), bedingt auf drei Jahre, rechtskräftig verurteilt worden. Er habe am im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einer anderen Person als Mittäter wissentlich die rechtswidrige Einreise eines Fremden, nämlich eines afghanischen Staatsangehörigen, welcher über keinen gültigen Aufenthaltstitel verfügte, in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union gefördert, indem er diesen Fremden im PKW des zweiten Täters von Italien über die Brennergrenze nach Österreich gebracht habe.

In seiner Stellungnahme vom habe der Beschwerdeführer den der Verurteilung zugrundeliegenden Sachverhalt geschildert: Der Bruder des Mittäters - eines Freundes des Beschwerdeführers - sei aus Afghanistan nach Italien geflüchtet. Von dort habe er seinen Bruder in Österreich angerufen, welcher diesen von Italien nach Österreich verbracht habe. In Innsbruck seien beide von der Polizei aufgegriffen worden, und der Bruder des Mittäters sei umgehend wieder nach Italien zurückgeschoben worden. Am nächsten Tag habe der Mittäter seinen Bruder wieder nach Österreich holen wollen. Da er jedoch ein großes Schlafdefizit gehabt habe, habe er den Beschwerdeführer gefragt, ob er mitfahren würde, um das Schlafen und Fahren abwechselnd bewältigen zu können.

Im Hinblick auf das genannte Urteil und den diesem zugrunde liegenden Sachverhalt sei - so folgerte die Bundespolizeidirektion Linz - die Annahme gerechtfertigt, der Beschwerdeführer wolle den Konventionsreisepass benützen, um Schlepperei zu begehen oder an ihr mitzuwirken. Diese Feststellung werde durch den Umstand untermauert, dass der Beschwerdeführer Schlepperei begangen habe, obwohl er gewusst habe, dass der geschleppte Fremde bereits am Vortag nach dessen Schleppung ins Bundesgebiet durch den Freund des Beschwerdeführers von der Polizei aufgegriffen und nach Italien zurückgeschoben worden sei. Der Unrechtsgehalt seiner Tat habe ihm deutlich bewusst sein müssen. Dieses Agieren setze eine nicht unbedeutende zielgerichtete kriminelle Energie voraus. Auch die Darstellung der Straftat durch den Beschwerdeführer als eine Gefälligkeit für einen Freund lasse den Schluss zu, dass er in Zukunft wieder bedenkenlos derartigen "Gefälligkeiten" zustimmen könne. Entscheidungsrelevant sei letztendlich insbesondere auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer die Schlepperei zu einem Zeitpunkt begangen habe, als er bereits im Besitz eines österreichischen Konventionsreisepasses gewesen sei, was zeige, dass er das Reisedokument auch in Hinkunft "ohne Skrupel" für Schlepperei verwenden würde. Zum vom Beschwerdeführer angesprochenen geringen Strafausmaß sei anzumerken, dass er immerhin zu 120 Tagessätzen - bei möglichen 360 Tagessätzen (nach § 114 Abs. 1 FPG in der Stammfassung) - verurteilt worden sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.

Begründend schloss sie sich den - im angefochtenen Bescheid wörtlich wiedergegebenen - Ausführungen der erstinstanzlichen Behörde an und hob hervor, dass die Rechtfertigung des Beschwerdeführers dahingehend, er habe lediglich einem Freund helfen wollen, insofern relativiert sei, als er in Kenntnis einer bereits einmal misslungenen Schlepperei durch seinen Freund an einer weiteren Schlepperei teilgenommen habe. Seinem Vorbringen, aus einem einmaligen Handeln könne nicht darauf geschlossen werden, dass er wiederum Schlepperei begehen werde, sei entgegen zu halten, dass in diesem Bereich die Kriminalität "sehr verdichtet" und die Wiederholungsgefahr sehr hoch sei. Es sei daher tatsächlich nicht auszuschließen, dass er sich neuerlich an derartigen Handlungen (Schlepperei) beteiligen werde. Dies würde unzweifelhaft durch den Besitz eines Reisedokumentes nicht nur erleichtert, sondern sogar gefördert. Es treffe auch das Berufungsvorbringen nicht zu, dass der Beschwerdeführer für Reisen im Schengenraum gar kein Reisedokument benötige; durch den Wegfall der Grenzkontrolle habe sich nichts an der Verpflichtung zum Mitführen eines Reisedokuments geändert.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:

Dem Beschwerdeführer kommt infolge des Bescheides des unabhängigen Bundesasylsenates vom der Status eines Asylberechtigten zu, sodass ihm gemäß § 94 Abs. 1 FPG grundsätzlich auf Antrag ein Konventionsreisepass auszustellen ist. Allerdings gelten gemäß § 94 Abs. 5 letzter Halbsatz FPG der § 88 Abs. 4 sowie die §§ 89 bis 93 FPG (infolge Erlassung des angefochtenen Bescheides im Juli 2010 jeweils in der Fassung des FrÄG 2009), die sich auf Fremdenpässe beziehen, auch für Konventionsreisepässe. Gemäß § 92 Abs. 1 Z 4 FPG ist die Ausstellung, die Erweiterung des Geltungsbereiches und die Änderung eines Fremdenpasses zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Fremde das Dokument benützen will, um Schlepperei zu begehen oder an ihr mitzuwirken.

Gegen die wiedergegebene, auf dieser Grundlage angestellte Prognosebeurteilung der belangten Behörde wendet sich der Beschwerdeführer. Er argumentiert, dass das Landesgericht Innsbruck gegen ihn lediglich eine Geldstrafe verhängt und diese noch dazu gemäß § 43 Abs. 1 StGB bedingt nachgesehen habe. Das Strafgericht sei im Zeitpunkt der Verurteilung davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer sich nicht mehr einschlägig strafbar machen werde, sonst hätte er eine unbedingte Strafe erhalten. Er lebe in Österreich in geordneten Lebensverhältnissen, gehe einer Arbeit nach und sei verheiratet. Er habe sich sowohl vor der gegenständlichen Tat als auch nachher gesetzestreu verhalten. Aus dem Umstand eines einmaligen Fehlverhaltens könne nicht die Annahme abgeleitet werden, er würde dies in Zukunft wieder tun, wenn hierfür nicht entsprechende Anhaltspunkte vorlägen. Dass derartige Anhaltspunkte gegeben seien, ergebe sich auch nicht aus dem angefochtenen Bescheid.

Unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer, dass die belangte Behörde für ihre Rechtsansicht, es liege eine bestimmte Tatsache vor, die die Annahme rechtfertige, er werde den Pass zur Begehung eines Schleppereideliktes verwenden wollen, eine nachvollziehbare Begründung schuldig bleibe. Allein der Umstand, dass bei der Schleppereikriminalität angeblich von hoher Wiederholungsgefahr auszugehen sei, reiche dafür jedenfalls nicht aus. Die Behörde belege weder, woraus sie diese Annahme ableite, noch setze sie sich mit den Lebensumständen des Beschwerdeführers, die für die zu treffende Prognoseentscheidung maßgeblich seien, auseinander.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers stellt aber der Umstand, dass ein Fremder bereits in der Vergangenheit Schlepperei begangen hat und deswegen verurteilt wurde, sehr wohl eine Tatsache dar, die grundsätzlich für die Annahme spricht, er wolle den Konventionsreisepass benützen, um (neuerlich) Schlepperei zu begehen oder an ihr mitzuwirken. Dies gilt umso mehr dann, wenn eine solche Tat, die mit einer Reisebewegung ins Ausland verbunden war, bereits im Besitz eines Konventionsreisepasses begangen wurde, sodass sich die Annahme in der Vergangenheit insofern bereits verwirklicht hat. Hier kommt im Übrigen dazu, dass sich der Beschwerdeführer an der Wiederholung einer schon einmal misslungenen Schlepperei beteiligte, was die belangte Behörde in ihre Überlegungen zutreffend einbeziehen durfte.

Umstände, die im Beschwerdefall eine andere Prognose nahelegen würden und die die belangte Behörde hätte berücksichtigen müssen, sind nicht ersichtlich. Die Mitwirkung an der Schlepperei ist zwar nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers als Freundschaftsdienst und - was auch die belangte Behörde nicht in Abrede stellt - unentgeltlich erfolgt, weshalb die Verurteilung nach dem Tatbestand des § 114 Abs. 1 FPG in der Stammfassung erfolgt ist (dem der Verwaltungsstraftatbestand des § 120 Abs. 3 Z 1 FPG in der Fassung des FrÄG 2009 entspricht). Auch an der Verhinderung der Schlepperei ohne Bereicherungsabsicht besteht aber ein großes öffentliches Interesse, das die Versagung eines Konventionsreisepasses aus Gründen der öffentlichen Ordnung (vgl. Art. 28 der Genfer Flüchtlingskonvention) rechtfertigt (siehe zu einem Fall, in dem ein Vater seine minderjährige Tochter in das Gebiet der Europäischen Union geschleppt hatte, das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0084). Es ist auch die Schlussfolgerung der belangten Behörde nicht zu beanstanden, dass anzunehmen sei, der Beschwerdeführer werde sich in einer künftig eintretenden ähnlichen Situation neuerlich nicht gesetzestreu verhalten. Dagegen spricht weder die zum Bescheiderlassungszeitpunkt erst etwas mehr als einjährige Zeit des Wohlverhaltens des Beschwerdeführers noch die Verhängung einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe durch das Gericht. Die Fremdenpolizeibehörden haben das (Fehl )Verhalten des Fremden nämlich eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts und unabhängig von gerichtlichen Erwägungen zur Strafbemessung oder Gewährung einer bedingten Strafnachsicht zu beurteilen (vgl. aus der Rechtsprechung zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2007/21/0057, und vom , Zl. 2009/21/0063, jeweils mwN).

Die Beurteilung der belangten Behörde, dass einer stattgebenden Erledigung des Antrages auf Ausstellung eines Konventionsreisepasses der Versagungsgrund des § 94 Abs. 5 iVm § 92 Abs. 1 Z 4 FPG entgegengestanden sei, kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am