VwGH 24.01.2013, 2010/21/0334
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Eine Probearbeit, die nicht als Beschäftigung iSd § 2 AuslBG zu qualifizieren ist, kann grundsätzlich nur dann als gegeben erachtet werden, wenn eine persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit nicht besteht und etwa ausdrücklich Unentgeltlichkeit vereinbart worden ist (Hinweis E , 96/09/0036). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2007/09/0263 E RS 1 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde des A M (alias V M), in K, vertreten durch Kocher & Bucher Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Friedrichgasse 31, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom , Zl. E1/814/2010, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein pakistanischer Staatsangehöriger, reiste am nach Österreich ein und stellte am nächsten Tag einen Asylantrag, der im Instanzenzug mit Wirkung vom rechtskräftig abgewiesen wurde. Zugleich wurde die Zulässigkeit der (u.a.) Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan festgestellt. Nach Erhalt der Ausreiseaufforderung stellte der Beschwerdeführer am bei der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur (BH) einen Antrag auf Erteilung einer (humanitären) "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" gemäß § 44 Abs. 3 NAG.
Am wurden der BH Aktenstücke betreffend die am Vortag durch Organe der Abgabenbehörde in einem näher bezeichneten Hotelbetrieb in K. vorgenommene Kontrolle übermittelt. Nach dem Inhalt des Strafantrages gegen den Geschäftsführer des Hotels sei der Beschwerdeführer in der Küche im Bereich der "Geschirr-Waschstraße", wo er als Abwäscher "eingesetzt" gewesen sei, angetroffen worden. Er habe angegeben, den ersten Tag auf Probe zu arbeiten. Er verfüge für die Tätigkeit als Abwäscher über keine arbeitsmarktbehördliche Bewilligung. Nach dem Inhalt des über den Ablauf der Kontrolle erstellten Protokolls sei der Beschwerdeführer gemeinsam mit einer weiteren Person direkt hinter der Küchentür "entdeckt" worden, als sie gerade verschmutztes Geschirr gereinigt hätten. Er habe angegeben, nur an diesem Tag als Aushilfskraft zu arbeiten. Dazu habe der Küchenchef erläutert, der Beschwerdeführer würde seit ca. 19.00 Uhr auf Probe arbeiten.
Im Hinblick darauf erließ die BH mit Bescheid vom gegen den Beschwerdeführer gemäß § 60 Abs. 1 und 2 Z 8 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ein mit fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.
Diese Maßnahme begründete die BH nach Zitierung der maßgeblichen Rechtsgrundlagen damit, dass der Beschwerdeführer im Zuge einer Kontrolle von Organen der KIAB L. am um 20.30 Uhr in einem näher bezeichneten Hotelbetrieb bei Arbeiten im Bereich der Küche des besagten Lokals betreten worden sei, für die der Beschwerdeführer über keine notwendige arbeitsmarktrechtliche Bewilligung verfügt habe. Er sei auch nicht zur "Sozialversicherung bzw. Unfallversicherung" angemeldet gewesen. Seit dem Abschluss des Asylverfahrens "per " verfüge er über keinen Aufenthaltstitel.
Der Beschwerdeführer - so begründete die BH weiter - habe keine Verwandten oder nahen Angehörigen in Österreich, sei nicht verheiratet und habe auch keine Kinder. Er halte sich hier illegal auf und gehe keiner legalen Beschäftigung nach. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers seien jedenfalls geringer als die nachteiligen Folgen, die von der Abstandnahme seiner Erlassung zu erwarten wären. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei "auf Grund des dargestellten Sachverhaltes" zulässig, weil es zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei.
In der dagegen erhobenen Berufung wurde zunächst gerügt, dass dem Beschwerdeführer der maßgebliche Sachverhalt vor Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides nicht zur Wahrnehmung seines Parteiengehörs vorgehalten worden sei. Tatsächlich sei der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt (, 20.30 Uhr) und an dem genannten Ort keiner illegalen Beschäftigung nachgegangen. Er sei nicht "bei Arbeiten im Bereich der Küche" betreten worden. Er habe sich zwar dort aufgehalten, habe aber nur seinen dort mit entsprechender Bewilligung beschäftigten Bekannten S. A. zu seinem Arbeitsplatz begleitet und ihm bei dessen Tätigkeit als Abwäscher zugesehen. Hintergrund sei gewesen, dass er sich im Zusammenhang mit dem beantragten Aufenthaltstitel um einen potentiellen Arbeitgeber umgesehen habe. Er habe Straßenkleidung getragen und lediglich zu ihrem Schutz eine Schürze getragen. Sofern dem Beschwerdeführer vorgehalten werden könnte, gegenüber den Beamten des Finanzamtes angegeben zu haben, "im Restaurant zu helfen", habe es sich um den "Versuch einer Schutzbehauptung" gehandelt, weil er wegen seines Aufenthalts in der Küche als Betriebsfremder "Konsequenzen" befürchtet habe. Zum Ganzen beantragte der Beschwerdeführer seine Einvernahme und (unter Adressbekanntgabe) auch die Vernehmung des S. A. als Zeugen.
Im Übrigen wurde in der Berufung gerügt, die BH habe keine Feststellungen zu einer wirtschaftlichen Abhängigkeit und Unterordnung oder zur Entgeltlichkeit der angenommenen Tätigkeit getroffen, sodass nicht von einer Beschäftigung iSd § 2 Abs. 2 AuslBG hätte ausgegangen werden dürfen. Außerdem habe es die BH unterlassen, eine Prognoseentscheidung iSd § 60 Abs. 1 FPG zu treffen.
Schließlich verwies der Beschwerdeführer in der Berufung unter dem Gesichtspunkt der Interessenabwägung noch auf seinen bisherigen Aufenthalt in Österreich in der Dauer von mehr als acht Jahren. Er sei seit 2006 auf Werkvertragsbasis selbständig als Zeitungs- und Prospektverteiler erwerbstätig und erziele dabei ein monatliches Durchschnittseinkommen von EUR 750,--. Dazu legte der Beschwerdeführer Werkverträge und entsprechende Bezugsaufstellungen vor. Er verfüge über eine 38 m2 große Mietwohnung und habe erfolgreich Deutschkurse absolviert. Überdies sei er strafrechtlich unbescholten. Nach so langer Zeit sei es für ihn außerdem schwierig, in Pakistan wieder Fuß zu fassen, zumal er dort über keine relevanten Bindungen mehr verfüge. Zur Aufrechterhaltung seines Privatlebens sei daher die Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes, dessen Dauer in der Berufung mit näherer Begründung ebenfalls bekämpft wurde, geboten.
Dieser Berufung gab die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark (die belangte Behörde) mit dem angefochtenen Bescheid vom keine Folge und sie bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.
Die belangte Behörde machte den Inhalt der Berufung zum integrierenden Bestandteil ihres Bescheides und verwies in der daran anschließenden Beurteilung einleitend auf die im erstinstanzlichen Bescheid "taxativ aufgezählten fremdenpolizeilichen Bestimmungen". Danach schloss sie sich den Ausführungen der BH, die in der Begründung ihres Bescheides "die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägung(en), die darauf gestützte Beurteilung, die Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst" habe, "voll inhaltlich an" und erhob sie zum Inhalt des angefochtenen Bescheides. "Ergänzend" wurde von der belangten Behörde ausgeführt, es "ist eine unbestrittene Tatsache", dass der Beschwerdeführer im Zuge einer Kontrolle von Organen der KIAB L. am um 20.30 Uhr in dem näher bezeichneten Hotelbetrieb bei Arbeiten im Bereich der Küche des besagten Lokals betreten worden sei. Der Beschwerdeführer sei nicht im Besitz eines entsprechenden Aufenthaltstitels gewesen und habe daher auch die zur Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit notwendige Beschäftigungsbewilligung nach dem AuslBG nicht vorweisen können.
Der Beschwerdeführer - so begründete die belangte Behörde weiter - sei am illegal eingereist und sein Asylverfahren sei am zweitinstanzlich negativ abgeschlossen worden. Seither halte er sich unrechtmäßig in Österreich auf und er könne auch keiner legalen Beschäftigung nachgehen. Obwohl er sich bereits seit acht Jahren in Österreich aufhalte, habe er weder wirtschaftliche noch private Bindungen vorzuweisen. Seine persönlichen Interessen seien nicht so stark ausgeprägt, dass sie schwerer zu gewichten wären als das "besagte maßgebliche" öffentliche Interesse. Die für die Integration wesentliche soziale Komponente sei durch die vom Beschwerdeführer "begangene Straftat" erheblich beeinträchtigt. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei angesichts seines "Gesamtverhaltens, illegaler Aufenthalt, Schwarzarbeit" im Sinne des Art. 8 EMRK dringend erforderlich. Abschließend begründete die belangte Behörde noch näher, dass auch unter Ermessensgesichtspunkten von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht Abstand genommen werden könne.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage erwogen hat:
Gemäß § 60 Abs. 1 FPG (in der Fassung vor dem FrÄG 2011) kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein (weiterer) Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Gemäß § 60 Abs. 2 Z 8 FPG (in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 99/2006) hat als die erwähnte Gefährdungsprognose rechtfertigende Tatsache zu gelten, wenn ein Fremder von einem Organ der Abgabenbehörde nach Maßgabe der Bestimmungen des AVOG, der regionalen Geschäftsstelle oder der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht ausüben hätte dürfen.
Die Fremdenpolizeibehörden sind auf Basis der getroffenen Feststellungen von der Verwirklichung des wiedergegebenen Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z 8 FPG ausgegangen und haben darauf das gegen den Beschwerdeführer erlassene Aufenthaltsverbot gestützt. Der dazu im erstinstanzlichen Bescheid festgestellte Sachverhalt gründete sich erkennbar auf die oben erwähnten Aktenstücke betreffend die Kontrolle des in Rede stehenden Hotelbetriebes durch Organe der Abgabenbehörde am . Diesen Sachverhaltsannahmen ist der Beschwerdeführer in der Berufung allerdings mit einem konkreten Vorbringen unter entsprechenden Beweisanboten substantiiert entgegen getreten. Vor diesem Hintergrund ist es nicht nachvollziehbar, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid insoweit von einer "unbestrittenen Tatsache" ausgegangen ist. Das rügt die Beschwerde zu Recht.
Vielmehr hätte die belangte Behörde das Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers, dem von der BH im erstinstanzlichen Verfahren zu den (finanzbehördlichen) Ermittlungsergebnissen kein Parteiengehör gewährt worden war, im Rahmen ergänzender Erhebungen prüfen und im angefochtenen Bescheid eine nachvollziehbare Würdigung der gesamten Beweisergebnisse vornehmen müssen. Der diesbezügliche Verweis auf den Bescheid der BH geht im Übrigen schon deshalb ins Leere, weil sich dort - anders als es im angefochtenen Bescheid heißt - keine "für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen" finden. Schließlich ist in diesem Zusammenhang noch anzumerken, dass eine unentgeltliche Tätigkeit zur Probe - so sie tatsächlich gegeben ist - nicht als Beschäftigung iSd § 2 Abs. 2 AuslBG zu qualifizieren ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/09/0284).
Weiters ist nicht nachvollziehbar, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid davon ausging, der Beschwerdeführer habe in Österreich keine "wirtschaftlichen Bindungen", obwohl er in der Berufung (wie auch schon bei der Begründung seines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels) näher dargelegt und belegt hatte, dass er seit 2006 einer selbständigen Beschäftigung als Zeitungs- und Prospektverteiler nachgeht. Auch das Berufungsvorbringen zu den Deutschkenntnissen des Beschwerdeführers und zu seinen Wohnverhältnissen sowie zu seiner Unbescholtenheit hätte - wie in der Beschwerde der Sache nach ebenfalls zu Recht gerügt wird - nicht zur Gänze ausgeblendet werden dürfen. Schließlich hätte sich die belangte Behörde noch mit den Berufungseinwänden zur festgesetzten Befristung des Aufenthaltsverbotes auseinandersetzen müssen. Auch das zeigt die Beschwerde im Ergebnis zutreffend auf.
Der angefochtene Bescheid war daher schon angesichts der dargelegten Begründungsmängel gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Schlagworte | Begründung Begründungsmangel Besondere Rechtsgebiete |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2013:2010210334.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
HAAAE-81419