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VwGH vom 02.04.2020, Ra 2019/03/0158

VwGH vom 02.04.2020, Ra 2019/03/0158

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des DDr. M J in P, vertreten durch Prof. Dipl. Ing. Mag. Andreas O. Rippel, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 34, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom , Zl. LVwG-AV-544/001-2019, betreffend Entziehung einer waffenrechtlichen Urkunde (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis entzog das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) dem Revisionswerber in Bestätigung eines entsprechenden Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom dessen Waffenbesitzkarte gemäß § 25 Abs. 2 und 3 in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Waffengesetz 1996 (WaffG). Die Revision erklärte das LVwG für nicht zulässig.

2 Begründend führte das LVwG aus, der Revisionswerber verfüge über eine Waffenbesitzkarte für zwei Schusswaffen der Kategorie B. Er besitze eine Pistole Marke Glock sowie ein Selbstladegewehr Marke Overland Arms. Der Revisionswerber habe seinen Hauptwohnsitz in P sowie zwei weitere Wohnsitze in W. Nach der Rückkehr von einem Urlaub habe er am festgestellt, dass in seinem W Haus eingebrochen und dabei ein Möbeltresor, in welchem die Pistole Glock verwahrt gewesen sei, aus dem Nachtkästchen herausgebrochen worden sei. Aufgrund der Verwüstung sei der Revisionswerber irrtümlich davon ausgegangen, dass auch der zweite größere Tresor mit dem darin verwahrten Selbstladegewehr Overland Arms aus der Wand herausgerissen worden sei. Mit Email vom habe der Revisionswerber der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen den Diebstahl beider auf ihn registrierten Waffen gemeldet und am eine Diebstahlsanzeige beim Polizeikommissariat W-F erstattet. Etwa eine Woche später sei der Revisionswerber von der W Polizei angerufen und ihm mitgeteilt worden, dass seine Waffe Glock aufgefunden worden sei. Die Befragung des Täters habe aber ergeben, dass er nur eine Schusswaffe gestohlen haben wolle, weshalb der Revisionswerber um Nachschau gebeten worden sei, ob seine zweite Schusswaffe doch noch vorhanden sei. Aufgrund dieser Information habe sich der Revisionswerber zu seinem Wohnsitz in P begeben und habe dort seine zweite Schusswaffe im Tresor im Keller vorgefunden. Dies habe er dem Polizeikommissariat W-F am bekanntgegeben, welche wiederum die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen informiert habe. 3 Rechtlich folgerte das LVwG auf das Wesentliche zusammengefasst, zu einer ordnungsgemäßen Verwahrung von Faustfeuerwaffen gehöre nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch das Wissen um den aktuellen Besitzstand und den Aufbewahrungsort der Waffen. Die Kenntnis darüber, in welchem sicheren Behältnis und an welchem sicheren Ort sich eine Waffe befinde, sei eine grundlegende Voraussetzung, um überhaupt davon sprechen zu können, dass eine Person eine Waffe verwahre. Allein die Tatsache, dass der Revisionswerber seine an seinem Hauptwohnsitz verwahrte Waffe als gestohlen geglaubt habe, sei als Verstoß gegen seine Verwahrungspflichten zu werten (Hinweis auf , , 99/20/0402). Im Hinblick auf diese Rechtsprechung habe die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen dem Revisionswerber die Waffenbesitzkarte völlig zu Recht entzogen.

4 Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit und in der Sache zusammengefasst geltend gemacht wird, das LVwG weiche von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ab, weil es danach für die Beurteilung der Verlässlichkeit eines Waffenbesitzers stets auf die Umstände des Einzelfalles ankomme und nicht ausgesprochen worden sei, dass ein Irrtum über den Aufbewahrungsort - losgelöst von sämtlichen Umständen - bereits eine Unzuverlässigkeit bedeute. Im gegenständlichen Fall seien die besonderen Umstände des Einzelfalles darin gelegen, dass der Revisionswerber bloß kurzfristig aufgrund eines extrem belastenden Vorfalls - einem Einbruchsdiebstahl - und massiver Einbruchspuren irrtümlich der Auffassung gewesen sei, dass seine beiden Schusswaffen gestohlen worden seien. Darauf sei das LVwG überhaupt nicht eingegangen. 5 Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht hat zu dieser Revision keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6 Die Revision ist zulässig und begründet.

7 Gemäß § 25 Abs. 3 WaffG sind waffenrechtliche Urkunden zu entziehen, wenn sich ergibt, dass die berechtigte Person nicht mehr verlässlich ist. Verlässlich ist ein Mensch gemäß § 8 Abs. 1 WaffG u.a. nur dann, wenn keine Tatsache die Annahme rechtfertigt, dass er Waffen nicht sorgfältig verwahren wird (§ 8 Abs. 1 Z 2 zweiter Fall WaffG).

8 Die Entziehung der waffenrechtlichen Urkunde gemäß § 25 Abs. 3 WaffG stellt keine Ermessensentscheidung dar, vielmehr ist die Behörde bei mangelnder Verlässlichkeit verpflichtet, die waffenrechtliche Urkunde zu entziehen. Mit Entziehung ist auch dann vorzugehen, wenn im Einzelfall ein nur einmal gesetztes Verhalten den Umständen nach die Folgerung rechtfertigt, der Urkundeninhaber gewährleiste nicht mehr das Zutreffen der in § 8 Abs. 1 WaffG genannten Voraussetzungen (vgl. zum Ganzen etwa , mwN).

9 Zu Recht verweist das LVwG auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach zur ordnungsgemäßen Verwahrung von Waffen auch das Wissen um den aktuellen Besitzstand und den Aufbewahrungsort der Waffen zählt. Die Kenntnis darüber, in welchem sicheren Behältnis und an welchem sicheren Ort sich die Waffe befindet, ist eine grundlegende Voraussetzung, um überhaupt davon sprechen zu können, dass eine Person eine Waffe verwahrt (vgl. etwa ; , 2011/03/0091; , Ra 2015/03/0011).

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem bereits erkannt, dass allein die Tatsache, dass ein Waffenbesitzer eine Waffe - irrtümlich - als gestohlen wähnte, einen Verstoß gegen seine Verwahrungspflichten begründet (vgl. ).

11 Ausgehend davon ist auch im gegenständlichen Fall festzuhalten, dass dem Revisionswerber eine Verletzung seiner Verwahrungspflichten in Bezug auf die irrtümlich als gestohlen gemeldete Schusswaffe, die sich in Wirklichkeit in einem sicheren Behältnis an seinem Hauptwohnsitz befand, anzulasten ist. 12 Beachtlich ist jedoch auch, dass § 25 Abs. 3 WaffG mit der Waffengesetz-Novelle 2010, BGBl. I Nr. 43/2010, um einen zweiten Satz erweitert wurde, nach der von einer Entziehung auf Grund einer nicht sicheren Verwahrung abzusehen ist, wenn das Verschulden des Berechtigten geringfügig ist, die Folgen unbedeutend sind und der ordnungsgemäße Zustand innerhalb einer von der Behörde festgesetzten, zwei Wochen nicht unterschreitenden Frist hergestellt wird.

13 Zu dieser Regelung hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass ein Absehen von einer ansonsten auf Grund einer nicht sicheren Verwahrung auszusprechenden Entziehung geringfügiges Verschulden, bloß unbedeutende Folgen und die fristgerechte Herstellung des ordnungsgemäßen Zustands voraussetzt; die genannten Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Die Schuld ist nur dann geringfügig, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt, was nach den jeweiligen Umständen zu beurteilen ist, unter denen gehandelt wurde ().

14 Gestützt darauf hat der Verwaltungsgerichtshof etwa nicht beanstandet, von einer Entziehung der waffenrechtlichen Urkunden Abstand zu nehmen, wenn zwar eine Waffe nicht in einem sicheren Behältnis verwahrt worden ist, dieser Verstoß aber bei einer einzelfallbezogenen Beurteilung die Voraussetzungen des § 25 Abs. 3 zweiter Satz WaffG erfüllt. Dabei wurde ausdrücklich betont, dass die Beurteilung der sorgfältigen Verwahrung im Sinne des § 8 Abs. 1 Z 2 WaffG, wie die Revision zutreffend geltend macht, entscheidend von den Umständen des Einzelfalls abhängt (vgl. ).

15 Im gegenständlichen Fall gesteht das LVwG dem Revisionswerber, der Opfer eines Einbruchsdiebstahls geworden ist, zu, aufgrund der einbruchsbedingten Verwüstungen in seinem Wohnhaus irrig der Annahme gewesen zu sein, es seien beide in seinem Eigentum befindlichen Schusswaffen gestohlen worden, obwohl sich in Wirklichkeit eine der Waffen nicht am Tatort, sondern in seiner anderen Wohnung befunden hatte und dort in einem Tresor verwahrt war. Der Revisionswerber hatte diese Fehleinschätzung damit begründet, dass er diese Waffe immer wieder zwischen seinen Wohnsitzen hin- und herführe und in der Aufregung der damaligen Geschehnisse dem Irrtum unterlegen sei, sie habe sich auch am Tatort befunden. Diesen Irrtum klärte der Revisionswerber nur wenige Tage später - über Nachfrage der Polizei - auf. 16 Obwohl im vorliegenden Fall somit besondere Umstände vorlagen, die eine Anwendung des § 25 Abs. 3 zweiter Satz WaffG nahegelegt hätten, hat das LVwG diese Norm nicht im Blick gehabt und daher auch nicht in seine Erwägungen einbezogen. 17 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. 18 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 20

14.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019030158.L00

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Fundstelle(n):
ZAAAE-81413