VwGH vom 22.09.2011, 2008/18/0484
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des P K S in W, vertreten durch Dr. Andreas Waldhof, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Reichsratsstraße 13, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 529/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer, einen indischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 9 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei Anfang 2004 mit einem vom bis gültigen Reisevisum nach Österreich eingereist und danach im Bundesgebiet geblieben. Sein Antrag vom auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Privat-quotenpflichtig, § 18 Abs. 4 FrG" sei mit Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom abgewiesen worden.
Der Beschwerdeführer habe am in W eine österreichische Staatsangehörige geheiratet und im Juni 2005 die Erteilung eines Aufenthaltstitels beantragt. Ihm sei zunächst eine quotenfreie Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" mit einer Gültigkeitsdauer bis erteilt worden.
Eine danach durchgeführte "Scheineheüberprüfung" habe ergeben, dass in der angeblich gemeinsamen Ehewohnung lediglich die Ehefrau des Beschwerdeführers gemeinsam mit einem österreichischen Staatsbürger angetroffen worden sei. Die Ehefrau habe schließlich zugestanden, auf Grund finanzieller Probleme eine Scheinehe eingegangen zu sein, für welche der Beschwerdeführer als Gegenleistung die Wohnungskosten von etwa EUR 350,-- monatlich übernommen habe. Sie hätten vereinbart, dass die Ehe nur 18 Monate dauern solle und der Beschwerdeführer nicht bei ihr einziehen werde. Am sei die Ehe einvernehmlich geschieden worden.
Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, es bestehe kein Anlass, an der Richtigkeit der Aussage der früheren Ehefrau des Beschwerdeführers zu zweifeln, welche durch die weiteren Erhebungsergebnisse untermauert werde. So sei die Trauzeugin der früheren Ehefrau des Beschwerdeführers selbst bereits zweimal eine Scheinehe mit indischen Staatsangehörigen eingegangen, und die frühere Ehefrau des Beschwerdeführers habe bei der zweiten Ehe dieser Frau als Trauzeugin fungiert. Nach den Angaben der Hausbesorgerin im Wohnhaus der früheren Ehefrau habe sie diese in den letzten Wochen hauptsächlich mit einem vierzigjährigen Österreicher im Haus gesehen, ihr sei der Beschwerdeführer gänzlich unbekannt und sie habe ihn noch nie im Haus gesehen. Der Beschwerdeführer sei nur wenige Monate nach erstinstanzlicher Abweisung seines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin eingegangen. Obwohl der Beschwerdeführer in der Berufung vom als einziges Motiv der Eheschließung Liebe genannt und vorgebracht habe, sie würden seit geraumer Zeit wieder ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK führen, sei am die einvernehmliche Scheidung beim Bezirksgericht Favoriten erfolgt.
Für die belangte Behörde stehe sohin fest, dass der Beschwerdeführer die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossen und sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf diese Ehe berufen habe, ohne mit ihr ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK geführt zu haben. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes erweise sich daher als gerechtfertigt.
Dem Beschwerdeführer fehlten familiäre Bindungen in Österreich, doch sei auf Grund seines seit Anfang 2004 im Bundesgebiet bestehenden Aufenthaltes und seiner Beschäftigung ab durch die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes von einem Eingriff in sein Privatleben auszugehen, welche jedoch zur Verteidigung eines geordneten Fremdenwesens, somit zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, dringend geboten sei. Die Berufstätigkeit könne dem Beschwerdeführer nicht zum Vorteil gereichen, weil die Ausübung der Beschäftigung nur vor dem Hintergrund der geschlossenen Scheinehe möglich gewesen sei. Das rechtsmissbräuchliche Eingehen der Ehe und die Berufung darauf im Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung beeinträchtigten maßgebliche öffentliche Interessen im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK (Wahrung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) erheblich. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung.
Es habe auch keine Veranlassung bestanden, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt die Abweisung der Beschwerde, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z. 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z. 2). Nach § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder (u.a.) eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung auf diese Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat.
2. Die Beschwerde wendet sich gegen die der Annahme einer Aufenthaltsehe zugrunde liegende Beweiswürdigung der belangten Behörde und bringt vor, die Feststellungen stützten sich ausschließlich auf die Aussagen seiner früheren Ehefrau, die jedoch zum Teil sinnstörend und aus dem Zusammenhang gerissen seien. Richtig sei vielmehr, dass er aus Liebe und Sympathie geheiratet habe.
Damit gelingt es der Beschwerde jedoch nicht, eine Unschlüssigkeit der von der belangten Behörde vorgenommenen Beweiswürdigung aufzuzeigen.
Die Aussagen der früheren Ehefrau des Beschwerdeführers, eine Scheinehe mit der Vereinbarung eingegangen zu sein, dass der Beschwerdeführer bei ihr nicht einziehen werde und tatsächlich auch nicht bei ihr gewohnt habe, wird durch die Angaben der Hausbesorgerin bestätigt, welche die frühere Ehefrau hauptsächlich mit einem etwa vierzigjährigen Österreicher im Haus gesehen habe und der der Beschwerdeführer gänzlich unbekannt gewesen sei.
Die Darstellung der Geschehensabläufe in der Zeugenaussage der früheren Ehefrau des Beschwerdeführers ist ebenso klar wie nachvollziehbar und ihre Angaben wurden von der belangten Behörde auch vollständig im Rahmen der Beweiswürdigung verwertet. Dem Beschwerdeführer kann nicht dahingehend gefolgt werden, dass Teile der Aussagen sinnstörend aus dem Zusammenhang gerissen verwendet worden wären. Der Darstellung des Beschwerdeführers, seine Ehefrau aus Liebe und Sympathie geehelicht zu haben, hielt die belangte Behörde berechtigt das in diesem Zusammenhang in der Berufung vom erstattete weitere Vorbringen, seit geraumer Zeit wieder ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK zu führen, entgegen, welches durch die am erfolgte einvernehmliche Scheidung widerlegt erscheine.
Auf dem Boden des Gesagten begegnet die Beweiswürdigung der belangten Behörde im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. dazu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken.
Unter Beachtung der am erfolgten rechtskräftigen Scheidung des Beschwerdeführers von seiner österreichischen Ehefrau beurteilte die belangte Behörde dessen Fehlverhalten zutreffend nach dem Gefährdungsmaßstab des § 60 Abs. 1 FPG. Ihre Ansicht, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG erfüllt sei, ist nicht zu beanstanden.
3. Die Beschwerde wendet sich in der Rechtsrüge gegen das von der belangten Behörde angenommene Vorliegen des Gefährdungsmaßstabes nach § 60 Abs. 1 FPG mit der Begründung, dass das öffentliche Interesse an einem geregelten Fremdenwesen den wirtschaftlichen Interessen des Gemeinwohls gegenüberzustellen sei. Hier sei zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer als junger und leistungsstarker Arbeitnehmer auch in Hinkunft einen Beitrag zum österreichischen Finanz- und Sozialsystem leisten könne. Das Aufenthaltsverbot greife in sein Eigentum ein, vernichte seine Existenz und müsse dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen.
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK dient (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0176, mwN, und das Eingehen einer Aufenthaltsehe die Annahme des Vorliegens einer Gefährdung iSd § 60 Abs. 1 FPG rechtfertigt).
Dass der Beschwerdeführer bislang Lohnsteuern und Sozialabgaben leistete und dadurch (wie er meint) wirtschaftliche Interessen des Gemeinwohls zu berücksichtigen wären, vermag entgegen der Beschwerde einen besonderen Umstand, der die belangte Behörde dazu hätte veranlassen müssen, von ihrem Ermessen zugunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen, nicht zu begründen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/18/0438). Ebensowenig kann dieser Aspekt das öffentliche Interesse an einem geregelten Fremdenwesen beeinträchtigen.
4. Auch das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG durchgeführten Interessenabwägung, ist nicht zu beanstanden. Insbesondere tritt die Beschwerde den behördlichen Feststellungen fehlender familiärer Bindungen und der nur durch das Eingehen der Aufenthaltsehe möglichen Beschäftigung nicht entgegen. Soweit sich der Beschwerdeführer auf die mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Vernichtung seiner Existenz beruft, verstößt er damit gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot (§ 41 Abs. 1 VwGG).
5. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
6. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
GAAAE-81402