VwGH vom 19.04.2012, 2010/21/0308
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des I, vertreten durch Dr. Josef Habersack, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Roseggerkai 5/III, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom , Zl. E1/7335-2009, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, kam im Dezember 2003 illegal in das Bundesgebiet und stellte einen Asylantrag. Dieser Antrag wurde im Instanzenzug mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom abgewiesen und es wurde, ebenfalls rechtskräftig, festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat zulässig sei. Die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, der aufschiebende Wirkung zuerkannt worden war, wurde mit Beschluss vom , Zl. 2006/20/0394, abgelehnt.
In der Folge wies die Bezirkshauptmannschaft Leibnitz den Beschwerdeführer mit Bescheid vom gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich aus. Der dagegen erhobenen Berufung gab die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark (die belangte Behörde) mit Bescheid vom keine Folge.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:
Unter der Überschrift "Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel" ordnet § 53 Abs. 1 FPG (in der hier noch maßgeblichen Fassung vor dem FrÄG 2011) an, dass Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. In der Beschwerde wird zugestanden, dass das Asylverfahren des Beschwerdeführers rechtskräftig beendet ist. Die behördliche Annahme, der genannte Ausweisungstatbestand sei im vorliegenden Fall verwirklicht, ist daher zutreffend und wird auch in der Beschwerde nicht bestritten.
Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben eines Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG (in der eben genannten Fassung) nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei dieser Beurteilung ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der im § 66 Abs. 2 FPG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 66 Abs. 3 FPG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Bei einer Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt (siehe unter vielen etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0465, mwN).
Unter diesen Gesichtspunkten macht der Beschwerdeführer geltend, dass er sich "seit 2003" ununterbrochen in Österreich aufhalte, "seit geraumer Zeit" krankenversichert sei und monatlich etwa EUR 800,- ins Verdienen bringe. Er sei auf keine staatliche Unterstützung angewiesen. Er habe "seit geraumer Zeit eine Freundin"; sie würden auch heiraten wollen. Der Beschwerdeführer habe Deutschkurse absolviert und spreche - seines Erachtens - "für meine Verhältnisse sehr gut Deutsch". Er habe sich nichts zu Schulden kommen lassen und hier viele Freunde gefunden, weil er stets freundlich und hilfsbereit sei. Er sei auch immer aufrecht gemeldet gewesen und habe Ladungen immer Folge geleistet. Er stelle somit keine Gefahr dar, weshalb der Beschwerdeführer nicht verstehe, dass gerade er Österreich verlassen müsse.
Dem Beschwerdeführer ist einzuräumen, dass die von ihm aufgezeigten Umstände bewirken, dass mit der Ausweisung ein Eingriff in sein Privatleben verbunden ist. Davon ist aber auch die belangte Behörde ausgegangen und sie hat demzufolge bei der gemäß § 66 FPG vorzunehmenden Interessenabwägung die Dauer des Aufenthalts (bis zur Bescheiderlassung) von etwa sechseinhalb Jahren, die Unbescholtenheit und das Bestehen eines Freundes- und Bekanntenkreises sowie die Tätigkeit des Beschwerdeführers als Zeitungsausträger, bei der er seinen Angaben im Verwaltungsverfahren zufolge zwischen EUR 400,- und EUR 800,-
verdiene, berücksichtigt. Zu Letzterem verwies die belangte Behörde aber auch darauf, dass der Beschwerdeführer bis die Grundversorgung des Landes Steiermark als Asylwerber in Anspruch genommen habe. Weiters relativierte die belangte Behörde die Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers dahin, dass jedenfalls bei seiner niederschriftlichen Befragung die Beiziehung eines Dolmetschers erforderlich gewesen sei. Entgegen der Darstellung in der Beschwerde war im Verwaltungsverfahren auch noch keine Rede davon, dass der Beschwerdeführer seit einiger Zeit eine Freundin habe. Dieses Vorbringen - abgesehen davon, dass es in dieser wenig konkreten Form auch keine maßgebliche Verstärkung der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich darzutun vermag - verstößt somit gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot. Die Unterlassung der Vernehmung dieser Freundin stellt daher - anders als die Beschwerde meint - auch keinen Verfahrensmangel dar.
Vor diesem Hintergrund kann der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, wenn sie die Ausweisung des Beschwerdeführers zur Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens für dringend geboten erachtete. Es trifft nämlich im Sinn der Ausführungen im angefochtenen Bescheid zu, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das schon genannte Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0465). Gegen diese Normen verstoßen Fremde, die - wie der Beschwerdeführer - illegal einreisen und nach Abweisung des unberechtigten Asylantrages in Österreich unrechtmäßig verbleiben, was nach dem eben Gesagten eine maßgebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen darstellt.
Demgegenüber erreichen die vom Beschwerdeführer angesprochenen integrationsbegründenden Elemente aber nicht ein derartiges Gewicht, dass der Verstoß gegen die Fremdenrechtsordnung im Hinblick auf seine persönlichen Interessen akzeptiert werden müsste. In diesem Zusammenhang ist - mit der belangten Behörde - vor allem darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer auf Grundlage der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung, die ihm während des Asylverfahrens zugekommen war, nicht damit rechnen durfte, er werde dauernd in Österreich verbleiben können, was das Gewicht der in diesem Zeitraum erlangten Integration entscheidend relativiert (siehe dazu des Näheren mit weiteren Judikaturnachweisen zuletzt das Erkenntnis vom , Zlen. 2010/21/0471 bis 0475, mwH). Im vorliegenden Fall wird im Übrigen durch die Ausweisung nicht in ein Familienleben, sondern nur in das Privatleben des Beschwerdeführers eingegriffen. Insgesamt liegen daher keine derart außergewöhnlichen Umstände vor, dass dem Beschwerdeführer - auch insoweit ist die Begründung im angefochtenen Bescheid zutreffend - ein direkt aus Art. 8 EMRK ableitbares Aufenthaltsrecht zugestanden werden müsste.
Die Beschwerde vermag somit die Richtigkeit der von der belangten Behörde vorgenommenen Interessenabwägung nicht erfolgreich in Frage zu stellen. Es gelingt ihr aber auch nicht, in diesem Zusammenhang einen relevanten Begründungsmangel darzutun.
Dem diesbezüglichen Beschwerdevorbringen ist zunächst zu erwidern, dass Verweise in der Begründung eines Berufungsbescheides auf Ausführungen des erstinstanzlichen Bescheides zulässig sind. Davon unberührt bleibt die Verpflichtung der Berufungsbehörde, sich darüber hinaus mit konkretem Berufungsvorbringen auseinanderzusetzen (vgl. unter vielen nur das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2009/21/0172, mwN). Dem ist die belangte Behörde - von der Beschwerde unbestritten - aber ohnehin nachgekommen. Insbesondere ist sie auf das Berufungsvorbingen zu einer aus den im Asylverfahren geltend gemachten Gründen noch aufrechten Bedrohung und zum Fehlen einer ausreichenden Existenzgrundlage in Nigeria eingegangen. Der behördlichen Schlussfolgerung, der Beschwerdeführer werde angesichts des Aufenthalts seiner Eltern und seiner Schul- und Berufsausbildung (als Friseur) bei einer Rückkehr nach Nigeria wieder "Fuß fassen können", tritt die Beschwerde aber gar nicht entgegen. Dass eine (in der Beschwerde auch nur mehr im Rahmen der Sachverhaltsdarstellung angesprochene) Bedrohungssituation im Heimatstaat nicht im Ausweisungsverfahren zu prüfen ist, entspricht im Übrigen der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. beispielsweise zuletzt das Erkenntnis vom , Zl. 2010/21/0147, mwN).
Soweit schließlich in der Beschwerde die Unterlassung der Einvernahme des Beschwerdeführers gerügt wird, übersieht sie einerseits, dass eine solche Befragung ohnehin im erstinstanzlichen Verfahren durchgeführt wurde, und andererseits, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes im fremdenrechtlichen Administrativverfahren vor der Sicherheitsdirektion kein Recht auf eine (mündliche) Berufungsverhandlung und auch kein Recht darauf besteht, von der Behörde mündlich gehört zu werden (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0149, mwN). Schließlich wird aber in der Beschwerde auch nicht ausreichend aufgezeigt, welche entscheidungswesentlichen Fakten bei einer solchen Vernehmung hervorgekommen wären.
Zusammenfassend ergibt sich somit, dass die Beschwerde unbegründet ist. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der in der Beschwerde beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
TAAAE-81399