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VwGH vom 25.02.2020, Ra 2019/03/0127

VwGH vom 25.02.2020, Ra 2019/03/0127

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien in 1010 Wien, Rotenturmstraße 13, gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Wien vom , VGW- 172/092/8141/2018-6, betreffend die Anerkennung einer Ausbildungsveranstaltung für Rechtsanwälte (Mitbeteiligter:

Mag. M L, vertreten durch Kiechl Schaffer Rechtsanwalts GmbH in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 85/5), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Antrag der revisionswerbenden Partei, den Mitbeteiligten zum Kostenersatz zu verpflichten, wird abgewiesen.

Begründung

1 Mit Eingabe vom beantragte der Mitbeteiligte bei der Rechtsanwaltskammer (RAK) Wien die Anerkennung eines von ihm besuchten Universitätskurses "Modern Management - Financial Business Management" als Ausbildungsveranstaltung für Rechtsanwaltsanwärter.

2 Mit Bescheid vom wies die Abteilung IIb des Ausschusses der RAK Wien den Antrag ab.

3 Die dagegen erhobene Vorstellung des Mitbeteiligten wies der Ausschuss der RAK Wien (Plenum) mit Bescheid vom ab.

4 Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien (VwG), die mit dem angefochtenen Beschluss mangels tauglichen Anfechtungsgegenstands zurückgewiesen wurde. Die Revision erklärte das VwG für nicht zulässig. 5 Begründend führte das VwG aus, dem im Verwaltungsakt einliegenden Beschlussprotokoll der am stattgefundenen Sitzung des Ausschusses der RAK Wien (Plenum) sei zu entnehmen, dass die "Vorstellungsreferentin" zunächst die Vorstellung des Mitbeteiligten referiert und sodann den Antrag gestellt habe, der Vorstellung keine Folge zu geben. Sie habe auch angegeben, die Begründung im Hinblick auf (im Bescheid zitierte) Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes abzuändern. Die wesentliche Begründung dieser höchstgerichtlichen Erkenntnisse sei im Protokoll zusammengefasst ausgeführt worden. Abschließend sei die Genehmigung durch den Ausschuss vermerkt worden. Dass Sachverhaltsmomente von der "Vorstellungsreferentin" vorgetragen und von der Beschlussfassung im Ausschuss erfasst gewesen wären, sei dem Protokoll nicht zu entnehmen. Der bekämpfte Bescheid enthalte in seiner Begründung (über) drei Seiten Sachverhaltsfeststellungen, wobei nicht ersichtlich sei, dass diese Begründungsmomente (angenommener Sachverhalt) von der Willensbildung des Ausschusses der RAK Wien umfasst gewesen seien. Da die an den Mitbeteiligten ergangene Erledigung vom - wie dargelegt - nicht von einer entsprechenden Willensbildung getragen gewesen sei, könne sie ungeachtet der Bezeichnung als "Bescheid" nicht als solcher qualifiziert werden und sei daher auch kein tauglicher Anfechtungsgegenstand vor dem VwG.

6 Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision des Ausschusses der RAK Wien, in der zur Zulässigkeit und in der Sache zusammengefasst geltend gemacht wird, das VwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil nach dieser lediglich die wesentliche - aber nicht die gesamte, finale - Begründung dem Kollegialorgan vorliegen müssen, damit eine entsprechende Willensbildung durch das Kollegialorgan möglich und rechtskonform sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe eine ausreichende Willensbildung nur "in ganz radikalen Fällen" verneint. Gegenständlich sei dem Kollegialorgan zum Zeitpunkt der Beschlussfassung sehr wohl eine ausreichende Begründung (jedenfalls in Grundsätzen und sogar in Details darüber hinausgehend) vorgelegen und es entspreche der ergangene Bescheid dem Willen des Kollegialorgans.

7 Der Mitbeteiligte hat zu dieser Revision mit Schriftsatz vom eine Revisionsbeantwortung erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

8 Die Revision ist zulässig und begründet.

9 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes

bedürfen Erledigungen eines Kollegialorganes (wie fallbezogen des Plenums des Ausschusses der RAK Wien) eines Beschlusses desselben. Üblicherweise erfolgt die Willensbildung einer Kollegialbehörde durch den Gesamtakt einer sich an die gemeinsame Erörterung der zu entscheidenden Angelegenheiten anschließenden Abstimmung. Die Willensbildung durch eine Kollegialbehörde umfasst nicht nur den Spruch, sondern auch den Inhalt und damit die wesentliche Begründung einer Erledigung (vgl. etwa , mwN).

10 Im vorliegenden Fall vermisst das VwG eine Erwähnung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts im Protokoll über die Beschlussfassung des Kollegialorgans und zieht daraus den Schluss, dass dieser Sachverhalt von der Willensbildung des Ausschusses der RAK Wien nicht erfasst gewesen sei.

11 Dem vermag der Verwaltungsgerichtshof aus folgenden Gründen nicht zuzustimmen:

12 Dem Protokoll der Beschlussfassung des Ausschusses der RAK Wien ist zunächst zu entnehmen, dass die mit der Bearbeitung des Falles betraute Referentin die Vorstellung des Mitbeteiligten referierte und den Antrag stellte, der Vorstellung keine Folge zu geben. Sie legte gleichzeitig dar, dass die Begründung des - mit Vorstellung - bekämpften Bescheides der Abteilung IIb des Ausschusses (die dahingehend gelautet hatte, dass Lehrgänge in postsekundären Bildungseinrichtungen grundsätzlich nicht angerechnet werden könnten) im Hinblick auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu grundlegend das Erkenntnis ) abgeändert werden müsse. Der ausdrücklich in das Protokoll aufgenommene Hinweis, dass nach dieser Rechtsprechung Ausbildungsveranstaltungen anzuerkennen seien, die ein breit gestreutes Grundlagenwissen (auch nur in Teilbereichen) des Zivil- und Strafrechts oder des öffentlichen Rechts anbieten, soweit die dort vermittelten Inhalte nicht nur punktuelles Detailwissen zu einzelnen Rechtsfragen darstellen, sondern diese Rechtsfragen in einen für den Auszubildenden nachvollziehbaren Zusammenhang gestellt werden und damit ein repräsentativer Querschnitt über die maßgeblichen Rechtsfragen dieses Fachgebiets geliefert werden, zeigt hinreichend deutlich, in welche Richtung die Überlegungen der Referentin und damit auch des gesamten Kollegialorgans gegangen sind. Der Mitbeteiligte hatte in seiner Vorstellung nämlich vorgebracht, dass die von ihm besuchte Ausbildungsveranstaltung nicht nur ein breites Grundlagenwissen der Betriebswirtschaftslehre, sondern anhand der zahlreichen Fallbeispiele auch entsprechende praktische Fähigkeiten vermittelt habe, die der Rechtsberatung, Rechtsdurchsetzung und dem Abfassen von Schriftsätzen und Verträgen, insbesondere auf dem Gebiet des Unternehmensrechts, dienlich seien. Im Plenum des Ausschusses der RAK Wien wurde die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hingegen, wie das im Protokoll der Ausschusssitzung wiedergegebene Zitat aus der höchstgerichtlichen Judikatur erkennen lässt, dahingehend verstanden, dass die Ausbildungsveranstaltung im Hinblick auf die Vorbereitung der Rechtsanwaltsprüfung einen Bezug zu Rechtsfragen herstellen müsse (wie sich auch aus der ausgefertigten Begründung des Bescheides vom ergibt).

13 Wenn das VwG in Zweifel zieht, dass dem Kollegialorgan bei dieser Beurteilung der zugrundeliegende Sachverhalt bekannt gewesen sei, so vermag der Verwaltungsgerichtshof diese Einschätzung schon deshalb nicht zu teilen, weil der Sachverhalt, nämlich die Inhalte der Ausbildungsveranstaltung "Modern Management - Financial Business Management", im Wesentlichen unstrittig war und lediglich die Schlussfolgerungen daraus, nämlich die Frage, ob und in welchem Umfang es für die Anerkennung als Ausbildungsveranstaltung für Rechtsanwaltsanwärter auf einen Bezug zu Rechtsfragen ankam, vom Mitbeteiligen einerseits und dem Plenum des Ausschusses der RAK Wien andererseits unterschiedlich gezogen wurden.

14 Der Verwaltungsgerichtshof teilt daher die Rechtsansicht des VwG, dass ihm kein tauglicher Anfechtungsgegenstand vorgelegen sei, nicht, weshalb die darauf gestützte Zurückweisung der Beschwerde des Mitbeteiligten keinen Bestand haben kann. 15 Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. 16 Der Antrag der revisionswerbenden Partei, den Mitbeteiligten zum Kostenersatz zu verpflichten, war gemäß § 47 Abs. 4 VwGG abzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019030127.L00
Schlagworte:
Spruch und Begründung

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