VwGH vom 22.09.2011, 2008/18/0472
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des K R in W, vertreten durch Dr. Michael Vallender, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Paulanergasse 14, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/69.314/2008, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ausgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei 1999 nach Österreich gelangt und habe am einen Asylantrag gestellt, welcher (am erstinstanzlich und) am in zweiter Instanz rechtskräftig abgewiesen worden sei. Seit sei der Beschwerdeführer im Bundesgebiet mit Hauptwohnsitz gemeldet.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass sich der Beschwerdeführer nach rechtskräftig negativem Abschluss seines Asylverfahrens unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, woran auch die Stellung von Anträgen auf Erteilung einer humanitären Aufenthalts- bzw. Niederlassungsbewilligung nichts ändere, und die Voraussetzungen zur Erlassung einer Ausweisung gegeben seien.
Im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 66 FPG legte die belangte Behörde dar, der Beschwerdeführer sei weder verheiratet noch für Kinder sorgepflichtig und berufe sich auf zahlreiche Bindungen zu österreichischen und indischen Staatsangehörigen im Inland sowie die Ausübung einer erlaubten Beschäftigung seit sieben Jahren, das Vorhandensein einer angemessenen Unterkunft und darauf, dass er krankenversichert sei. Es sei daher von einem mit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme einhergehenden durchaus erheblichen Eingriff in das "Privat- und Familienleben" des Beschwerdeführers auszugehen. Allerdings wirke die Tatsache, dass er sich seit rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens unrechtmäßig in Österreich aufgehalten habe, wesentlich interessenmindernd, und werde die aus der Aufenthaltsdauer allfällig ableitbare Integration in ihrem Gewicht auch dadurch deutlich reduziert, dass der gesamte Aufenthalt bis dahin nur infolge eines nicht erfolgreichen Asylantrages berechtigt gewesen sei. Die auf Grund seiner Beschäftigung allenfalls ableitbare Integration sei relativiert, weil der Beschwerdeführer lediglich als geringfügig beschäftigter Tagelöhner wenig (nur 188 Tage in den letzten drei Jahren) gearbeitet habe. Die falsche Bestätigung über den in der Stellungnahme noch behaupteten Werkvertrag als Zeitungszusteller mit einem Gesamteinkommen von rund EUR 820,-- netto monatlich habe er zugestanden, gekauft und damit unrichtige Angaben im Sinn des § 60 Abs. 2 Z. 6 FPG gegenüber einer österreichischen Behörde gemacht zu haben. Bindungen zu in Österreich lebenden Personen seien zwar pauschal vorgebracht worden, doch fehle jegliche Konkretisierung, sodass ihnen keine entscheidende Erheblichkeit zur Verstärkung der Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet zugesprochen werden könne.
Der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der geordneten Abwicklung des Fremdenwesens gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ein sehr hoher Stellenwert zu. Diese Regelungen habe der Beschwerdeführer angesichts der Tatsache, dass er sich bereits über einen durchaus erheblichen Zeitraum unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und längst ausreisen hätte müssen, in äußerst gravierender Weise missachtet. Daher seien die vorhandenen gegenläufigen privaten Interessen jedenfalls nicht höher zu bewerten als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet. Der mit der Ausweisung verbundene Eingriff in das "Privat- und Familienleben" des Beschwerdeführers werde in seinem Gewicht durch die Dauer und Beharrlichkeit des illegalen Aufenthaltes in jedem Falle aufgewogen. Die Interessenabwägung habe daher kein Überwiegen der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet gegenüber den öffentlichen Interessen an der Beendigung seines Aufenthaltes ergeben, weshalb ohne Zweifel die Erlassung der Ausweisung dringend geboten und sohin zulässig im Sinn des § 66 FPG sei.
Besondere Umstände, die die Behörde zu einer Abstandnahme von der Ausweisung im Rahmen des gemäß § 53 Abs. 1 FPG eingeräumten Ermessens veranlassen hätten müssen, seien weder vorgebracht worden, noch könnten solche erkannt werden. Die Einbringung eines Antrages auf humanitären Aufenthalt stelle jedenfalls keinen besonderen Umstand in diesem Sinne dar.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Auf dem Boden der im angefochtenen Bescheid getroffenen und in der Beschwerde nicht bekämpften Ausführungen, dass der Asylantrag des Beschwerdeführers rechtskräftig abgewiesen worden sei und der Beschwerdeführer über keine Berechtigung zum Aufenthalt im Inland verfüge, begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.
1.2. Soweit die Beschwerde vorbringt, dass dem Beschwerdeführer nach wie vor die Möglichkeit zustünde, eine Aufenthaltsbewilligung im Rahmen der §§ 72 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009, zu erreichen, ist für den Beschwerdestandpunkt nichts gewonnen. Denn der bloße Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels kann den Aufenthalt im Bundesgebiet nicht legalisieren. Die Anhängigkeit eines Verfahrens über einen solchen Antrag steht der Erlassung einer Ausweisung nicht entgegen (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0947).
2.1. Die Beschwerde wendet sich auch gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde vorgenommenen Interessenabwägung und bringt vor, § 66 FPG sei nicht angewendet und der Beschwerdeführer sei nicht detailliert einvernommen worden. Er sei in den Arbeitsprozess vollständig und legal integriert, das daraus erzielte Einkommen stelle seine Lebensgrundlage dar und er verfüge auch über eine "arbeitsmarktpolitische Bewilligung" seit dem Jahr 2001. Es sei vollkommen ausgeschlossen, dass bei dieser beruflichen Integration und dem über neun Jahre andauernden durchgehenden Aufenthalt öffentliche Interessen gefährdet seien. Der Beschwerdeführer sei in diesem Zeitraum nicht mehr in seinem Herkunftsstaat gewesen und habe dort keine Chance, wirtschaftlich Fuß zu fassen. Die der belangten Behörde offenbar vorschwebenden generalpräventiven Gründe seien ohne Belang, und gemessen an der Gesamtdauer seines Aufenthalts von rund neun Jahren stelle der unrechtmäßige Aufenthalt von rund sechs Monaten keine derart schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, dass deshalb die privaten Interessen des Beschwerdeführers an seinem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet nicht höher zu bewerten seien als das für seine Ausweisung sprechende maßgebliche öffentliche Interesse.
2.2. Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.
Die belangte Behörde berücksichtigte im Rahmen der von ihr vorgenommenen Beurteilung nach § 66 FPG den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit 1999 und dessen - eingeschränkte - Beschäftigung als Tagelöhner. Die aus der Dauer seines inländischen Aufenthaltes resultierenden Interessen sind an Gewicht insoweit zu relativieren, als dieser Aufenthalt nur auf Grund eines Asylantrages, der sich in der Folge als unberechtigt herausstellte, erlaubt war und seit der rechtskräftigen Abweisung dieses Antrages am unrechtmäßig ist. Die belangte Behörde durfte auch berücksichtigen, dass die berufliche Integration durch die nur geringfügige Beschäftigung des Beschwerdeführers nicht in hohem Maß ausgeprägt ist, und er keinesfalls das in der vorgelegten gefälschten Bestätigung über einen Werkvertrag als Zeitungszusteller enthaltene Ausmaß über ein Gesamteinkommen von rund EUR 820,-- netto monatlich erreicht. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn die belangte Behörde trotz der damit verbundenen Sozialversicherung der beruflichen Tätigkeit des Beschwerdeführers kein derart ausschlaggebendes Gewicht beigemessen hat, um von der Erlassung der Ausweisung Abstand nehmen zu müssen.
Bei der Prüfung der Umstände des gegenständlichen Falls, inwieweit der Beschwerdeführer die in Österreich verbrachte Zeit dazu genutzt hat, sich sozial zu integrieren, zeigt sich fallbezogen, dass er - abgesehen von der bisherigen Dauer seines Aufenthaltes - auf keine seine persönlichen Interessen untermauernden Umstände verweisen kann. Bindungen zu in Österreich lebenden Personen wurden nur pauschal, ohne jegliche Konkretisierung vorgebracht, sodass ihnen eine entscheidende Erheblichkeit nicht zukommen konnte.
Die belangte Behörde nahm auch auf die eingeschränkte Beziehung des Beschwerdeführers zu seiner Heimat Bedacht und verwies zutreffend auf den Umstand, dass der Beschwerdeführer den Großteil seines Lebens dort verbrachte. Wenn sich nun die Beschwerde darüber hinaus darauf stützt, dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat keine Chance habe, wirtschaftlich Fuß zu fassen, ist darauf hinzuweisen, dass ein derartiges Vorbringen im Verwaltungsverfahren nicht erstattet wurde und somit eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung darstellt (§ 41 Abs. 1 VwGG).
Den aus diesen Gründen relativierten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht gegenüber, dass sich dieser trotz rechtskräftiger Abweisung seines Asylantrages weiterhin im Bundesgebiet aufhält und versucht hat, unter Vorlage einer gefälschten Einkommensbestätigung einen Aufenthaltstitel zu erlangen, was eine erhebliche Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften darstellt, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/18/0461 bis 0462, mwN). Dem Vorwurf des Beschwerdeführers, die belangte Behörde hätte bloß generalpräventive Gründe vorgeschoben, kann nicht gefolgt werden. Die Ansicht der belangten Behörde, dass § 66 FPG der Erlassung der Ausweisung nicht entgegenstehe, begegnet aber auch dann keinem Einwand, wenn man den behaupteten Besuch von Deutschkursen durch den Beschwerdeführer unterstellt.
3. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
SAAAE-81369