VwGH vom 25.06.2013, 2013/08/0035

VwGH vom 25.06.2013, 2013/08/0035

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde des P J in Wien, vertreten durch Mag. Franz Karl Juraczka, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Alser Straße 32/15, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. 2012-0566-9-003424, betreffend Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde gemäß § 24 Abs. 2 AlVG die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes vom 8. Juli bis zum und die Zuerkennung der Notstandshilfe vom bis zum widerrufen und das Arbeitslosengeld in Höhe von EUR 6.258,-- sowie die Notstandshilfe in Höhe von EUR 9.020,32 (insgesamt EUR 15.278,32) gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zurückgefordert.

Der Beschwerdeführer habe in seinem Antrag vom die Fragen 6 und 7 des bundeseinheitlichen Antragsformulars dahin beantwortet, er sei selbständig tätig gewesen, derzeit liege aber "keine Selbständigkeit" vor. Ab dem seien dem Beschwerdeführer Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erbracht worden. Am habe die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Prandaugasse (in der Folge: AMS) durch eine Überlagerungsmeldung des Hauptverbandes der Österreichischen Sozialversicherungsträger erfahren, dass der Beschwerdeführer vom bis in der Pensionsversicherung pflichtversichert gewesen sei.

Die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) habe rückwirkend die Pflichtversicherung des Beschwerdeführers nach dem GSVG vom bis zum festgestellt. Nach den Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 2010 und 2011 hätten die Einkünfte des Beschwerdeführers die relevante Versicherungsgrenze überschritten. Der Beschwerdeführer habe sich im April 2004 mit den freiberuflichen Tätigkeiten "Computerberatung, publizistische Tätigkeit, Projektmanagement" angemeldet und im Schreiben (an die SVA) vom angegeben, voraussichtlich die relevante Versicherungsgrenze nicht zu überschreiten. Sein Gewerbeschein "Dienstleistungen in der automatischen Datenverarbeitung" sei vom 1. Jänner bis zum und ab dem aufrecht gewesen. Der Beschwerdeführer habe bei seiner Antragstellung im Juli 2010 nicht bekannt gegeben, dass er ab 2004 selbständig tätig sei. Er habe seine Meldepflicht verletzt. Ihm sei die Möglichkeit der "Berichtigung der Pflichtversicherung infolge eines geänderten Einkommensteuerbescheides aufgezeigt" worden. Er sei aufgefordert worden, mit Unterlagen zu belegen, welche Tätigkeiten er in den Jahren 2010 und 2011 ausgeübt und welche Einnahmen er lukriert habe. Der Beschwerdeführer habe bestritten, im maßgeblichen Zeitraum einer selbständigen Tätigkeit nachgegangen zu sein, er habe aber weder in Bezug auf seine Einkommensteuerbescheide Veranlassungen getroffen noch der belangten Behörde irgendwelche Unterlagen vorgelegt.

Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2010 weise Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit in Höhe von EUR 8.473,73, der für das Jahr 2011 EUR 14.879,88 aus. In den gegenständlichen Leistungszeiträumen bestehe eine Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung (nach dem GSVG). Arbeitslosigkeit sei nicht gegeben. Der Leistungsbezug sei zu widerrufen. Der Beschwerdeführer habe nicht gemeldet, dass eine selbständige Tätigkeit vorliege. Die Leistungen seien zurückzufordern.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 24 Abs. 2 AlVG (idF BGBl. I Nr. 82/2008) ist die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes zu widerrufen, wenn die Zuerkennung gesetzlich nicht begründet war. Wenn die Bemessung des Arbeitslosengeldes fehlerhaft war, ist die Bemessung rückwirkend zu berichtigen.

Gemäß § 25 Abs. 1 AlVG (idF BGBl. I Nr. 104/2007) ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. Der Empfänger einer Leistung nach diesem Bundesgesetz ist auch dann zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn sich ohne dessen Verschulden auf Grund eines nachträglich vorgelegten Einkommensteuer- oder Umsatzsteuerbescheides ergibt, dass die Leistung nicht oder nicht in diesem Umfang gebührte; in diesem Fall darf jedoch der Rückforderungsbetrag das erzielte Einkommen nicht übersteigen.

Gemäß § 38 Abs. 1 AlVG sind die genannten Bestimmungen über das Arbeitslosengeld sinngemäß auf die Notstandshilfe anzuwenden.

Der für die Beurteilung der Arbeitslosigkeit - als eine der Voraussetzungen sowohl für den Anspruch auf Arbeitslosengeld (§ 7 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 AlVG) als auch für den Anspruch auf Notstandshilfe (§ 33 Abs. 2 iVm § 7 Abs. 2 AlVG) - maßgebliche § 12 Abs. 1 AlVG lautet:

"§ 12. (1) Arbeitslos ist, wer

1. eine (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) beendet hat,

2. nicht mehr der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliegt oder dieser ausschließlich auf Grund des Weiterbestehens der Pflichtversicherung für den Zeitraum, für den Kündigungsentschädigung gebührt oder eine Ersatzleistung für Urlaubsentgelt oder eine Urlaubsabfindung gewährt wird (§ 16 Abs. 1 lit. k und l), unterliegt und

3. keine neue oder weitere (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) ausübt."

Gemäß § 79 Abs. 94 AlVG ist § 12 Abs. 1 in der Fassung BGBl. I Nr. 104/2007 mit in Kraft getreten und gilt für nach dem Ablauf des geltend gemachte Ansprüche.

Eine aufrechte Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem GSVG schließt Arbeitslosigkeit nach § 12 Abs. 1 Z 2 AlVG jedenfalls aus (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/08/0038).

2.1. Die Beschwerde bringt vor, der Beschwerdeführer habe sein Gewerbe ruhend gemeldet und er sei nicht selbständig tätig gewesen. In einem gewissen Widerspruch dazu weist sie sodann darauf hin, er habe von Mai bis Dezember 2010 Einkünfte von EUR 100,-- und vom 1. Jänner bis zum Einkünfte von EUR 120,-- erzielt. Sämtliche Einkünfte aus dem Einkommensteuerbescheid würden "die Nichtbezugsperioden" (der Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung) betreffen. Die belangte Behörde habe das Einkommen des Beschwerdeführers nicht "verlässlich" festgestellt, sie sei von einer Meldepflichtverletzung ausgegangen, obgleich der Gewerbeschein ruhe. Sie habe den Beschwerdeführer nicht ausreichend darüber belehrt, dass er in dem Fall, dass er keine Unterlagen vorlege, mit einer Rückzahlung rechnen müsse. Durch die Unterlassung der Beischaffung des Einkommensteueraktes sei das Verfahren mangelhaft geblieben. Die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft habe die Pflichtversicherung des Beschwerdeführers rückwirkend auf die Einkommensteuerbescheide der Jahre 2010 und

2011 gestützt, "was ... in der Gesamtschau merkwürdig anmutet".

Der Beschwerdeführer habe auf Grund der Rückwirkung vorher keine Meldung abgeben können. Er habe zuvor praktisch kein relevantes Einkommen erzielt. Somit erscheine eine Meldepflichtverletzung insbesondere im Juli 2010 nicht möglich. Es sei "durchaus möglich, dass der Beschwerdeführer das Vorgehen der Behörde nicht wirklich durchschaut hat und offenbar noch eine Gelegenheit zur weiteren Stellungnahme zum weiteren Vorgehen erwartet hätte".

2.2. Dem ist zu entgegnen, dass der Beschwerdeführer nicht bestreitet, ab April 2004 selbständige Tätigkeiten (Computerberatung etc.) und zudem selbständige Tätigkeiten auf Grund des Gewerbescheines "Dienstleistungen in der automatischen Datenverarbeitung" ausgeübt zu haben. Mag der Beschwerdeführer sein Gewerbe vom bis auch ruhend gemeldet haben, so steht doch unbestritten fest, dass sein Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2010 Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit in Höhe von EUR 8.473,73 und der für das Jahr 2011 Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit in Höhe von EUR 14.879,88 ausweist. Mit diesen Einkünften hat der Beschwerdeführer - der zu Beginn seiner selbständigen Tätigkeiten nicht iSd § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG erklärt hat, dass seine Einkünfte die maßgebliche Versicherungsgrenze übersteigen werden und dessen Pflichtversicherung daher nach Vorliegen der Einkommensteuerbescheide rückwirkend festzustellen war - in den Jahren 2010 und 2011 die in Betracht kommende Versicherungsgrenze (§ 4 Abs. 1 Z 5 GSVG) überschritten.

Voraussetzung für eine Pflichtversicherung nach 2 Abs. 1 Z 4 GSVG ist, dass eine betriebliche Tätigkeit aufgenommen wurde und diese im zu beurteilenden Zeitraum (noch) vorliegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/08/0122, mwN). Die Aufnahme einer betrieblichen Tätigkeit, der die genannten Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit zugrunde liegt, hat der Beschwerdeführer nicht bestritten. Hat die selbständige Tätigkeit einmal begonnen, so reicht die bloße Behauptung, in den maßgeblichen Leistungszeiträumen nicht selbständig tätig gewesen zu sein, nicht aus. Es wäre daher am Beschwerdeführer gelegen - unabhängig vom behaupteten Ruhen seiner Gewerbeberechtigung, das eine von ihm tatsächlich (weiter) ausgeübte betriebliche Tätigkeit keineswegs ausschließt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/08/0186, mwN) - anhand der für eine Beendigung der betrieblichen Tätigkeit in Frage kommenden Kriterien ein substantiiertes Vorbringen zu erstatten, ab welchem Zeitpunkt und wie lange eine Unterbrechung derselben vorgelegen ist. Die Last der substantiierten Glaubhaftmachung für eine Beendigung liegt ausschließlich beim Versicherten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/08/0126 = VwSlg. 16791A/2005).

In Ermangelung eines entsprechenden Vorbringens - auch in der Beschwerde wurde ein solches nicht erstattet - hat die belangte Behörde zu Recht - unabhängig vom behaupteten Ruhen der Gewerbeberechtigung - in den gegenständlichen Leistungszeiträumen das Vorliegen einer die Arbeitslosigkeit ausschließenden Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung (nach 2 Abs. 1 Z 4 GSVG) angenommen. Da Arbeitslosigkeit sohin nicht vorlag (§ 12 Abs. 1 Z 2 AlVG), hat die belangte Behörde die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes bzw. der Notstandshilfe gemäß § 24 Abs. 1 AlVG iVm § 38 AlVG zutreffend widerrufen. Darüber hinaus war der Beschwerdeführer - ohne dass es auf eine Meldepflichtverletzung ankäme - gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, weil sich auf Grund eines nachträglich vorgelegten Einkommensteuerbescheides ergeben hat, dass die Leistung nicht gebührte.

3. Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

4. Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am