VwGH vom 22.02.2011, 2008/18/0463
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch sowie den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des PM, geboren am , vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/62.362/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 und § 63 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.
Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2003 in das Bundesgebiet gelangt sei und am einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - Ö, § 49 Abs 1 FrG" gestellt habe, welche von der Bundespolizeidirektion Wien (der Behörde erster Instanz) erteilt und in der Folge verlängert worden sei.
Am sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls nach den §§ 127, 128 Abs. 2, 130 zweiter Satz, erster Deliktsfall StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünfzehn Monaten, davon zehn Monate bedingt, rechtskräftig verurteilt worden. Die Entscheidungsgründe des in Rechtskraft erwachsenen Urteils seien der Beilage 1 zu entnehmen, welche einen Bestandteil des angefochtenen Bescheides bilde. (Dem Urteil liegt zugrunde, dass der Beschwerdeführer mit anderen im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Diebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, fremde bewegliche Sachen von Berechtigten der ÖB AG mit dem Vorsatz weggenommen hat, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, nämlich im Zeitraum vom bis in mehreren Angriffen vornehmlich DVD-Player, Espressomaschinen und Fernseher, weiters eine Digitalkamera und einen PC.)
Der Beschwerdeführer mache berufliche Bindungen zum Bundesgebiet geltend. Darüber hinaus lebten sein Vater, seine Stiefmutter, sein Bruder, seine Schwester mit deren Familie, seine Ehefrau und seine beiden Kinder (sieben und eineinhalb Jahre alt) in Österreich. Die Stiefmutter, der Bruder und die Schwester des Beschwerdeführers besäßen die österreichische Staatsbürgerschaft.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, aufgrund dieser Verurteilung könne kein Zweifel daran bestehen, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt sei.
Das dargestellte Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers beeinträchtige die öffentliche Ordnung und Sicherheit - hier: das öffentliche Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität - in erheblichem Ausmaß, sodass die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 61 und 66 FPG - im Grunde des § 60 Abs. 1 FPG gegeben seien.
Es sei von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers auszugehen. Dieser sei im Grunde des § 66 Abs. 1 FPG "zu bejahen", weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen sowie zum Schutz des Eigentums Dritter - dringend geboten sei. Der Beschwerdeführer habe durch sein strafbares Verhalten augenfällig dokumentiert, dass er nicht in der Lage bzw. nicht gewillt sei, die zum Schutz fremden Vermögens aufgestellten Normen einzuhalten. Aus diesem Grunde könne eine Verhaltensprognose für den Beschwerdeführer nicht positiv ausfallen.
Hinsichtlich der nach § 66 FPG erforderlichen Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass einer allfälligen aus dem bisherigen Aufenthalt des Beschwerdeführers ableitbaren Integration insofern kein entscheidendes Gewicht zukomme, als die für jegliche Integration erforderliche soziale Komponente durch sein strafbares Verhalten erheblich beeinträchtigt werde. Demgegenüber stehe das - hoch zu veranschlagende - öffentliche Interesse daran, dass er das Bundesgebiet verlasse und diesem fernbleibe.
Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf die Art und Schwere der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Straftaten könne von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des der Behörde zukommenden Ermessens Abstand genommen werden.
Was die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes betreffe, so erscheine die von der belangten Behörde vorgenommene Befristung als ausreichend. Im Hinblick auf das dargelegte Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers und seine aktenkundige Lebenssituation könne ein Wegfall des für die Erlassung dieser Maßnahme maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraumes erwartet werden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Aufgrund der unstrittig feststehenden rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünfzehn Monaten, davon zehn Monate bedingt, ist der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 zweiter Fall FPG erfüllt.
1.2. Die Beschwerde bestreitet auch nicht die der Verurteilung des Beschwerdeführers zugrunde liegenden (unter I.1. näher dargestellten) Straftaten. Aus diesem gravierenden Fehlverhalten des Beschwerdeführers resultiert eine schwerwiegende Gefährdung des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von Eigentumskriminalität (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0618, mwN), sodass die Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinen Bedenken begegnet.
Daran vermag auch das Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführer habe durch sein Verhalten "danach" bewiesen, dass er bereit und in der Lage sei, sich in Zukunft wohl zu verhalten, nichts zu ändern, ist doch der seit der Beendigung des strafbaren Verhaltens des Beschwerdeführers verstrichene Zeitraum noch viel zu kurz, um einen allfälligen Gesinnungswandel unter Beweis zu stellen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/18/0109, mwN).
2.1. Die Beschwerde bekämpft auch die von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung und bringt dazu im Wesentlichen vor, dass die belangte Behörde die engen Beziehungen und Bindungen des Beschwerdeführers zu Österreich nicht entsprechend berücksichtigt habe. Der Bruder und die Schwester des Beschwerdeführers - beide besäßen die österreichische Staatsbürgerschaft - lebten jeweils mit ihren Familien in Österreich. Auch die Ehefrau und die beiden Kinder des Beschwerdeführers hielten sich in Österreich auf. Alle drei verfügten über Aufenthaltstitel. Das ältere Kind des Beschwerdeführers besuche die Schule. In Serbien habe der Beschwerdeführer keine Familienangehörigen mehr. Er sei im Hotel A. beschäftigt und verdiene monatlich etwa EUR 900,-- netto. Bei der Tat, die zur angeführten Verurteilung geführt habe, handle es sich um eine einmalige Fehlleistung.
2.2. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.
Die belangte Behörde hat im Rahmen ihrer Interessenabwägung gemäß § 66 FPG den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit 2003 sowie die familiären Bindungen zum Vater, der Stiefmutter, dem Bruder, der Schwester, der Ehefrau und den Kindern des Beschwerdeführers berücksichtigt und ist zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers durch die aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliege.
Dem diesen privaten Interessen gegenüber stehenden öffentlichen Interesse an der Verhinderung von Eigentumskriminalität kommt zwar ebenfalls ein großes Gewicht zu. Im Hinblick auf die Umstände des vorliegenden Falles, insbesondere die engen familiären Bindungen des Beschwerdeführers zu seiner Ehefrau und seinen zwei minderjährigen Kinder, die alle über Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet verfügen, und dessen Berufstätigkeit, kommt jedoch den privaten Interessen des Beschwerdeführers ein so großes Gewicht zu, dass die Ansicht der belangten Behörde, dass die Auswirkungen der aufenthaltsbeendenden Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 FPG), vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt wird.
3. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das auf Ersatz von Umsatzsteuer gerichtete Mehrbegehren war abzuweisen, weil diese in dem Pauschalsatz bereits enthalten ist.
Wien, am
Fundstelle(n):
RAAAE-81339