VwGH vom 24.09.2019, Ra 2019/03/0055
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des H N in P, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom , Zl. LVwG-750594/8/Sr/CK, betreffend Waffenverbot (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Mandatsbescheid vom verhängte die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn über den Revisionswerber gemäß § 12 Abs. 1 Waffengesetz 1996 (WaffG) ein Waffenverbot, das mit Vorstellungsbescheid der Behörde vom bestätigt wurde.
2 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am als unbegründet ab. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.
3 Das Verwaltungsgericht stellte (unter anderem) fest, der Revisionswerber sei Choleriker und habe seine geschiedene Ehefrau des Öfteren mit näher bezeichneten anstößigen Kraftausdrücken beschimpft. Aussagen wie "dann erschieß i di" bzw. "i stich di ab" verwende er leichtfertig. Hinsichtlich seiner Wesenszüge sei der Revisionswerber unter anderem eifersüchtig, aggressiv, leicht reizbar und kontrollsüchtig. In der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht habe sich der Revisionswerber ruhig verhalten, die Angehörigen keines Blickes gewürdigt und relativ starr in Richtung des Vorsitzenden geblickt.
Seinem Sohn sei er vor einigen Jahren hinterher gelaufen und habe ihm dabei eine Hacke nachschmeißen wollen, was jedoch von seiner geschiedenen Ehefrau habe verhindert werden können. Bei einem weiteren, näher umschriebenen Zwischenfall habe der Revisionswerber seiner geschiedenen Ehefrau mit dem Erschießen ihres - von ihm vermuteten - neuen Partners gedroht. Am selben Tag hätten die Polizeibeamten die Waffen des Revisionswerbers sichergestellt. Im Zuge dessen sei auch eine verbotene Waffe (Stahlrute) im Sinne des § 17 Abs. 1 Z 6 WaffG sichergestellt worden. Das Verwaltungsgericht hielt fest, der Revisionswerber sei ein "Waffennarr" und leidenschaftlicher Jäger, der mit Waffen im Bett schlafe.
Der Revisionswerber sei mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis vom vom Vorwurf der Vergehen der gefährlichen Drohung und der Nötigung gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen worden. Hinsichtlich des Besitzes einer verbotenen Waffe sei über den Revisionswerber ein Bußgeld (Diversion gemäß § 199, 200 StPO) verhängt und das Verfahren eingestellt worden. Auch das Verfahren wegen gefährlicher Drohung bzw. beharrlicher Verfolgung sei von der Staatsanwaltschaft Ried im Innkreis am gemäß § 190 Z 2 StPO eingestellt worden.
4 Der festgestellte Sachverhalt ergebe sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, der Beschwerde und den Aussagen im Rahmen der mündlichen Verhandlung am . In seinen beweiswürdigenden Überlegungen ging das Verwaltungsgericht zusammengefasst von der Glaubwürdigkeit der Zeugenaussagen der geschiedenen Ehefrau und des Sohnes des Revisionswerbers aus. Ferner legte das Verwaltungsgericht seinen beweiswürdigenden Überlegungen auch die vom Revisionswerber in der Hauptverhandlung vor dem Landesgericht Ried im Innkreis getätigten Aussagen, die dem Akt beiliegenden Dokumente (wie das E-Mail des Rechtsvertreters vom mit dem Ersuchen an die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht, seinem Mandaten die Aussagen seiner Söhne nicht weiterzuleiten, um eine "Katastrophe" zu vermeiden), sowie die Sicherstellungsprotokolle der zuständigen Polizeiinspektion, zu Grunde.
5 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, dass all die Vorfälle ein Bild der Persönlichkeit des Revisionswerbers zeichnen würden, woraus dessen Aggressionspotential zu Tage trete. Es lägen im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes jedenfalls konkrete Tatsachen vor, die eine zukünftige Missbrauchsmöglichkeit im Hinblick auf die Rechtsgüter Leben, Gesundheit und fremdes Eigentum begründen und ein Waffenverbot rechtfertigen würden. Zudem falle der unerlaubte Besitz einer Stahlrute, die eine verbotene Waffe im Sinne des § 17 Abs. 1 Z 7 WaffG darstelle, bei der für die Verhängung eines Waffenverbotes anzustellenden Prognose entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Ungunsten des Revisionswerbers ins Gewicht, zumal dieses Fehlverhalten seine auffallende Sorglosigkeit im Umgang mit Waffen dokumentiere (Verweis auf ). Eine auffallende Sorglosigkeit des Revisionswerbers liege zudem durch das Schlafen mit Waffen im Bett vor, das bei dieser Entscheidung zusätzlich zu Ungunsten des Revisionswerbers ins Gewicht falle. In rechtlicher Hinsicht kam das Verwaltungsgericht zum Ergebnis, dass auf Grund dieser Tatsachen im Sinne einer Prognoseentscheidung eine qualifiziert rechtswidrige Verwendung von Waffen durch den Revisionswerber zu befürchten sei, weshalb das von der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht verhängte Waffenverbot zu bestätigen sei. 6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, der Verwaltungsgerichthof möge das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufheben. Zur Revisionszulässigkeit wurde unter anderem darauf hingewiesen, dass das Verwaltungsgericht in seiner Verhandlung lediglich zwei Zeugen (geschiedene Ehefrau und einen Sohn des Revisionswerbers), nicht aber den in der Verhandlung anwesenden Revisionswerber, der (in seiner Beschwerde) die gesamten ihm "von der Behörde vorgeworfenen Straftaten" gegenüber seiner früheren Ehefrau bestritten habe, einvernommen habe. Dadurch habe das Verwaltungsgericht gegen das Unmittelbarkeitsprinzip verstoßen und weiche damit von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (verwiesen wird auf Ra 20198/03/0131) ab. 7 Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht verwies in ihrem als Revisionsbeantwortung bezeichneten Schreiben lediglich auf die Begründung des Bescheides vom sowie auf das angefochtene Erkenntnis, ohne auf die Argumente der Revision konkret einzugehen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
8 Die Revision ist - im Hinblick auf den im Verfahren unterlaufenen relevanten Verfahrensmangel, auf den die Revision hinweist - zulässig und berechtigt.
9 § 12 Abs. 1 WaffG erlaubt es nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, im Interesse der öffentlichen Sicherheit bestimmten Menschen den Besitz von Waffen überhaupt zu verbieten (, mwN). Danach ist (zusammengefasst) für die Verhängung eines Waffenverbots entscheidend, ob der angenommene Sachverhalt "bestimmte Tatsachen" im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG begründet, ob also die Annahme gerechtfertigt ist, der Betroffene könnte durch missbräuchliches Verwenden von Waffen das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden. Hierbei ist nach dem dem WaffG allgemein innewohnenden Schutzzweck bei der Beurteilung der mit dem Besitz von Schusswaffen verbundenen Gefahr ein strenger Maßstab anzulegen. Schon ein einmaliger Vorfall vermag ungeachtet eines untadeligen Vorlebens die Verhängung eines Waffenverbots nach § 12 Abs. 1 WaffG zu rechtfertigen ().
10 Festzuhalten ist, dass die rechtliche Beurteilung des Verwaltungsgerichts auf der Basis des von ihm angenommenen Sachverhalts grundsätzlich diesen Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entspricht; insbesondere stellt etwa eine Bedrohung mehrerer Menschen mit dem Umbringen eine konkrete Tatsache im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG dar, die ein für die Beurteilung der Voraussetzungen eines Waffenverbotes relevantes Bild von der Persönlichkeit eines Menschen vermitteln kann und wegen des damit zu Tage getretenen Aggressionspotenzials ein Waffenverbot zu rechtfertigen vermag (vgl. etwa ).
11 Gerade im Fall widersprechender prozessrelevanter Behauptungen gehört es jedoch zu den grundlegenden Pflichten des Verwaltungsgerichts, dem in § 24 VwGVG verankerten Unmittelbarkeitsprinzip Rechnung zu tragen und sich als Gericht einen persönlichen Eindruck von der Glaubwürdigkeit von Zeugen bzw. Parteien zu verschaffen und insbesondere darauf seine Beweiswürdigung zu gründen. Steht der Aufnahme eines unmittelbaren Beweises kein tatsächliches Hindernis entgegen, darf sich das Verwaltungsgericht nicht mit einem mittelbaren Beweis zufrieden geben. Die Unmittelbarkeit in Hinblick auf die Aussage eines Zeugen (bzw. einer Partei) verlangt damit dessen Einvernahme vor dem erkennenden Verwaltungsgericht. Bei widersprüchlichen Zeugenaussagen ist es zur Wahrheitsfindung erforderlich, in konkreter Fragestellung die jeweiligen Aussagen des einen Zeugen den eine gegenteilige Position einnehmenden anderen Zeugen vorzuhalten (vgl. zum Ganzen , Rn. 11 mwN). Dies gilt im gleichen Maße für die jeweiligen Aussagen der Partei selbst.
12 Dieser Rechtslage hat das Verwaltungsgericht jedoch - wie die Revision zutreffend aufzeigt - nicht entsprochen:
Das Verwaltungsgericht hat zwar eine Verhandlung am durchgeführt, jedoch wie dem Verhandlungsprotokoll zu entnehmen ist dabei lediglich die frühere Ehefrau des Revisionswerbers und dessen Sohn einvernommen. Der - bei der Verhandlung anwesende - Revisionswerber selbst hingegen wurde ohne nähere Begründung weder zu den widersprechenden prozessrelevanten Behauptungen befragt noch verschaffte sich das Gericht einen persönlichen Eindruck von der Glaubwürdigkeit des Revisionswerbers selbst. Außer dem festgestellten Verhalten des Revisionswerbers während der mündlichen Verhandlung konnte das Verwaltungsgericht hinsichtlich seiner Aussagen lediglich mittelbar in Verweis auf die im Akt einliegenden Protokolle und Unterlagen beweiswürdigende Rückschlüsse ziehen.
Das zur Amtswegigkeit verpflichtete Verwaltungsgericht hat damit insbesondere dem Grundsatz der Unmittelbarkeit der Aufnahme der erforderlichen Beweise nicht entsprochen und sich derart auch keinen unmittelbaren Eindruck von dem Revisionswerber bzw. dessen Glaubwürdigkeit verschafft (vgl. erneut , Rn. 14).
13 Der Revisionswerber hat in seiner Beschwerde die von der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde der Verhängung des Waffenverbots zugrunde gelegten Taten bestritten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Verwaltungsgericht, hätte es sich im Rahmen der mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschafft, zu anderen Feststellungen und damit möglicherweise auch zu einem anderen rechtlichen Ergebnis hätte kommen können. Das angefochtene Erkenntnis war daher bereits aus diesem Grund, ohne dass auf das weitere Revisionsvorbringen einzugehen war, gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben (vgl. ).
14 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019030055.L00 |
Schlagworte: | Beweismittel Zeugen Beweismittel Zeugenbeweis Beweismittel Zeugenbeweis Gegenüberstellung Parteiengehör Unmittelbarkeit Teilnahme an Beweisaufnahmen Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Parteienvernehmung Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Unmittelbarkeitsprinzip Gegenüberstellungsanspruch Fragerecht der Parteien VwRallg10/1/2 |
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