VwGH vom 25.11.2010, 2008/18/0458
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des V F in W, geboren 1974, vertreten durch die Nemetz Nemetz Rechtsanwalts-KEG, 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 29, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/86.110/2007, betreffend Versagung eines Konventionsreisepasses, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Kamerun, vom auf Ausstellung eines Konventionsreisepasses gemäß § 94 Abs. 5 iVm § 92 Abs. 1 Z. 5 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, abgewiesen.
Der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom wegen des teils vollendeten, teils versuchten Verbrechens gemäß § 28 Abs. 2, Abs. 3 erster Fall und Abs. 4 Z. 2 SMG sowie § 15 StGB und des Verbrechens der kriminellen Organisation gemäß § 278a Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren rechtskräftig verurteilt worden. Er sei zumindest seit November 1998 als Suchtgiftverkäufer in Erscheinung getreten und habe zunächst Cannabiskraut und insgesamt sechs Kugeln Kokain an zwei namentlich bekannte Abnehmer verkauft. Anschließend sei er Mitglied einer weltweit agierenden, aus vorwiegend schwarzafrikanischen, vor allem nigerianischen Mitgliedern bestehenden kriminellen Organisation gewesen, die sich dem Verkauf von Suchtgiften, in erster Linie von Heroin und Kokain in Kugelform, gewidmet habe. Allein in Österreich hätten im Zuge der Operation "Spring" mindestens 70 Mitglieder dieser Organisation ausgeforscht werden können. Von allen Mitgliedern der Organisation sei das für die Endabnehmer bestimmte Suchtgift in Kugelform verpackt und anschließend verkauft worden. Der Beschwerdeführer sei über längere Zeit im Portionieren und Verpacken des Suchtgiftes eingeschult worden und habe ob seines diesbezüglichen Geschicks als einer der profiliertesten Suchtgiftverpacker gegolten. Innerhalb der kriminellen Organisation sei der Beschwerdeführer jedoch nicht nur für das Herstellen der Suchtgiftkugeln, sondern auch für das Bereitstellen falscher Dokumente, insbesondere von Reisepässen, für andere Organisationsmitglieder zuständig gewesen. Im Zuge einer Hausdurchsuchung am sei der Beschwerdeführer in Gesellschaft von drei weiteren Organisationsmitgliedern unmittelbar beim Verpacken von Heroin- und Kokainkugeln betreten worden. Dabei seien 11,7 Gramm Heroin und 53,6 Gramm Kokain, was etwa dem Doppelten der großen Menge im Sinn des § 28 Abs. 6 SMG entspreche, sowie ein Bargeldbetrag in der Höhe von S 88.000,-- (EUR 6.395,21), welcher aus Suchtgifterlösen stamme, sichergestellt worden.
Nach der Aktenlage sei der Beschwerdeführer am aus der Haft entlassen worden.
Solcherart habe die Erstbehörde zu Recht festgestellt, dass der in § 92 Abs. 1 Z. 5 FPG normierte Versagungstatbestand verwirklicht sei. Im Hinblick auf die Schwere seiner Straftat und die Erfahrungstatsache, dass bei Suchtgiftdelikten die Wiederholungsgefahr besonders groß sei, reiche vorliegend der seit der Haftentlassung verstrichene Zeitraum von etwas mehr als vier Jahren nicht aus, um die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr der Begehung weiterer derartiger Delikte als weggefallen oder auch nur entscheidend gemindert anzusehen. Der Suchtgifthandel stelle eine massive Bedrohung der Volksgesundheit und sohin eine Bedrohung der inneren Sicherheit der Republik Österreich dar. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer in schwerwiegender Weise bereits einmal in den länderüberschreitenden, organisierten Suchtgifthandel involviert gewesen sei, lasse den im § 92 Abs. 1 Z. 5 FPG normierten Versagungsgrund verwirklicht erscheinen.
Der begehrte Konventionsreisepass sei zu versagen gewesen, ohne dass der Behörde hiebei Ermessen zukomme. Die privaten Interessen des Beschwerdeführers hätten dabei unberücksichtigt zu bleiben.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 94 Abs. 1 FPG sind Konventionsreisepässe Fremden, denen in Österreich der Status des Asylberechtigten zukommt, auf Antrag auszustellen.
Gemäß § 94 Abs. 5 leg. cit. gelten für die Festsetzung der Gültigkeitsdauer und des Geltungsbereiches von Konventionsreisepässen sowie der Gültigkeitsdauer der Rückkehrberechtigung in Konventionsreisepässen die Bestimmungen des Anhanges der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge; im Übrigen gelten die §§ 88 Abs. 3 sowie 89 bis 93 leg. cit. Gemäß § 92 Abs. 1 Z. 5 leg. cit. ist die Ausstellung eines Fremdenpasses zu versagen, wenn durch den Aufenthalt des Fremden im Ausland die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet würde.
2. In der Beschwerde bleibt unbestritten, dass der Beschwerdeführer die im angefochtenen Bescheid festgestellten Straftaten begangen hat und deshalb mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von vier Jahren rechtskräftig verurteilt wurde.
Demnach hat der Beschwerdeführer zumindest zwischen November 1998 und Mai 1999 Cannabiskraut und Kokain verkauft, war Mitglied einer weltweit agierenden kriminellen Organisation, die in erster Linie gewerbsmäßig Heroin und Kokain in Kugelform verkaufte, und war im Rahmen dieser Organisation einer der profiliertesten Suchtgiftverpacker. Darüber hinaus war er für die Bereitstellung falscher Dokumente, insbesondere von Reisepässen, für andere Organisationsmitglieder zuständig. Bei seiner Betretung wurden 11,7 Gramm Heroin, 53,6 Gramm Kokain und Bargeld in der Höhe von S 88.000,-- (EUR 6.395,21), das aus Suchtmittelerlösen stammte, sichergestellt. Allein die bei der Betretung des Beschwerdeführers festgestellte Suchtgiftmenge entspricht etwa dem Doppelten der großen Menge im Sinn des § 28 Abs. 6 SMG, somit einer Menge, die geeignet ist, Gewöhnung hervorzurufen und in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen.
Entgegen der Beschwerdeansicht hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer auch nicht vorgeworfen, Dokumente gefälscht zu haben, sondern - in Übereinstimmung mit den Feststellungen im Urteil vom -, dass er für die Bereitstellung falscher Dokumente für andere Organisationsmitglieder zuständig gewesen sei. Dem zitierten Urteil ist auch nicht zu entnehmen, der Beschwerdeführer sei - wie die Beschwerde vorbringt - nur in untergeordneter Rolle in der Organisation tätig gewesen. In Anbetracht des gewerbsmäßigen Suchtgifthandels im Rahmen einer kriminellen Organisation über einen langen Zeitraum hinweg ist der seit Entlassung des Beschwerdeführers aus der Haft verstrichene Zeitraum - die in Haft verbrachte Zeit hat bei der Beurteilung des Wohlverhaltens außer Betracht zu bleiben - von etwa vier Jahren noch nicht lange genug, um die von ihm ausgehende Gefahr der Begehung weiterer Suchtgiftdelikte als weggefallen oder auch nur entscheidend gemindert anzusehen (vgl. etwa das zur insoweit ähnlichen Rechtslage nach dem FrG ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/18/0155).
Bei dieser Sachlage begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass für den Beschwerdeführer keine positive Verhaltensprognose erstellt werden könne und die im § 92 Abs. 1 Z. 5 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinen Bedenken. Daran vermag auch das Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführer habe nie selbst Kurierdienste übernommen, nichts zu ändern. Auch wenn er den Konventionsreisepass bei der Begehung der seiner Verurteilung zu Grunde liegenden Straftaten bisher nicht verwendet hat, ist dieser Umstand nicht von entscheidungswesentlicher Bedeutung. Ein Reisedokument würde einen (weiteren) Handel mit Suchtgift jedenfalls erleichtern (vgl. in diesem Zusammenhang etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/18/0204, mwN). Die Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation zum Zweck des gewerbsmäßigen Suchtgifthandels sowie das Bereitstellen von Reisedokumenten für Organisationsmitglieder stellt zweifelsohne eine Gefährdung der inneren Sicherheit der Republik Österreich dar.
3. Entgegen der Beschwerdeansicht geht aus dem angefochtenen Bescheid nicht hervor, die belangte Behörde sei von einer "maßgeblichen" Beteiligung des Beschwerdeführers an der kriminellen Organisation ausgegangen. Der in diesem Zusammenhang vorgebrachte vermeintliche Verfahrensmangel liegt daher nicht vor.
4. Der Behörde war bei ihrer Beurteilung kein Ermessen eingeräumt, das ein Absehen von der Versagung erlaubt hätte (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/18/0155, mwN). Es bestand daher auch kein Raum für die Berücksichtigung der in der Beschwerde genannten Umstände, dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet vollständig integriert sei, ein geregeltes Familienleben führe, eine Ausbildung abgeschlossen habe und im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit auch ins Ausland fahren müsse. Die diesbezügliche Verfahrensrüge geht somit ins Leere.
5. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
KAAAE-81324