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VwGH vom 29.02.2012, 2010/21/0241

VwGH vom 29.02.2012, 2010/21/0241

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde des O in N, vertreten durch Dr. Wolfgang Poleschinski, Rechtsanwalt in 8230 Hartberg, Raimund-Obendrauf-Straße 9, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 154.035/5-III/4/10, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, reiste am illegal nach Österreich ein und beantragte die Gewährung von Asyl. Das Bundesasylamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom gemäß § 7 Asylgesetz 1997 ab, stellte gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria zulässig sei, und wies diesen gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet aus. Dagegen erhob der Beschwerdeführer am Berufung, die er im Juni 2009 zurückzog.

Am hatte der Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerin L. geheiratet und mit ihr einen gemeinsamen Wohnsitz begründet.

Am beantragte der Beschwerdeführer die Ausstellung einer Daueraufenthaltskarte gemäß § 54 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG. Dabei berief er sich auf einen gemeinsamen Aufenthalt mit seiner österreichischen Ehefrau in Spanien, die dort (zum Teil in seiner Begleitung) zwischen Oktober 2008 und Mai 2009 ihr Freizügigkeitsrecht in Anspruch genommen habe.

Mit unbekämpft in Rechtskraft erwachsenem Bescheid vom wies die Bezirkshauptmannschaft Hartberg im Namen des Landeshauptmannes von Steiermark diesen Antrag gemäß § 57 NAG zurück. Begründend verneinte sie das Vorliegen der Voraussetzungen eines Freizügigkeitssachverhalts, sodass dem Antrag die im Gesetz normierten Voraussetzungen fehlten.

Am beantragte der Beschwerdeführer daraufhin die Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" gemäß § 44 Abs. 3 NAG zur Aufrechterhaltung seines Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK. Dabei berief er sich auf die am erfolgte Eheschließung mit der Österreicherin L., mit der er im gemeinsamen Haushalt in Österreich zusammenlebe.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom wies die belangte Behörde diesen Antrag gemäß § 44 Abs. 3 und § 44b Abs. 1 NAG zurück.

Begründend führte sie - soweit im vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung - aus, "mit Erkenntnis des Bundesasylamtes vom ", das "mit " in Rechtskraft erwachsen sei, sei über die Ausweisung des Beschwerdeführers nach Nigeria abgesprochen worden. Durch diese Entscheidung sei bereits eine Abwägung iSd Art. 8 EMRK durchgeführt worden, "die NAG-Behörden" seien an diese Entscheidung gebunden.

Bei den Ausführungen des Beschwerdeführers im vorliegenden Verfahren betreffend seine familiäre und persönliche Integration, weiters über den Erwerb von Deutschkenntnissen und das Vorliegen einer "Beschäftigungszusage" zur Darlegung künftiger wirtschaftlicher Selbsterhaltungsfähigkeit, handle es sich "lediglich um ein allgemeines Vorbringen und keine konkreten Angaben um einen maßgeblich geänderten Sachverhalt zu konkretisieren, der gemäß § 11 Abs. 3 NAG aber erforderlich wäre". Aus diesen Angaben sei "im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 NAG iVm Art. 8 EMRK" nicht erkennbar, dass in der Zeit ab dem (Entscheidung des Bundesasylamtes) ein maßgeblich geänderter Sachverhalt eingetreten wäre. Darüber hinaus habe die Sicherheitsdirektion Steiermark "mit der Stellungnahme vom festgestellt", dass eine Ausweisung auf Dauer zulässig erscheine, weil keine besonders zu berücksichtigenden neuen Tatsachen im Zuge der Antragstellung auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung vorgebracht worden seien. Folglich sei die im Asylverfahren verfügte rechtskräftige Ausweisung "im Zusammenhang mit Art. 8 EMRK rechtlich vertretbar".

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Soweit der Beschwerdeführer mit seinem Antrag auf Ausstellung einer Daueraufenthaltskarte vom (und die darin geltend gemachte Ausübung der Freizügigkeit durch seine Ehefrau) argumentiert, ist er darauf zu verweisen, dass hierüber bereits mit Bescheid vom rechtskräftig entschieden wurde. Dieser Antrag bildet keinen Bestandteil des vorliegend zu prüfenden angefochtenen Bescheides oder des diesem zu Grunde liegenden Verwaltungsverfahrens, das ausschließlich die Erledigung des am gestellten Antrages auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" gemäß § 44 Abs. 3 NAG zum Gegenstand hatte.

§ 44 Abs. 3 und § 44b Abs. 1 NAG samt Überschrift (in der hier maßgeblichen Fassung vor dem FrÄG 2011) lauten:

"Niederlassungsbewilligung - beschränkt

§ 44. …

(3) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen (§ 44a) oder auf begründeten Antrag (§ 44b), der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, eine quotenfreie 'Niederlassungsbewilligung - beschränkt' zu erteilen, wenn kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 vorliegt und dies gemäß § 11 Abs. 3 zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.

...

§ 44b. (1) Liegt kein Fall des § 44a vor, sind Anträge gemäß §§ 43 Abs. 2 und 44 Abs. 3 als unzulässig zurückzuweisen, wenn

1. gegen den Antragsteller eine Ausweisung rechtskräftig erlassen wurde, oder

2. rechtskräftig festgestellt wurde, dass eine Ausweisung bloß vorübergehend (§ 10 AsylG 2005,§ 66 FPG) unzulässig ist, oder

3. die Sicherheitsdirektion nach einer Befassung gemäß Abs. 2 in der Stellungnahme festgestellt hat, dass eine Ausweisung bloß vorübergehend unzulässig ist

und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt."

Mit der Zurückweisung des Antrages auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" ist nach dem letzten Halbsatz des § 44b Abs. 1 NAG (Z. 1) dann nicht vorzugehen, wenn im Hinblick auf - seit der rechtskräftigen Ausweisungsentscheidung eingetretene - maßgebliche Sachverhaltsänderungen eine neuerliche Beurteilung unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK erforderlich ist.

Unbestritten blieb, dass der Beschwerdeführer mit Bescheid des Bundesasylamtes vom aus dem Bundesgebiet ausgewiesen wurde.

Insoweit zutreffend hat auch die belangte Behörde die Ansicht vertreten, dass Sachverhaltsänderungen ab Dezember 2004 in die von ihr vorzunehmende Prüfung einzubeziehen seien.

Der Beschwerdeführer hat in seinem Antrag vom - entsprechend der ihm in § 44b Abs. 1 letzter Halbsatz NAG auferlegten Vorbringenslast (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/21/0142) - auf die Eheschließung mit der Österreicherin L. am , mit der er im gemeinsamen Haushalt lebe, verwiesen. Davon ist auch die belangte Behörde ausgegangen.

Auf dieser Grundlage hätte sie allerdings die in erster Instanz ausgesprochene Antragszurückweisung nicht bestätigen dürfen. Mit Zurückweisung nach § 44b Abs. 1 Z. 1 NAG darf nämlich - wie erwähnt - nur dann vorgegangen werden, wenn auf Grund des Antragsvorbringens eine Neubeurteilung im Hinblick auf Art. 8 EMRK nicht erforderlich ist. Ein maßgeblich geänderter Sachverhalt läge insoweit nur dann nicht vor, wenn die geltend gemachten Umstände von vornherein keine solche Bedeutung aufgewiesen hätten, die eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK geboten hätten. Nur in einem solchen Fall ist eine - der Sache nach der Zurückweisung wegen entschiedener Sache nachgebildete - Zurückweisung gemäß § 44b Abs. 1 Z. 1 NAG zulässig (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2011/22/0127, vom , Zl. 2011/22/0166, und vom , Zl. 2011/22/0210, jeweils mwN).

Davon kann hier insbesondere angesichts der erwähnten Eheschließung sowie der jahrelangen Ehegemeinschaft mit einer österreichischen Staatsbürgerin und dem seit Dezember 2004 verstrichenen Zeitraum allerdings nicht die Rede sein. Damit erweist sich die nach § 44b Abs. 1 Z. 1 NAG ausgesprochene Antragszurückweisung als rechtlich verfehlt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
PAAAE-81318