VwGH vom 25.02.2010, 2008/18/0436
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger, den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde der S in Wien, geboren am , vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/366.771/2007, betreffend Ausweisung gemäß § 54 Abs. 1 FPG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde die Beschwerdeführerin, eine bosnische Staatsangehörige, gemäß § 54 Abs. 1 Z. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.
Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zu Grunde, dass die Beschwerdeführerin mit einem Visum "C", gültig vom 3. bis , nach Österreich eingereist und seit durchgehend im Bundesgebiet gemeldet sei. In weiterer Folge habe sie eine Aufenthaltserlaubnis für den Aufenthaltszweck "Ausbildung, § 7 Abs. 4 Z. 1 FrG" bzw. "Studierende" bis erhalten, um an der Wirtschaftsuniversität Wien dem Studium der Wirtschaftswissenschaften (Zulassungsbescheid vom ) nachzugehen. (Am stellte die Beschwerdeführerin einen Verlängerungsantrag für den Aufenthaltszweck "Student".)
Am habe die Beschwerdeführerin die erforderliche Ergänzungsprüfung aus Deutsch abgelegt und in weiterer Folge zwei Prüfungen im Ausmaß zu je zwei Semesterstunden, die letzte davon am , erfolgreich abgelegt. Angesichts dieses Sachverhaltes gehe die Erstbehörde zu Recht von der Annahme aus, die Beschwerdeführerin sei nicht ausschließlich deshalb nach Österreich gekommen, um hier zu studieren. Jedenfalls habe sie kein Verhalten gesetzt, das den Schluss zuließe, ihr ausschließlicher Aufenthaltszweck sei die Absolvierung eines Studiums. Damit erfülle sie aber wesentliche Voraussetzungen für den von ihr begehrten Aufenthaltstitel nicht und verstoße gegen die für sie maßgebenden fremdenrechtlichen Regelungen, deren Einhaltung durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zukomme. Der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels stehe sohin der Versagungsgrund des § 11 Abs. 2 Z. 1 iVm Abs. 4 FPG (gemeint offenbar: NAG) entgegen. Damit lägen die Voraussetzungen des § 54 Abs. 1 Z. 2 FPG iVm § 64 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) vor. In einem solchen Fall könnten Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn dem nicht die Bestimmung des § 66 FPG entgegenstehe.
Die Beschwerdeführerin lebe seit ca. viereinhalb Jahren in Österreich und verfüge im Inland über familiäre Bindungen zu ihren Eltern. Es sei daher von einem mit der vorliegenden Maßnahme verbundenen Eingriff in ihr Privat- bzw. Familienleben auszugehen. Dessen ungeachtet sei aber die gegen die Beschwerdeführerin gesetzte fremdenpolizeiliche Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens - dringend geboten. Es laufe dem genannten öffentlichen Interesse grob zuwider, wenn sich ein Fremder durch die Vorgabe, in Österreich studieren zu wollen, den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet verschaffen könnte, tatsächlich jedoch außer der Ergänzungsprüfung aus Deutsch in sieben Semestern lediglich zwei Prüfungen (ohne Anrechnungen) erfolgreich absolviert habe.
Im Rahmen der nach § 66 Abs. 2 FPG erforderlichen Interessenabwägung sei auf den ca. viereinhalbjährigen inländischen Aufenthalt sowie die familiären Bindungen der Beschwerdeführerin Bedacht zu nehmen. Gleichzeitig sei aber zu berücksichtigen, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin von vornherein nicht auf Dauer, sondern ausschließlich auf den Zweck der Absolvierung eines Studiums gerichtet gewesen sei. Gerade diesen Aufenthaltszweck habe die Beschwerdeführerin aber dadurch unterlaufen, dass sie trotz mehr als dreijährigen "Studiums" keinen (wesentlichen) Studienerfolg nachweisen könne. Der aus ihrem inländischen Aufenthalt ableitbaren Integration könne somit kein entscheidendes Gewicht zugemessen werden. Vor diesem Hintergrund seien auch die familiären Bindungen der Beschwerdeführerin zu ihren Eltern zu relativieren.
Diesen - solcherart geschmälerten - privaten Interessen der Beschwerdeführerin stehe das genannte - hoch zu veranschlagende - öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens gegenüber. Bei Abwägung dieser Interessenlage sei die belangte Behörde zu der Auffassung gelangt, dass die Auswirkungen einer Ausweisung auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin keinesfalls schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme.
Vor diesem Hintergrund und im Hinblick darauf, dass keine besonderen, zu Gunsten der Beschwerdeführerin sprechenden Umstände vorlägen, habe ihr weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens in Kauf genommen werden können. Dass der Onkel der Beschwerdeführerin verstorben bzw. ihr Vater erkrankt sei, sei zwar sehr bedauerlich, es sei jedoch nicht erkennbar bzw. habe die Beschwerdeführerin nicht erklären können, weshalb sie seit dem Sommersemester 2007 (der Gesundheitszustand ihres Vaters habe sich ab Dezember 2006 verbessert) lediglich zwei Prüfungen - mit genügendem Erfolg - abgelegt habe.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerdeführerin verfügte unstrittig bisher über Aufenthaltstitel zum Zweck der Ausbildung bzw. des Studiums, zuletzt mit einer Gültigkeitsdauer bis . Da sich die Beschwerdeführerin infolge des am gestellten Verlängerungsantrages während eines Verlängerungsverfahrens im Bundesgebiet aufhält, kann sie gemäß § 54 Abs. 1 Z. 2 FPG mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegensteht.
Die mit "Studierende" überschriebene Bestimmung des § 64 NAG lautet:
"§ 64. (1) Drittstaatsangehörigen kann eine Aufenthaltsbewilligung für Studierende ausgestellt werden, wenn sie
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1. | die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und |
2. | ein ordentliches oder außerordentliches Studium an einer Universität, Fachhochschule oder akkreditierten Privatuniversität durchführen und im Fall eines Universitätslehrganges dieser nicht ausschließlich der Vermittlung einer Sprache dient. |
Eine Haftungserklärung ist zulässig. |
(2) Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit richtet sich nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz. Diese Erwerbstätigkeit darf das Erfordernis des Studiums als ausschließlicher Aufenthaltszweck nicht beeinträchtigen.
(3) Dient der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen der Durchführung eines ordentlichen oder außerordentlichen Studiums, ist die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung für diesen Zweck nur zulässig, wenn dieser nach den maßgeblichen studienrechtlichen Vorschriften einen Studienerfolgsnachweis der Universität, Fachhochschule oder akkreditierten Privatuniversität erbringt. Liegen Gründe vor, die der Einflusssphäre des Drittstaatsangehörigen entzogen, unabwendbar oder unvorhersehbar sind, kann trotz Fehlens des Studienerfolges eine Aufenthaltsbewilligung verlängert werden."
Gemäß der - im 1. Teil des NAG enthaltenen - Bestimmung des § 19 Abs. 2 letzter Satz hat der Fremde der Behörde die für die zweifelsfreie Feststellung seiner Identität und des Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel vorzulegen.
Nach § 19 Abs. 3 NAG ist der Bundesminister für Inneres ermächtigt, durch Verordnung festzulegen, welche Urkunden und Nachweise für den jeweiligen Aufenthaltszweck dem Antrag jedenfalls anzuschließen sind. Gemäß § 8 Z. 7 lit. b) der u.a. auf Grund dieser Verordnungsermächtigung erlassenen Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung - NAG-DV ist für eine "Aufenthaltsbewilligung - Studierender" im Fall eines Verlängerungsantrages dem Antrag ein schriftlicher Nachweis der Universität, Fachhochschule, akkreditierten Privatuniversität oder des Universitätslehrganges über den Studienerfolg im vorangegangenen Studienjahr, insbesondere ein Studienerfolgsnachweis gemäß § 75 Abs. 6 UG, anzuschließen.
Gemäß § 75 Abs. 6 UG hat die Universität einer oder einem ausländischen Studierenden ab dem zweiten Studienjahr auf Antrag der oder des Studierenden einen Studienerfolgsnachweis auszustellen, sofern sie oder er im vorausgegangenen Studienjahr positiv beurteilte Prüfungen im Umfang von mindestens 16 ECTS-Anrechnungspunkten (8 Semesterstunden) abgelegt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0381, mwN).
2. Die Beschwerde bestreitet nicht die Feststellungen im angefochtenen Bescheid, wonach die Beschwerdeführerin seit Beginn ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet lediglich die Ergänzungsprüfung aus Deutsch und zwei Prüfungen im Ausmaß von je zwei Semesterstunden erfolgreich abgelegt hat. Zusätzlich wurden der Beschwerdeführerin zwei Prüfungen im Ausmaß von ebenfalls je zwei Semesterstunden angerechnet. Ein Studienerfolg im Sinne des § 75 Abs. 6 UG über im vorausgegangenen Studienjahr positiv beurteilte Prüfungen im Umfang von mindestens 16 ECTS-Anrechnungspunkten (acht Semesterstunden) wurde unbestritten nicht nachgewiesen.
3. Die Beschwerde bringt im Wesentlichen vor, der Onkel der Beschwerdeführerin sei verstorben und ihr Vater sei an Tuberkulose erkrankt, weshalb sie "im Jahr 2006 tatsächlich Probleme mit dem Studium" gehabt habe. Nunmehr habe sie die Studienrichtung von Internationaler Betriebswirtschaft auf das Bachelorstudium Wirtschafts- und Sozialwissenschaften geändert. Erfolgsnachweise habe sie bereits vorgelegt, am habe sie eine weitere Prüfung erfolgreich abgelegt und damit einen Studienfortschritt nachgewiesen.
Selbst wenn man die für das Jahr 2006 vorgebrachten familiären Probleme berücksichtigen wollte, stellt dies keinen Umstand dar, der eine Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung gemäß § 64 Abs. 3 zweiter Satz NAG rechtfertigen könnte, hat die Beschwerdeführerin doch seit Ablegung der Ergänzungsprüfung in Deutsch im Oktober 2004 nur einen Erfolgsnachweis im Ausmaß von vier Prüfungen im Umfang von insgesamt 15 ECTS-Anrechnungspunkten erbracht. Auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid, wonach die Beschwerdeführerin nicht erklären habe können, warum sie seit Wegfall der familiären Probleme mit Ende 2006 lediglich zwei Prüfungen abgelegt habe, geht die Beschwerde nicht ein. Ein Vorbringen bezüglich Prüfungen, die erst nach Erlassung des angefochtenen Bescheides abgelegt wurden, unterliegt dem im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltenden Neuerungsverbot (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG).
Die belangte Behörde hat daher das Vorliegen der Erteilungsvoraussetzungen für den beantragten Aufenthaltstitel gemäß § 64 Abs. 3 NAG unter Vornahme der erforderlichen Abwägung zutreffend verneint. Sie ist zu Recht zu der Auffassung gelangt, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremden- (und Studien )Wesens gefährdet - was die Erteilung des weiteren Aufenthaltstitels hindert - und der Tatbestand des § 54 Abs. 1 Z. 2 FPG erfüllt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/18/0452, mwN).
4. Die - in der Beschwerde nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (insbesondere der Aufrechterhaltung der Ordnung und eines intakten Fremdenwesens) dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG i.d.F. vor der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 FPG), kann aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Bescheides nicht als rechtswidrig erkannt werden.
5. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
6. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
NAAAE-81294