VwGH vom 14.02.2013, 2013/08/0006
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des TP in Wien, vertreten durch Mag. Franz Karl Juraczka, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Alser Straße 32/15, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MA 40 - SR 15114/2012, betreffend Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG (mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse in 1101 Wien, Wienerbergstraße 15-19), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer gemäß § 67 Abs. 10 ASVG verpflichtet, der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse die rückständigen Sozialversicherungsbeiträge der P. GmbH in Höhe von EUR 1.309,16 zu bezahlen.
Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom sei die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der P. GmbH mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen worden. Damit sei die Uneinbringlichkeit der Sozialversicherungsbeiträge nachgewiesen. Über den Zeitraum vom bis zum habe bei der P. GmbH eine gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben stattgefunden. Der Beschwerdeführer sei handelsrechtlicher Geschäftsführer bzw. Abwickler der P. GmbH gewesen.
Am habe die P. GmbH betreffend den Dienstnehmer N. eine Änderung "von A 1 auf N 14, d.h. von Vollbeschäftigung als Arbeiter auf geringfügige Beschäftigung" rückwirkend ab gemeldet. Der mit der Lohnverrechnung befasste Steuerberater der P. GmbH, L., habe von dieser Änderungsmeldung nichts gewusst und den Dienstnehmer N. weiterhin "in A 1" geführt. N. habe - wie sich aus dessen niederschriftlicher Befragung vom ergebe - stets ein Entgelt über der Geringfügigkeitsgrenze erhalten. Die Änderungsmeldung sei falsch gewesen. Für die Nachverrechnung sei der Kollektivvertrag für das österreichische Hotel- und Gastgewerbe herangezogen worden. Auf Basis eines monatlichen Entgeltanspruches des N. von EUR 941,32 brutto im Jahr 2008 und von EUR 1.002,36 brutto im Jahr 2009 ergäbe sich - unter Berücksichtigung dessen, dass die Dienstnehmerbeitragsanteile vom Insolvenz-Entgeltsicherungs-Fonds bezahlt worden seien - für den Zeitraum von November 2008 bis zum Ende des Dienstverhältnisses des N. am die auch im Rückstandsausweis ersichtliche Beitragsforderung von EUR 1.309,16. Der Beschwerdeführer sei seit als handelsrechtlicher Geschäftsführer und in weiterer Folge als Abwickler der P. GmbH bis zu deren amtswegigen Löschung am zur selbständigen Vertretung der P. GmbH befugt gewesen.
Die Aussage des N. sei schlüssig und glaubwürdig und werde von der belangten Behörde im Rahmen der freien Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt. Dass nicht einmal der Steuerberater L. über die angebliche Änderung des Arbeitsverhältnisses des N. von einer Vollzeit- auf eine Teilzeitbeschäftigung gewusst habe, untermauere die Aussage des N., dass eine derartige Änderung tatsächlich nie stattgefunden habe. Es stehe fest, dass der mit dem 3. Nachtrag 07/11 vorgeschriebene Beitragsrückstand auf Meldeverstöße des Beschwerdeführers zurückzuführen sei. Der Beschwerdeführer habe keine Gründe dargelegt, die ihm ohne sein Verschulden gehindert hätten, die ihm obliegenden Verpflichtungen zu erfüllen. Er hafte gemäß § 67 Abs. 10 ASVG für die genannten Beitragsforderungen gegen die P. GmbH.
Mit Schreiben der belangten Behörde vom sei dem Vertreter des Beschwerdeführers die Stellungnahme der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse, der Rückstandsausweis sowie die Niederschrift des N. vor der Salzburger Gebietskrankenkasse zur Stellungnahme übermittelt worden. In seiner Stellungnahme vom habe der Vertreter des Beschwerdeführers vorgebracht, dieser habe sich zum in Untersuchungshaft befunden und sei erst durch den erstinstanzlichen Bescheid vom auf das Verfahren aufmerksam geworden. Die Aussage des N. über sein Einkommen werde in Abrede gestellt und es werde als Beweis "die Einvernahme des (Beschwerdeführers), die Einvernahme eines informierten Vertreters der JA W sowie die Einvernahme des Herrn N. beantragt".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften (u.a.) die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften berufenen Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 98/08/0191, 0192, VwSlg. 15.528 A/2000) gehört - nach der hier noch maßgeblichen Rechtslage vor der Novelle BGBl. I Nr. 62/2010 (SRÄG 2010) - zu den den Vertretern auferlegten Pflichten im Sinne des § 67 Abs. 10 ASVG nicht auch die allgemeine, die Vertreter der Beitragsschuldner gegenüber den Beitragsgläubigern treffende Pflicht, aus den von ihnen verwalteten Mitteln für die Abfuhr der Beiträge zu sorgen. Vielmehr sind unter den "den Vertretern auferlegten Pflichten" im Sinne dieser Gesetzesstelle im Wesentlichen die Melde- und Auskunftspflichten, soweit diese im § 111 ASVG iVm § 9 VStG auch gesetzlichen Vertretern gegenüber sanktioniert sind, sowie die in § 114 Abs. 2 ASVG (vgl. nunmehr § 153c Abs. 2 StGB) umschriebene Verpflichtung zur Abfuhr einbehaltener Dienstnehmerbeiträge zu verstehen. Ein Verstoß gegen diese Pflichten durch einen gesetzlichen Vertreter kann daher, sofern dieser Verstoß verschuldet und für die gänzliche oder teilweise Uneinbringlichkeit der Beitragsforderung kausal ist, zu einer Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG führen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/08/0212). Für nicht abgeführte, aber einbehaltene Dienstnehmeranteile bzw. für Beitragsausfälle, die auf schuldhafte Meldepflichtverletzungen zurückzuführen sind, haben die Geschäftsführer der Gesellschaft mit beschränkter Haftung ohne Bedachtnahme auf die Frage der Gleichbehandlung mit anderen Gläubigern und ohne Bedachtnahme auf die bei Fälligkeit oder bei tatsächlich erfolgter Lohnzahlung noch vorhandenen Mittel im Ausmaß der Uneinbringlichkeit dieser Beiträge grundsätzlich zur Gänze zu haften (vgl. nochmals das Erkenntnis VwSlg. 15.528 A/2000).
Die belangte Behörde hat auf Grund der ihr vorliegenden Beweisergebnisse schlüssige und nachvollziehbare Feststellungen über die Entgeltansprüche des N. gegenüber der P. GmbH und die daraus resultierenden Beitragsforderungen getroffen.
Diesen Feststellungen tritt der Beschwerdeführer in der Beschwerde lediglich verneinend entgegen. Er hat weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde ein konkretes Vorbringen über dieses Dienstverhältnis erstattet, insbesondere nicht darüber, in welchem Ausmaß der Zeuge N. ursprünglich bei der P. GmbH beschäftigt gewesen sein soll, welche Änderungen in diesem Beschäftigungsausmaß - seiner rückwirkenden Meldung entsprechend - ab dem eingetreten sein sollen, worauf diese Änderungen zurückzuführen wären und welche (anderen als die festgestellten) Entgeltansprüche der Zeuge N. gegenüber der P. GmbH seit diesem Zeitpunkt gehabt haben soll.
Die Beschwerde rügt, dass die belangte Behörde "einzig aus der unzureichenden Einvernahme des Zeugen N. im Vorverfahren" zu dem Schluss gekommen sei, dass Meldepflichten verletzt worden seien. Die belangte Behörde hätte N. "unter Beisein des Beschwerdeführers oder seines Vertreters ... zum ergänzenden Vorbringen" neuerlich befragen müssen, um zu klären, "welche Zahlungen tatsächlich geleistet wurden". Der Beschwerdeführer sei "zu diesem Thema" nicht befragt und der Unmittelbarkeitsgrundsatz verletzt worden.
Damit unterlässt es der Beschwerdeführer, der als Geschäftsführer über entsprechende Informationen verfügt haben muss und dies auch nicht in Abrede stellt (zur Mitwirkungspflicht wegen der "Nähe zum Beweis" vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/07/0159, mwN; zur Unzulässigkeit eines Erkundungsbeweises bzw. Ausforschungsbeweises in diesem Zusammenhang vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2009/09/0237, mwN, und vom , Zl. 2012/08/0200), einen konkreten, durch die von ihm angestrebten Einvernahmen zu beweisenden Sachverhalt zu bezeichnen, bei dessen Berücksichtigung ein anderer, für ihn günstiger Bescheid zu erwarten wäre. Er vermag damit die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht aufzuzeigen.
Der Rüge des Beschwerdeführers, der Zeuge N. sei nicht in seinem Beisein oder dem seines Vertreters neuerlich vernommen worden, ist zu erwidern, dass dem Verwaltungsverfahren die Grundsätze der Mündlichkeit wie auch der Unmittelbarkeit des Beweisverfahrens fremd sind. Auf Grund des Prinzips der Unbeschränktheit der Beweismittel (§ 46 AVG) kann die Behörde daher auch amtliche Niederschriften über die bereits vor der Unterbehörde, vor anderen Behörden, aber auch vor Gerichten erfolgten Einvernahmen von Zeugen dem Beweisverfahren zu Grunde legen. Die neuerliche Einvernahme von Zeugen ist nur zu neuem, für die Entscheidung wesentlichen Vorbringen der Parteien geboten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/08/0096). Widersprechende Beweisergebnisse, zu deren Abklärung allenfalls eine förmliche Zeugeneinvernahme erforderlich wäre, liegen in Anbetracht des Unterbleibens eines konkreten Vorbringens des Beschwerdeführers nicht vor (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/08/0202).
Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Angesichts der Erledigung der Beschwerde erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, ihr die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am