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VwGH 29.09.2016, 2013/07/0299

VwGH 29.09.2016, 2013/07/0299

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Norm
WRG 1959 §38 Abs1;
RS 1
Die Bewilligung nach § 38 Abs 1 WRG ist zu erteilen, wenn durch das Vorhaben weder öffentliche Interessen beeinträchtigt, noch wasserrechtlich geschützte Rechte Dritter verletzt werden (Hinweis E , 83/07/0028).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2000/07/0029 E RS 1
Normen
AVG §8;
VwRallg;
WRG 1959 §102 Abs1 litb;
WRG 1959 §12 Abs2;
WRG 1959 §38;
RS 2
In einem Bewilligungsverfahren nach § 38 WRG 1959 haben die Inhaber bestehender Rechte iSd § 12 Abs. 2 WRG 1959 Parteistellung gemäß § 102 Abs. 1 lit. b WRG 1959 und damit das Recht, Einwendungen zu erheben (vgl. E , 98/07/0042).
Normen
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
WRG 1959 §12 Abs2;
WRG 1959 §38 Abs1;
WRG 1959 §38 Abs3;
RS 3
Eine die Erteilung einer Bewilligung nach § 38 Abs. 1 WRG 1959 ausschließende Verletzung des Grundeigentums kommt nur dann in Betracht, wenn eine Liegenschaft durch die Auswirkungen einer durch das Projekt bedingten Änderung der Hochwasserabfuhr größere Nachteile im Hochwasserfall als zuvor erfahren würde, wobei als Beurteilungsmaßstab ein dreißigjährliches Hochwasser heranzuziehen ist (vgl. E , 2007/07/0126 = VwSlg. 18141A). Eine "nicht merkliche" Schädigung, somit eine so geringfügige Veränderung der Hochwasserverhältnisse, dass diese zu keiner gegenüber dem bisherigen Zustand erhöhten Beeinträchtigung von Liegenschaften führt (vgl. E , 2010/07/0027), bewirkt keinen größeren Nachteil zu Lasten des Grundeigentums in diesem Sinn.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger sowie die Hofrätin Dr. Hinterwirth und die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schubert-Zsilavecz, über die Revision des Ing. F K in N, vertreten durch Dr. Peter Kammerlander, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kalchberggasse 12, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom , Zl. ABT13-30.40-989/2013-5, betreffend wasserrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: A M in N, vertreten durch die Eisenberger & Herzog Rechtsanwalts GmbH in 8010 Graz, Hilmgasse 10), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1 1. Mit Eingabe vom beantragte der Mitbeteiligte bei der Bezirkshauptmannschaft Hartberg-Fürstenfeld (der Erstbehörde) die wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung einer Kompostieranlage auf dem Grundstück Nr. 1162, KG N., innerhalb der Grenzen eines Hochwasserabflussgebietes.

2 In dem Verfahren vor der Erstbehörde brachte der Revisionswerber (unter anderem) vor, nach vorgelegten Gutachten komme es (projektbedingt) zu einer Veränderung der Hochwasserabflusssituation (auch) bei HQ 30 in Form einer nicht mehr als geringfügig anzusehenden Wasserspiegelanhebung bei seinem Grundstück Nr. 526/6, KG U. Bei einem HQ 30 und einer Anstauung durch die geplante Anlage auf dem Grundstück Nr. 1162 sei mit einer wesentlichen Abschwemmung der Grundstücke des Revisionswerbers Nr. 526/6, KG U. (Feld), und Nr. 528/2, KG U. (Forstweg), zu rechnen.

3 2. Mit Bescheid vom wies die Erstbehörde den Antrag des Mitbeteiligten gemäß § 38 Abs. 1 Wasserrechtsgesetz 1959 - WRG 1959 ab.

4 Zur Begründung dieses Bescheides stützte sich die Erstbehörde maßgeblich auf eingeholte Gutachten eines wasserbautechnischen und eines landwirtschaftlichen Amtssachverständigen.

5 Befund und Gutachten des wasserbautechnischen Amtssachverständigen lauteten auszugsweise wie folgt:

"Zusammenfassung

Die hydraulischen Berechnungen haben gezeigt, dass die geplanten Baumaßnahmen, welche sich über einen Großteil des rechtsufrig überfluteten Vorlandes erstrecken und keine wesentliche Verdrängung der anströmenden Hochwasserereignisse HQ30 und HQ100 in das linke Vorland verursacht, sondern aufgrund des bestehenden muldenförmigen Bestandgeländes einen Aufstau im Norden und eine lagemäßige Verdrängung in den Westen verursacht. Somit kommen neben der errechneten Aufspiegelungen der Wasserspiegellagen auch zu lagemäßigen Veränderungen der Anschlaglinien.

(...)

Zusammenfassend wird aus wasserbautechnischer Sicht festgehalten, dass die anströmseitig auftretende Wasserspiegelanhebung bei HQ30 in der Größenordnung von max. 57 cm nicht mehr als geringfügig anzusehen ist.

(...)"

6 Nach dem Gutachten des landwirtschaftlichen Amtssachverständigen ergäben sich hinsichtlich des (im Eigentum des Revisionswerbers stehenden) Grundstücks Nr. 526/6, KG U., hinsichtlich der Stauhöhen Abweichungen nach Ausführung des geplanten Projekts etwa von +22 cm im Nord- und Südosten, +10 cm im nördlichen Bereich und von +11 cm im Südwesten. Diese Einstauhöhen würden durch die Projektverwirklichung verursacht. Bei einem "bisherigen HQ30-Ereignis" vor Projektausführung seien sie nicht vorhanden und deshalb als "substantielle Beeinträchtigungen zu betrachten".

7 Da aufgrund der Projektdurchführung im HQ30-Fall auf dem Grundstück Nr. 526/6, KG U., ein Überschwemmungsgebiet vorliegen werde, werde es durch die Abtragung von Feinsedimenten und durch die steigende Hochwasserwahrscheinlichkeit zu einer Bodenwertminderung und zu Ernteschäden kommen.

8 Rechtlich führte die Erstbehörde aus, dass sich nach den eingeholten Gutachten "bei einigen Grundstücken" erhebliche Auswirkungen und Beeinträchtigungen durch das geplante Projekt ergäben. Da für Anlagen gemäß § 38 WRG 1959 Zwangsrechte nicht eingeräumt werden könnten, könne eine wasserrechtliche Bewilligung nur mit Zustimmung aller betroffenen Grundeigentümer erteilt werden; diese habe der Mitbeteiligte als der Antragsteller aber nicht erzielen können.

9 3. Mit dem angefochtenen Bescheid vom gab der Landeshauptmann von Steiermark (die belangte Behörde) einer Berufung des Mitbeteiligten gegen den erstbehördlichen Bescheid Folge und erteilte dem Mitbeteiligten gemäß § 38 Wasserrechtsgesetz 1959 - WRG 1959 die beantragte wasserrechtliche Bewilligung. Weiters wurden mit dem angefochtenen Bescheid - soweit für das vorliegende Beschwerdeverfahren von Interesse - die Einwendungen des Revisionswerbers als unbegründet abgewiesen.

10 Zur Begründung stützte sich die belangte Behörde maßgeblich auf das von ihr eingeholte Gutachten eines - weiteren - wasserbautechnischen Amtssachverständigen, welcher mit der Beurteilung beauftragt worden war, ob durch das gegenständliche Vorhaben Auswirkungen auf das Grundeigentum der angrenzenden Grundstücke, darunter auch jene des Revisionswerbers, - nach dem Maßstab einer "merklichen Schädigung" (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/07/0082) - zu erwarten seien.

11 Der beauftragte Amtssachverständige gab zunächst das im erstbehördlichen Verfahren eingeholte wasserbautechnische Gutachten bis zu dessen (oben unter Punkt I.2. ersichtlichen) Zusammenfassung wieder, der zufolge die geplanten Baumaßnahmen, welche sich über einen Großteil des rechtsufrig überfluteten Vorlandes erstreckten und keine wesentliche Verdrängung der anströmenden Hochwasserereignisse HQ 30 und HQ 100 in das linke Vorland verursachten, aufgrund des bestehenden muldenförmigen Bestandgeländes einen Aufstau im Norden und eine lagemäßige Verdrängung in den Westen verursachten, sodass es neben der errechneten Aufspiegelung der Wasserspiegellagen auch zu lagemäßigen Veränderungen der Anschlaglinien komme.

12 Nach Wiedergabe einer bestimmten hydrotechnischen Untersuchung führte der Amtssachverständige "aus wasserbautechnischer Sicht" im Weiteren aus, durch eine Anhebung des Wasserspiegels im westlichen Bereich der geplanten Anlage im Wegbereich von max. 14 cm verlagere sich der Hochwassersabflussbereich in Richtung Westen um ca. 5 m bis 10 m. Im Randbereich des Hochwasserabflusses träten bedingt durch die geringe Wassertiefe und das geringe Gefälle sehr geringe Fließgeschwindigkeiten auf, die zum Rand hin auf null zurückgingen. Dadurch könne es im Randbereich zu keinem "merkbaren Bodenabtrag" kommen.

13 Der nördlich der Anlage errechnete Wasserspiegelanstieg von max. 57 cm wirke sich "max. auf eine Länge von ca. 25 m aus". Im westlichen Bereich der Anlage trete ein "rechnerischer Anstieg von 16 cm auf". Durch diesen Anstieg werde der Abflussbereich um ca. 5 bis 10 m verbreitert. Auch bedingt dadurch, dass die Breite des Hochwasserabflussbereiches ca. 200 m betrage und die Talbreite ca. 500 m, seien "aus fachlicher Sicht keine merkbaren Veränderungen zu erwarten".

14 Zusammenfassend könne festgehalten werden, dass die vorgesehenen Maßnahmen zur Hochwasserfreistellung der geplanten Kompostieranlage keine merkbaren Veränderungen der Hochwasserabflussbereiche und somit keine merkbaren Auswirkungen auf benachbarte Grundstücke erwarten ließen.

15 Diese Einschätzung hielt der Amtssachverständige auch nach Erstattung einer Stellungnahme des Revisionswerbers aufrecht:

16 Im Verhältnis zur gesamten Hochwasserabflussfläche sei die rechnerisch ermittelte betroffene Fläche "als insgesamt nicht merkbar anzusehen", was auch mit der Art der Bewirtschaftung des betroffenen Grundstückes zusammenhänge. Die Wassertiefe in diesem Bereich liege nämlich zwischen maximal 7 cm und 0 cm und ändere sich - so der wasserbautechnische Amtssachverständige - nach jedem Bearbeitungsschritt am Acker. Allein ein Befahren des Ackers mit schwerer Gerätschaft könne eine Verformung des Ackerbodens nach sich ziehen. Schon dies zeige, dass eine Erhöhung der Wassertiefe um maximal 7 cm in Hinblick auf die Gesamtsituation im Talbereich als nicht merkbar anzusehen sei.

17 In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde - gestützt auf dieses Gutachten des wasserbautechnischen Amtssachverständigen - aus, durch das beantragte Projekt seien keine "merklichen Schädigungen" im Sinn des erwähnten hg. Erkenntnisses zur Zl. 99/07/0082 durch eine Veränderung des Hochwasserabflusses auf angrenzende Grundstücke zu erwarten. Damit seien die Einwendungen des Revisionswerbers, der eine Beeinträchtigung der Substanz bzw. der Nutzungsmöglichkeiten seiner Grundstücke befürchte, widerlegt.

18 Die belangte Behörde lege ihrer Entscheidung das erwähnte Gutachten und nicht jenes "des wasserbautechnischen Amtssachverständigen" der Erstbehörde zugrunde, weil das zuletzt genannte Gutachten die wesentlichen Fragen, ob eine merkliche Beeinträchtigung von Grundstücken, insbesondere jener des Revisionswerbers, zu erwarten sei, nicht beantworte. "Nach Prüfung beider Gutachten" sei das im Berufungsverfahren eingeholte Gutachten "eindeutig als schlüssig anzusehen".

19 Das landwirtschaftliche Gutachten der Erstbehörde könne nicht im Verfahren vor der belangten Behörde "verwendet werden", weil es auf die "wasserbautechnischen Aussagen des wasserbautechnischen ASV" der Erstbehörde eingehe. Da eine merkliche Veränderung im Zuge eines Hochwasserereignisses - nach den schlüssigen Aussagen des im Berufungsverfahren beigezogenen Amtssachverständigen - nicht zu erwarten sei, könne auch keine Beeinträchtigung der landwirtschaftlichen Nutzung erfolgen; die Einholung eines landwirtschaftlichen Gutachtens sei daher nicht notwendig.

20 Die Voraussetzungen für die beantragte wasserrechtliche Bewilligung seien somit gegeben.

21 4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Revision iSd § 4 Abs. 1 zweiter Satz Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz - VwGbk-ÜG.

22 Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Ab- bzw. Zurückweisung der Revision beantragt. Auch der Mitbeteiligte hat eine Gegenschrift erstattet, in der er die Zurück-, in eventu Abweisung der Revision beantragt.

23 Der Revisionswerber hat auf diese Gegenschriften repliziert.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

24 1. Vorauszuschicken ist, dass für die Behandlung der vorliegenden Revision iSd § 4 Abs. 1 zweiter Satz VwGbk-ÜG gemäß § 4 Abs. 5 VwGbk-ÜG die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung (mit einer hier nicht in Betracht kommenden Ausnahme) gelten.

25 2. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes 1959 - WRG 1959, BGBl. Nr. 215/1959 idF BGBl. I Nr. 98/2013, lauten wie folgt:

"Grundsätze für die Bewilligung hinsichtlich öffentlicher Interessen und fremder Rechte.

§ 12. (...)

(2) Als bestehende Rechte im Sinne des Abs. 1 sind rechtmäßig geübte Wassernutzungen mit Ausnahme des Gemeingebrauches (§ 8), Nutzungsbefugnisse nach § 5 Abs. 2 und das Grundeigentum anzusehen.

(...)

Besondere bauliche Herstellungen.

§ 38. (1) Zur Errichtung und Abänderung von Brücken, Stegen und Bauten an Ufern, dann von anderen Anlagen innerhalb der Grenzen des Hochwasserabflusses fließender Gewässer oder in Gebieten, für die ein gemäß § 42a Abs. 2 Z 2 zum Zweck der Verringerung hochwasserbedingter nachteiliger Folgen erlassenes wasserwirtschaftliches Regionalprogramm (§ 55g Abs. 1 Z 1) eine wasserrechtliche Bewilligungspflicht vorsieht, sowie von Unterführungen unter Wasserläufen, schließlich von Einbauten in stehende öffentliche Gewässer, die nicht unter die Bestimmungen des § 127 fallen, ist nebst der sonst etwa erforderlichen Genehmigung auch die wasserrechtliche Bewilligung einzuholen, wenn eine solche nicht schon nach den Bestimmungen des § 9 oder § 41 dieses Bundesgesetzes erforderlich ist. Die Bewilligung kann auch zeitlich befristet erteilt werden.

(...)

(3) Als Hochwasserflussgebiet (Abs. 1) gilt das bei 30jährlichen Hochwässern überflutete Gebiet. Die Grenzen der Hochwasserabflußgebiete sind im Wasserbuch in geeigneter Weise ersichtlich zu machen.

(...)

Parteien und Beteiligte.

§ 102. (1) Parteien sind:

(...)

b) diejenigen, die zu einer Leistung, Duldung oder Unterlassung verpflichtete werden sollen oder deren Rechte (§ 12 Abs. 2) sonst berührt werden, sowie die Fischereiberechtigten (§ 15 Abs. 1) und die Nutzungsberechtigten im Sinne des Grundsatzgesetzes 1951 über die Behandlung der Wald- und Weidenutzungsrechte sowie besonderer Felddienstbarkeiten, BGBl. Nr. 103, sowie diejenigen, die einen Widerstreit (§§ 17, 109) geltend machen;

(...)"

26 3. Eine Bewilligung nach § 38 Abs. 1 WRG 1959 ist zu erteilen, wenn durch das Vorhaben weder öffentliche Interessen beeinträchtigt noch wasserrechtlich geschützte Rechte Dritter verletzt werden (vgl. etwa die Nachweise bei Bumberger/Hinterwirth, WRG2 E 40 zu § 38). Dementsprechend haben in einem Bewilligungsverfahren nach § 38 WRG 1959 die Inhaber bestehender Rechte im Sinn des § 12 Abs. 2 WRG 1959 Parteistellung gemäß § 102 Abs. 1 lit. b WRG 1959 und damit das Recht, Einwendungen zu erheben (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/07/0042).

27 Eine die Erteilung einer Bewilligung nach § 38 Abs. 1 WRG 1959 ausschließende Verletzung des Grundeigentums - wie sie der Revisionswerber im vorliegenden Fall im Verwaltungsverfahren behauptet hat - kommt nur dann in Betracht, wenn eine Liegenschaft durch die Auswirkungen einer durch das Projekt bedingten Änderung der Hochwasserabfuhr größere Nachteile im Hochwasserfall als zuvor erfahren würde, wobei als Beurteilungsmaßstab ein dreißigjährliches Hochwasser heranzuziehen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/07/0126 = VwSlg. 18.141A, mwN).

28 Eine "nicht merkliche" Schädigung, somit eine so geringfügige Veränderung der Hochwasserverhältnisse, dass diese zu keiner gegenüber dem bisherigen Zustand erhöhten Beeinträchtigung von Liegenschaften führt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/07/0027, unter Hinweis auf das von der belangten Behörde erwähnte hg. Erkenntnis zur Zl. 99/07/0082), bewirkt allerdings keinen größeren Nachteil zu Lasten des Grundeigentums in diesem Sinn.

29 4. Dem angefochtenen Bescheid, mit dem dem Mitbeteiligten eine wasserrechtliche Bewilligung gemäß § 38 Abs. 1 WRG 1959 erteilt wurde, liegt die - auf das Gutachten des im Berufungsverfahren beigezogenen wasserbautechnischen Amtssachverständigen gestützte - Auffassung zugrunde, dass bei Verwirklichung des beantragten Projektes auf den angrenzenden Grundstücken keine merklichen Schädigungen durch die Veränderung des Hochwasserabflusses zu erwarten seien.

30 5. Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde und bringt dazu (unter anderem) vor, im Bereich der im Grundeigentum des Revisionswerbers stehenden Grundstücke Nr. 1163/2, KG N., Nr. 526/6, KG U., sowie Nr. 528/2, KG U., ergäben sich infolge des beantragten Projekts Erhöhungen des Einstaues des Hochwassers.

31 So habe auch der im erstbehördlichen Verfahren beigezogene Amtssachverständige festgestellt, dass die Anlage das Hochwasser nach Westen abdränge und Änderungen im Liegenschaftsbereich des Revisionswerbers bewirke. Dieser Amtssachverständige habe in seiner - vom im Berufungsverfahren beigezogenen Amtssachverständigen übernommenen - Zusammenfassung u. a. ausgeführt, dass die geplanten Baumaßnahmen eine lagemäßige Verdrängung der anströmenden Hochwasserereignisse HQ 30 und HQ 100 in den Westen verursache, sodass es neben der errechneten Aufspiegelung der Wasserspiegellagen auch zu lagemäßigen Veränderungen der Anschlaglinien komme. So ergebe sich nach dem von der Erstbehörde eingeholten Gutachten hinsichtlich des Grundstückes Nr. 1163/2, KG N., eine maximale Wasserspiegelanhebung von 57 cm auf einer Fläche von rund 1.600 m2 und auf dem Grundstück Nr. 526/6, KG U., eine Erhöhung von 22 cm, jeweils bei HQ 30. Diese Wasserspiegelerhöhung hätte der im erstbehördlichen Verfahren tätig gewordene Amtssachverständige nicht mehr als geringfügig angesehen.

32 Die Beurteilungsgrundlagen des erstbehördlichen Verfahrens seien im Berufungsverfahren vor der belangten Behörde von dem dort tätigen Amtssachverständigen unverändert übernommen worden, wobei allerdings der Amtssachverständige des Berufungsverfahrens und der angefochtene Bescheid ohne ergänzende Erhebungen "zu nicht nachvollziehbaren Angaben und Beurteilungen" gelangt seien.

33 Zu den durch die Verdrängungswirkung im Westen nach dem im erstbehördlichen Verfahren eingeholten Gutachten erhöhten Wasserständen und den daraus behaupteten Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Nutzung (des Grundstückes Nr. 526/6, KG U.) verweist die Revision auf das im erstbehördlichen Verfahren eingeholte Gutachten eines landwirtschaftlichen Amtssachverständigen, der dementsprechende Nachteile und Belastungen mit Wertminderungswirkung festgestellt habe (welche einer Bewilligung nach § 38 WRG 1959 entgegenstünden). Dieses Gutachten sei durch das wasserbautechnische Gutachten des im Berufungsverfahren tätig gewordenen Amtssachverständigen nicht widerlegt worden, weil dieser keinesfalls die Auswirkungen aus den Veränderungen des Überschwemmungsereignisses auf die landwirtschaftliche Nutzung beurteilen könne. Die "Neigung" der belangten Behörde und des von ihr beigezogenen Amtssachverständigen darzulegen, dass aus fachlicher und rechtlicher Sicht "keine merkbaren Veränderungen" (zu Lasten des Grundeigentums des Revisionswerbers) zu erwarten seien, sei nicht nachvollziehbar.

34 6. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde im Ergebnis zum Erfolg:

35 6.1. Das gegenständliche Verwaltungsverfahren ist davon gekennzeichnet, dass die Erstbehörde - gestützt auf von ihr eingeholte Gutachten eines wasserbautechnischen und eines landwirtschaftlichen Amtssachverständigen - zu dem Ergebnis gelangt ist, dass durch die mit dem beantragten Projekt verbundenen Veränderungen des Hochwasserabflusses (zumindest) das im Eigentum des Revisionswerbers stehende Grundstück Nr. 526/6, KG U., durch Bodenwertminderung und zu erwartende Ernteschäden beeinträchtigt würde. Demgegenüber geht die belangte Behörde gestützt auf das von ihr eingeholte Gutachten eines - anderen - wasserbautechnischen Amtssachverständigen davon aus, dass es infolge des beantragten Projekts zu keinen "merklichen Schädigungen" (iSd unter Punkt II.3. Gesagten) durch eine Veränderung des Hochwasserabflusses auf angrenzende Grundstücke kommen werde.

36 6.2. Bei einander widersprechenden Gutachten ist es der Behörde zwar gestattet, sich dem einen oder dem anderen Gutachten anzuschließen. Sie hat allerdings in der Begründung ihres Bescheides die Gedankengänge und sachlichen Erwägungen darzulegen, die dafür maßgebend waren, dass sie das eine Beweismittel dem anderen vorgezogen hat (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2012/06/0139, sowie vom , Zl. 2012/08/0264, jeweils mwN).

37 6.3. Dieser Verpflichtung ist die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht im ausreichenden Maße nachgekommen; sie wäre vielmehr - angesichts des dargestellten Verfahrensverlaufs und der vorliegenden Gutachten von drei Amtssachverständigen - dazu verhalten gewesen, mit Blick auf die Einschätzung des im erstbehördlichen Verfahren tätigen wasserbautechnischen Amtssachverständigen (auf welche das im Berufungsverfahren eingeholte Gutachten sogar aufbaut) und die für das beantragte Projekt ungünstige Einschätzung durch den im erstbehördlichen Verfahren tätig gewordenen landwirtschaftlichen Amtssachverständigen eingehend darzulegen, weshalb sie - ohne neuerliche Befassung eines landwirtschaftlichen Amtssachverständigen - der Einschätzung des im Berufungsverfahren beigezogenen wasserbautechnischen Amtssachverständigen, das Vorhaben lasse "keine merkbaren Auswirkungen" auf benachbarte Grundstücke durch eine Veränderung des Hochwasserabflusses erwarten, gefolgt ist.

38 Der darin gelegene Verfahrensmangel ist auch relevant, weil die belangte Behörde bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

39 7. Abschließend ist allerdings noch darauf hinzuweisen, dass das gemäß Art. 151 Abs. 51 Z. 9 B-VG an die Stelle der belangten Behörde getretene Verwaltungsgericht im fortgesetzten Verfahren auch die Frage zu prüfen haben wird, ob das beantragte Projekt auch einer Genehmigung nach § 37 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 - AWG 2002 bedarf; bejahendenfalls wären die Konzentrations- und Zuständigkeitsbestimmungen des § 38 AWG (insbesondere dessen Abs. 1a und 6) anzuwenden.

40 8. Aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

41 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 4 iVm § 3 Z. 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 und der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
AVG §8;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
WRG 1959 §102 Abs1 litb;
WRG 1959 §12 Abs2;
WRG 1959 §38 Abs1;
WRG 1959 §38 Abs3;
WRG 1959 §38;
Schlagworte
Begründung Begründungsmangel
Besondere Rechtsgebiete
Parteibegriff Parteistellung strittige Rechtsnachfolger Zustellung
"zu einem anderen Bescheid"
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht
Anfechtungsrecht VwRallg9/2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2016:2013070299.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
YAAAE-81260