VwGH vom 19.05.2011, 2010/21/0222
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des J, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom , Zl. E1/8240/2009, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen kolumbianischen Staatsangehörigen, gemäß den §§ 60 Abs. 1 und 2 Z. 1, 63, 66, 86 und 87 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.
Begründend führte sie aus, der Beschwerdeführer habe am in Kolumbien die österreichische Staatsbürgerin R. geheiratet. Ab sei er "in Österreich gemeldet". Beginnend mit seien ihm wiederholt Aufenthaltstitel zum Zweck der Familiengemeinschaft mit R. erteilt worden. Die letzte Niederlassungsbewilligung habe bis zum gegolten. Zwischen Ende Juni 2002 und Anfang März 2003 sei der Beschwerdeführer in Kolumbien aufhältig gewesen.
Der Beschwerdeführer sei wie folgt rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt worden:
1. Landesgericht Linz vom wegen gefährlicher Drohung nach § 107 Abs. 1 und 2 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe von 120 Tagessätzen. Er habe am in Linz zwei Personen gefährlich mit dem Tode bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er ein Taschenmesser zückte und ankündigte, er werde sie umbringen.
2. Landesgericht Steyr vom wegen der Verbrechen der kriminellen Organisation nach § 278a Abs. 1 StGB sowie der Geldfälschung nach § 232 Abs. 2 StGB als Beteiligter (§ 12 StGB) zu einer bedingt nachgesehenen einjährigen Freiheitsstrafe. Der Beschwerdeführer habe sich zwischen Februar und April 2000 an einer auf längere Zeit angelegten unternehmensähnlichen Verbindung einer größeren Anzahl von Personen beteiligt, die auf die wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen im Bereich des unerlaubten Verkehrs mit Falschgeld und Suchtgift ausgerichtet gewesen sei, nämlich einem kolumbianischen Drogen- und Falschgeldkartell, wobei er eine Bereicherung in großem Umfang angestrebt sowie Andere einzuschüchtern oder sich auf besondere Weise gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen getrachtet habe. Dabei habe er nachgemachtes Geld, nämlich gefälschte 100 US-Dollar-Noten, im Einverständnis mit einem an der Fälschung Beteiligten oder einem Mittelsmann mit dem Vorsatz übernommen, es als echt und unverfälscht in Verkehr zu bringen, indem er im Februar 2000 als Beteiligter einen Anderen veranlasst habe, zwei gefälschte 100 US-Dollar-Scheine bei der Postsparkasse Kirchdorf umzuwechseln. Zudem sei im Rahmen dieser Verbindung der Schmuggel von Kokain für den österreichischen Markt beabsichtigt gewesen.
3. Landesgericht Steyr vom wegen schwerer Körperverletzung nach den §§ 83 und 84 Abs. 1 StGB sowie versuchter Nötigung nach den §§ 15 und 105 Abs. 1 StGB zu einer zwölfmonatigen Freiheitsstrafe (davon acht Monate bedingt nachgesehen). Er habe am in Micheldorf den S. im Zuge einer Auseinandersetzung durch näher beschriebene Stiche und Schnitte mit einem Taschenmesser im Bereich des Kopfes und des Brustkorbes verletzt. Den M. habe er durch Drohung mit einer Verletzung am Körper, indem er ihm sein Taschenmesser vorgehalten habe, zur Herausgabe eines Autoschlüssels zu nötigen versucht.
4. Landesgericht Steyr vom wegen gefährlicher Drohung nach § 107 Abs. 1 und 2 StGB sowie Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer neunmonatigen Freiheitsstrafe (davon sechs Monate bedingt nachgesehen). Er habe in der Nacht zum in Hinterstoder sechs Personen durch verschiedene Äußerungen mit dem Umbringen (und dem Auslöschen ihrer Familie) bedroht. Am 20. und habe er seiner Gattin R. u. a. gedroht, er werde sie "fertig machen". In der Nacht zum habe er in Hinterstoder einen Anderen dadurch, dass er mit einem zerschlagenen Bierglas auf ihn einschlug, wodurch dieser Schnittwunden am linken Arm erlitt, vorsätzlich am Körper verletzt.
5. Landesgericht Linz vom wegen des Verbrechens der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung nach den §§ 15 Abs. 1 und 87 Abs. 1 StGB, weiters wegen gefährlicher Drohung nach § 107 Abs. 1 und 2 erster Fall StGB sowie versuchter Bestimmung zur falschen Beweisaussage nach den §§ 15 Abs. 1, 12 zweiter Fall und 288 Abs. 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten (davon 16 Monate bedingt nachgesehen). Er habe am in Linz einem Anderen durch vier Messerstiche (Klingenlänge ca. 8 cm) gegen den Oberkörper eine schwere Körperverletzung absichtlich zuzufügen versucht. Am habe er einen Anderen gefährlich (unter Vorhalt eines Messers) mit dem Tod bedroht. Am habe er X. zu einer näher dargestellten Falschaussage vor dem Haftrichter zu bestimmen versucht.
Auf Grund der dargestellten Verurteilungen, u.a. wegen der Begehung schwerer Verbrechen und wiederholt wegen gravierender Aggressionsdelikte, so argumentierte die belangte Behörde, seien die Voraussetzungen des § 86 Abs. 1 Satz 1 bis 4 FPG erfüllt. § 86 Abs. 1 Satz 5 FPG komme - wie schon die Erstbehörde dargelegt habe - nicht zur Anwendung, weil sich der Beschwerdeführer vor Verwirklichung der ersten Straftat weniger als 10 Jahre lang ununterbrochen in Österreich aufgehalten habe.
Dem Beschwerdeführer sei bereits am die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes angedroht worden, was ihn jedoch nicht von der Begehung weiterer massiver Straftaten abgehalten habe. Diese offenbarten einen Charakter, der von einer geringen Hemmschwelle, erheblicher Gewaltbereitschaft und Aggression sowie Gleichgültigkeit gegenüber den Rechten und Freiheiten anderer Personen sowie der Rechtsordnung des Gastlandes geprägt sei. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer über gerichtliche Weisung (Urteil vom ) im Rahmen der Probezeit eine Alkoholentwöhnungstherapie und eine Aggressionstherapie durchzuführen habe und diese auch durchführe, vermöge an dieser Beurteilung nichts zu ändern.
Der Beschwerdeführer sei langjährig in Österreich aufhältig und dabei großteils einer unselbständigen Berufstätigkeit nachgegangen. Er sei mit einer Österreicherin verheiratet und habe zwei Kinder (I., geboren am , und A., geboren am ). Dem Beschwerdeführer sei daher eine dieser persönlichen und familiären Situation entsprechende Integration zuzubilligen. Allerdings sei zu berücksichtigen, dass er seit rund dreieinhalb Jahren nicht mehr mit der genannten "Familie" im gemeinsamen Haushalt, sondern bei seiner Lebensgefährtin, einer Staatsbürgerin der Dominikanischen Republik, lebe. Dazu komme das aus der Gefährlichkeit des Beschwerdeführers resultierende große Interesse an einer Beendigung seines Aufenthaltes im Inland, sodass Schwierigkeiten angesichts eines wirtschaftlichen Neubeginns im Heimatland in Kauf zu nehmen seien. In gewissem Umfang könnten Kontakte zur Familie auch vom Ausland aus aufrechterhalten werden, ebenso seien Unterhaltszahlungen von dort aus möglich.
Unter Berücksichtigung der wiederholten massiven Straftaten, der raschen Rückfälle selbst nach Verbüßung (jeweils) des unbedingten Teils der erwähnten Freiheitsstrafen und trotz sozialer Kontakte sowie der Beziehungen zur Familie und zur Lebensgefährtin im Inland komme auch eine Ermessensübung zu Gunsten des Beschwerdeführers nicht in Betracht.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:
Der Beschwerdeführer ist mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet, die von ihrer im Gemeinschaftsrecht begründeten Freizügigkeit nicht Gebrauch gemacht hat. Gemäß § 87 FPG kommt die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen ihn nur unter den Voraussetzungen des § 86 Abs. 1 FPG in Betracht. Demnach ist es nur zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.
Hieran kann jedoch - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Meinung - angesichts der über viele Jahre hinweg begangenen massiven Straftaten, von denen den Beschwerdeführer weder seine Familie, die Lebensgefährtin oder sonstige Sozialkontakte in Österreich noch das bereits wiederholt verspürte Haftübel (auf Grund der oben zu Punkt 3. und 4. dargestellten teilbedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafen) abgehalten haben, kein Zweifel bestehen. Dem Beschwerdeführer liegt eine Fülle gravierender Vergehen und Verbrechen verschiedener Art zur Last. Besonderes Gewicht kommt dabei der Teilnahme an einer kriminellen Organisation zum Zweck der Verbreitung von Suchtgift und Falschgeld im Bundesgebiet zu, was bereits für sich allein eine Gefährdung in diesem Sinn begründet (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/18/0098). Dazu kommen in rascher Frequenz gesetzte und in qualifizierter Form begangene Straftaten gegen Leib und Leben. Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer zu Recht ein hohes Aggressionspotenzial bescheinigt, woraus ebenfalls das Vorliegen der im § 86 Abs. 1 FPG umschriebenen Gefahr abzuleiten ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/21/0495). An der Verhinderung von Delikten der vom Beschwerdeführer begangenen Art besteht ein massives öffentliches Interesse. Daran können auch die vom Beschwerdeführer (spät und nur über gerichtliche Weisung, bei sonstiger Gefahr, die zum Teil erlangte bedingte Strafnachsicht zu verlieren) begonnenen Therapien nichts ändern. Im Hinblick auf die Intensität und die rasche Abfolge der Tatwiederholungen lässt die verhältnismäßig kurze Zeit des Wohlverhaltens nämlich noch keinen verlässlichen Rückschluss auf einen nachhaltigen Gesinnungswandel zu.
Auch der Beschwerdevorwurf, die belangte Behörde habe auf § 66 FPG nicht hinreichend Bedacht genommen, geht fehl. Diese nahm ohnehin zu Recht an, dass mit dem Aufenthaltsverbot ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers einhergehe. Wenn sie die Verhängung des Aufenthaltsverbotes zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen des Beschwerdeführers und zur Gewährleistung des Schutzes der Rechte Anderer als dringend geboten erachtete, so kann ihr allerdings nicht entgegengetreten werden. Dazu kommt, dass der Beschwerdeführer ohnehin bereits mehrere Jahre lang getrennt von seiner Kernfamilie gelebt hatte. Die mit einem wirtschaftlichen Neubeginn im Heimatstaat verbundenen Schwierigkeiten sind auf Grund der vom Beschwerdeführer ausgehenden großen Gefährlichkeit in Kauf zu nehmen.
Angesichts der hohen Gewaltbereitschaft und der wiederholten Begehung gravierender Verbrechen wäre auch eine Ermessensübung zu Gunsten des Beschwerdeführers nicht im Sinn des Gesetzes gelegen.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
EAAAE-81245