VwGH vom 21.11.2011, 2008/18/0414
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des Z P in W, vertreten durch Mag. Wolfgang Haas, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Prinz-Eugen-Straße 4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 1473/06, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen kroatischen Staatsangehörigen, ein auf § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG gestütztes unbefristetes Aufenthaltsverbot.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer halte sich seit seinem zweiten Lebensjahr, nur durch eineinhalb Jahre Militärdienst in der Heimat unterbrochen, in Österreich auf und besitze eine unbefristete Aufenthaltsberechtigung. Er weise insgesamt drei schwere gerichtliche Vorstrafen auf. Am sei er vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des teils versuchten, teils vollendeten Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs. 1 Z. 1 und 2 sowie 15 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten rechtskräftig verurteilt worden, weil er im Dezember 2001 mittels nachgemachter Unterschriften anderer Kontoinhaber Überweisungsaufträge mit EUR 10.000,-- übersteigender Schadenssumme erteilt habe.
Am sei er vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch, teilweise als Beteiligter nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1 und Z. 2, 130 dritter und vierter Fall, 12 zweiter Fall und 15 StGB, wegen des Vergehens der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs. 1 StGB, des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs. 1 StGB und des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Jahren rechtskräftig verurteilt worden. Dem Urteilsspruch lägen zahlreiche Einbruchsdiebstähle ab in Wien zugrunde, bei denen über Fenster in Geschäftsräume eingestiegen, Türen und Rollläden aufgebrochen und sich mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel der Zutritt in eine fremde Wohnung verschafft worden sei, wobei Gegenstände im Wert von weit über EUR 10.000,-- gestohlen worden seien.
Am habe ihn das Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubs als Beteiligter nach §§ 12 zweiter Fall, 15, 142 Abs. 1 und 143 zweiter Fall StGB zu einer Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von dreieinhalb Jahren verurteilt, die vom Oberlandesgericht Wien auf vier Jahre erhöht worden sei. Der Beschwerdeführer habe einem anderen zweimal eine funktionsfähige Gaspistole übergeben und zur Begehung eines Raubüberfalls auf eine Trafik und gegen einen Geldboten aufgefordert.
Rechtlich führte die belangte Behörde aus, es könne überhaupt kein Zweifel bestehen, dass die Voraussetzungen zur Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen den Beschwerdeführer vorlägen. Zum einen sei auf Grund der genannten Verurteilungen der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt. Das ihnen zugrunde liegende Verhalten lasse aber zum anderen auch die Annahme als gerechtfertigt erscheinen, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit gefährde und überdies anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen, nämlich insbesondere dem Schutz der körperlichen Integrität von Menschen, der Verteidigung der Ordnung und des Eigentums anderer sowie der Verhinderung von strafbaren Handlungen, zuwiderlaufe.
§ 61 Z. 3 und Z. 4 FPG könne wegen Verurteilung zu mehr als zwei Jahren unbedingter Freiheitsstrafe nicht angewendet werden.
Es müsse von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen starken Eingriff in das Privatleben des von klein auf fast durchgehend im Bundesgebiet aufhältigen Beschwerdeführers ausgegangen werden, der familiäre Bindungen zu seinem hier lebenden Kind, seiner Mutter und seiner Lebensgefährtin aufweise, welche die österreichische Staatsbürgerschaft hätten, sowie auf Grund der vor der Inhaftierung bestehenden beruflichen Bindungen. Dennoch sei die Zulässigkeit dieser Maßnahme nach § 66 FPG zu bejahen, weil die besondere Gefährlichkeit der Raub-, Eigentums- und Betrugskriminalität dringend die Erlassung des Aufenthaltsverbots zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen sowie zum Schutz der Gesundheit und des Eigentums anderer) gebiete. Das Fehlverhalten des Beschwerdeführers verdeutliche ganz augenfällig seine Gefährlichkeit für die Gesundheit (körperliche Integrität) und das Eigentum im Bundesgebiet aufhältiger Menschen und das Unvermögen oder den Unwillen, die Rechtsvorschriften des Gastlandes einzuhalten. Eine positive Verhaltensprognose sei für den Beschwerdeführer im Hinblick auf die Schwere der Tathandlungen und deren Wiederholung sowie dem damit verbundenen überaus erheblichen Unrechtsgehalt unter keinen Umständen - auch nicht bezogen auf den wahrscheinlichen Zeitpunkt der Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbots - möglich. Einer allfälligen aus dem bisherigen Aufenthalt des Beschwerdeführers ableitbaren Integration komme insofern kein entscheidendes Gewicht zu, als die für jegliche Integration erforderliche soziale Komponente durch das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers erheblich beeinträchtigt worden sei. Somit hätten die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet gegenüber den hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen in den Hintergrund zu treten.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Der Beschwerdeführer releviert zunächst, dass die Verurteilungen vom und vom im Verhältnis einer Bedachtnahme stünden und sohin nicht als voneinander unabhängige Vorstrafen gewertet werden könnten. Damit zeigt er keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids auf. Darin wird nämlich die Verurteilung vom ausdrücklich als Zusatzstrafe bezeichnet, womit eine nachträgliche Verurteilung im Sinn des § 31 Abs. 1 StGB deutlich zum Ausdruck kommt. Darüber hinaus stellte die belangte Behörde bei ihrer Beurteilung aber zutreffend vor allem auf das den strafbaren Handlungen zugrunde liegende Verhalten des Beschwerdeführers ab.
Dem Beschwerdeführer wurde (der Aktenlage zufolge im Jahr 1999) ein unbefristeter Aufenthaltstitel erteilt. Dies erfolgte vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts, also zum Zeitpunkt vor Eintritt der ersten der in der Gesamtheit für die Verhängung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Umstände (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0939), stützte sich doch die belangte Behörde auf Überweisungsaufträge mit nachgemachten Unterschriften im Dezember 2001 als das zeitlich am weitesten zurückliegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers. Die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbots ist daher mit Blick auf § 56 FPG nur bei Vorliegen einer schweren Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit, also eines gegenüber § 60 Abs. 1 FPG erhöhten Gefährdungsmaßstabs zulässig (vgl. zum System der abgestuften Gefährdungsprognosen im FPG ausführlich das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0603). Ungeachtet der Beurteilung der belangten Behörde ausschließlich nach § 60 FPG wurde der Beschwerdeführer aber fallbezogen nicht in Rechten verletzt, weil in Anbetracht der gegen ihn ergangenen Verurteilungen und des den Schuldsprüchen zugrunde liegenden Verhaltens ohne Zweifel jedenfalls auch das Vorliegen der in § 56 FPG ausgedrückten Gefährdung zu bejahen war. Der Beschwerdeführer beging zunächst nicht unerhebliche Betrügereien und konnte auch durch die Verhängung einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe nicht von weiteren strafbaren Handlungen abgehalten werden. Er setzte es im Rahmen einer kriminellen Vereinigung und mit gesteigerter Intensität fort, wobei die Einbruchsdiebstähle gewerbsmäßig begangen wurden und der Beschwerdeführer einen anderen zur Begehung von Raubüberfällen nicht nur aufforderte, sondern zu deren Ausführung auch eine Waffe bereitstellte.
Die in der Beschwerde mit Blick auf § 66 FPG geltend gemachten Umstände wurden von der belangten Behörde im Rahmen ihrer Interessenabwägung ausreichend berücksichtigt. Angesichts des Verhaltens des Beschwerdeführers kann die Ansicht der belangten Behörde, den öffentlichen Interessen an der Hintanhaltung von strafbaren Handlungen, wie den hier in Rede stehenden, sei Vorrang gegenüber den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers einzuräumen, nicht als rechtswidrig angesehen werden. Die mit der Wiedereingliederung in sein Heimatland verbundenen Schwierigkeiten hat der Beschwerdeführer im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen. Auch hat er die allfällige Trennung von seiner Lebensgefährtin und von seinen Familienangehörigen auf Grund der von ihm ausgehenden Gefahr hinzunehmen.
Da sich somit die Beschwerde insgesamt als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am