VwGH vom 27.01.2020, Ra 2019/02/0195
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision der E in L, vertreten durch Ing. Mag. Klaus Helm, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Schulstraße 12, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom , Zl. LVwG-S-2182/001-2018, betreffend Übertretung des KFG (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Bezirkshauptmannschaft St. Pölten), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Lenkeranfrage der belangten Behörde vom wurde der Zulassungsbesitzer eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges aufgefordert, gemäß § 103 Abs. 2 KFG mitzuteilen, "wer am , 16:30 Uhr Gemeindegebiet Pressbaum auf der Autobahn A 1 nächst Strkm. 027,240 Fahrtrichtung Linz", dieses Kraftfahrzeug gelenkt habe (erste Lenkeranfrage).
2 In der Folge erging aufgrund der Antwort des Zulassungsbesitzers am eine Lenkeranfrage an die
Revisionswerberin "als vom Zulassungsbesitzer ... namhaft gemachte
Auskunftsperson" bezüglich des Lenkens des KFZ am (zweite Lenkeranfrage). Diese Lenkeranfrage wurde nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes nicht zugestellt. 3 Daraufhin erging an die Revisionswerberin "als Zulassungsbesitzerin" des näher genannten KZF eine weitere Lenkeranfrage vom hinsichtlich des . Diese wurde einem Rechtsanwalt zugestellt, der jedoch im Verfahren nicht bevollmächtigt war, sodass keine ordnungsgemäße Zustellung dieser dritten Lenkeranfrage vorliegt. 4 Schließlich erging mit Schreiben der belangten Behörde vom ein weiteres Mal eine Lenkeranfrage an die Revisionswerberin als Zulassungsbesitzerin, wer das näher bezeichnete KFZ am gelenkt habe (vierte Lenkeranfrage). Diese blieb unbeantwortet.
5 Mit Aufforderung zur Rechtfertigung der belangten Behörde vom wurde der Revisionswerberin zur Last gelegt, als vom Zulassungsbesitzer benannte Person, welche die Auskunft erteilen kann und die Auskunftspflicht trifft, der BH St. Pölten über deren schriftliche Anfrage vom nicht innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung am darüber Auskunft erteilt zu haben, wer dieses KFZ am an einem näher genannten Ort gelenkt habe.
6 Mit Straferkenntnis vom wurde über die Revisionswerberin wegen Übertretung des § 103 Abs. 2 KFG gemäß § 134 Abs. 1 KFG eine Geldstrafe von EUR 900,-- sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt.
7 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis in der Schuldfrage als unbegründet ab; in der Straffrage setzte es die verhängte Geldstrafe auf EUR 800,-- sowie die Ersatzfreiheitsstrafe auf 160 Stunden herab sowie die Kosten des verwaltungsbehördlichen Verfahrens gemäß § 64 VStG neu fest und erklärte die Revision für nicht zulässig.
8 In seiner Begründung führte es aus, die zweite und dritte Lenkeranfrage seien der Revisionswerberin aus näheren Gründen nicht rechtswirksam zugestellt worden, weshalb erst die vierte Lenkeranfrage die Auskunftspflicht der Revisionswerberin ausgelöst habe. Die Revisionswerberin, die unbestritten keinen Lenker bekanntgegeben habe, habe ihre Auskunftspflicht nicht erfüllt und damit den objektiven Tatbestand der Übertretung zu verantworten; auch die subjektive Tatseite sei aus näheren Gründen gegeben. Das Verwaltungsgericht begründete in der Folge seine Strafbemessung.
9 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
10 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
11 Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, das Auskunftsverlangen der belangten Behörde vom sei gesetzwidrig formuliert gewesen; sie sei nicht die Zulassungsbesitzerin des näher bezeichneten Fahrzeuges. Die Revision erweist sich aus diesem Grund als zulässig. Sie ist auch berechtigt:
12 § 103 Abs. 2 KFG lautet auszugsweise:
"(2) Die Behörde kann Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer - im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung - zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück. (...)" 13 Nach der ständigen hg. Rechtsprechung bildet es ein wesentliches Tatbestandselement des § 103 Abs. 2 KFG, wenn einem Beschuldigten die Verletzung der dort normierten Auskunftspflicht "als Zulassungsbesitzer" zur Last gelegt wird, sodass es einen Verstoß gegen § 44a Z 1 VStG darstellt, wenn diese Eigenschaft nicht im Spruch des Straferkenntnisses aufscheint (, mwN).
14 Wie der Verwaltungsgerichtshof darüber hinaus bereits ausgesprochen hat, gelten diese Überlegungen auch in einem allfälligen Strafverfahren gegen jene Person, welche nach Benennung durch den Zulassungsbesitzer (weil dieser die verlangte Auskunft nicht erteilen kann) die Auskunftspflicht trifft, sodass nicht nur diese Eigenschaft als "Auskunftspflichtiger" im Sinne des § 44a Z 1 VStG im Spruch zum Ausdruck kommen muss, sondern auch Gegenstand einer rechtzeitigen Verfolgungshandlung zu sein hat. In diesem Zusammenhang wurde auch klargestellt, dass die Person des so "Auskunftspflichtigen" mit dem "Zulassungsbesitzer" nicht gleichzusetzen ist (vgl. ), zumal sich der Zulassungsbesitzer in einem solchen Fall durch die Benennung jener Person, welche die Auskunft erteilen kann, von der ihn primär treffenden Auskunftspflicht befreit hat (vgl. ).
15 Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verlangt die "unmissverständliche Deutlichkeit" eines Verlangens nach Auskunft im Sinne des § 103 Abs. 2 KFG (vgl. z.B. ; , Ro 2014/02/0114, mwN).
16 Eine nicht dem Gesetz entsprechende Aufforderung löst die verwaltungsstrafrechtlich sanktionierte Auskunftsverpflichtung der vom Zulassungsbesitzer als "Auskunftspflichtigen" iS § 103 Abs. 2
2. Satz KFG benannten Person nicht aus (vgl. ; , Ra 2018/02/0084).
17 Die Nichtbeantwortung einer rechtswidrigen Lenkeranfrage führt somit nicht zur Verwirklichung des Verwaltungsstraftatbestand es des § 103 Abs. 2 KFG.
18 Die Revisionswerberin bringt u.a. hinsichtlich des wesentlichen Tatbestandselementes vor, dass die Lenkeranfrage an sie als Zulassungsbesitzerin des näher bezeichneten KFZ gerichtet worden und deshalb falsch gewesen sei, weil sie nicht die Zulassungsbesitzerin dieses KFZ sei, weshalb das Auskunftsverlangen rechtswidrig gewesen sei.
19 Damit ist die Revisionswerberin im Recht:
20 Der Zulassungsbesitzer hat nach der ersten Lenkeranfrage
die Revisionswerberin als jene Person bezeichnet, die die Auskunft gemäß § 103 Abs. 2 KFG erteilen kann. In der Folge wurde der Revisionswerberin jedoch mit Schreiben vom keine Lenkeranfrage zugestellt, in der sie "als vom
Zulassungsbesitzer ... namhaft gemachte Auskunftsperson" zur
Auskunft aufgefordert wurde; vielmehr wurde sie - tatsachenwidrig -
als Zulassungsbesitzerin des KFZ zur Erteilung der Auskunft aufgefordert.
21 Da jedoch die Zustellung der inhaltlich unrichtigen Lenkeranfrage keine verwaltungsstrafrechtlich sanktionierte Auskunftsverpflichtung auslösen konnte, erweist sich die dennoch erfolgte Bestrafung als rechtswidrig.
22 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben. 23 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den § 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019020195.L00 |
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