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VwGH vom 11.08.2020, Ra 2019/02/0192

VwGH vom 11.08.2020, Ra 2019/02/0192

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Dr. Köller und Mag. Straßegger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision des A in T, vertreten durch Mag. Elisabeth Hauptmann-Höbart, Rechtsanwältin in 3130 Herzogenburg, Schillerring 3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom , LVwG-AV-793/002-2019, LVwG-AV-793/001-2019, LVwG-AV-796/002-2019, LVwG-AV-796/001-2019, LVwG-AV-788/002-2019 und LVwG-AV-788/001-2019, betreffend Aufforderung gemäß § 89a Abs. 5 StVO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtrat der Stadtgemeinde Traismauer, vertreten durch Dr. Martin Wandl und Dr. Wolfgang Krempl, Rechtsanwälte in 3100 St. Pölten, Kremser Gasse 19), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1Mit Bescheiden des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Traismauer jeweils vom , und vom wurde der Revisionswerber aufgefordert, ein näher bestimmtes Kraftfahrzeug sowie konkret beschriebene Gegenstände und Materialien gegen Ersatz der Abschlepp- und Aufbewahrungskosten zu übernehmen. Hierbei begründete die Stadtgemeinde im Wesentlichen, dass das angeführte Kraftfahrzeug sowie die angeführten Gegenstände und Materialien im Bereich einer näher dargelegten Liegenschaft im Gemeindegebiet von Traismauer den Verkehr beeinträchtigend aufgestellt worden seien. Das Kraftfahrzeug, die Gegenstände und die Materialien seien im Auftrag der Stadtgemeinde Traismauer vom Aufstellort entfernt und zum Aufbewahrungsort verbracht worden.

2Mit Berufungsentscheidungen vom gab der Stadtrat der Stadtgemeinde Traismauer den Berufungen des Revisionswerbers keine Folge und bestätigte die Bescheide mit der Maßgabe, dass in den jeweiligen Sprüchen anstelle der Wortfolge „ab dessen Zustellung“ nunmehr „ab Zustellung des Bescheides der Berufungsbehörde“ aufzuscheinen habe.

Der Stadtrat begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass das Vorbringen des Revisionswerbers in der Berufung, wonach Teile des Straßenplanums in seinem Eigentum stünden, nicht greife, weil die Zufahrtsstraße von jedermann zu denselben Bedingungen befahren werden könne und sich das Kraftfahrzeug jedenfalls auf dem öffentlichen Teil der Straße befunden und den Verkehr beeinträchtigt habe.

3Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerden des Revisionswerbers gegen diese Berufungsentscheidungen als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.

4Das Verwaltungsgericht führte begründend aus, die Rechtmäßigkeit der Entfernung und die Rechtmäßigkeit einer Übernahmeaufforderung nach § 89a Abs. 5 StVO durch Bescheid seien getrennt zu beurteilende Rechtsfragen (mit Verweis auf ). Die Prüfung der Rechtmäßigkeit der notstandsbehördlichen Maßnahme der Entfernung der Gegenstände sei nicht Gegenstand eines Beschwerdeverfahrens nach § 89a Abs. 5 StVO, sondern diese Maßnahme bilde bloß die Voraussetzung für den Übernahmeauftrag. Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren sei sohin auch das tatsächliche Vorliegen einer Verkehrsbeeinträchtigung durch die verfahrensgegenständlichen Sachen im Zeitpunkt der behördlichen Anordnung und die Beantwortung der Rechtsfrage, ob diese auf einer Straße abgestellt gewesen seien, nicht Beschwerdegegenstand gewesen. Zwischen der Entfernung der Sachen und der nachfolgenden Übernahmeaufforderung bestehe ein unmittelbarer Zusammenhang. Entscheidungswesentlich sei gewesen, dass die Gegenstände aufgrund der notstandspolizeilichen Anordnungen verbracht und danach der Revisionswerber aufgefordert worden sei, diese gegen Ersatz der angelaufenen Abschlepp- und Aufbewahrungskosten zu übernehmen. Da die entfernten Sachen vom Revisionswerber noch nicht durch Abholung übernommen worden seien, sei sohin die Übernahmeaufforderung gemäß § 89a Abs. 5 StVO zu Recht erfolgt.

5Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Der Revisionswerber erachtet sich u.a. in seinem Recht darauf, dass der Eigentumsübergang nicht stattfindet, verletzt. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Abweisung der Revision sowie den Zuspruch von Kostenersatz beantragte.

6Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7Die gegenständliche außerordentliche Revision bringt zur Zulässigkeit im Ergebnis vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage, ob die Rechtmäßigkeit einer durch Bescheid ausgesprochenen Übernahmeaufforderung gemäß § 89a Abs. 5 StVO unabhängig davon sei, ob die zuvor erfolgte Entfernung der Gegenstände rechtswidrig war.

8Die Revision ist zulässig und auch begründet.

9§ 89a StVO, BGBl. Nr. 159/1960 in der Fassung BGBl. I Nr. 123/2015, lautet auszugsweise:

„§ 89a. Entfernung von Hindernissen.

(1) ...

(2) Wird durch einen Gegenstand auf der Straße, insbesondere durch ein stehendes Fahrzeug, mag es betriebsfähig oder nicht betriebsfähig sein, durch Schutt, Baumaterial, Hausrat und dergleichen der Verkehr beeinträchtigt, so hat die Behörde die Entfernung des Gegenstandes ohne weiteres Verfahren zu veranlassen. Die Entfernung ist ferner ohne weiteres Verfahren zu veranlassen

a)bei einem Gegenstand, bei dem zu vermuten ist, daß sich dessen der Inhaber entledigen wollte, sowie bei einem ohne Kennzeichentafeln abgestellten Kraftfahrzeug oder Anhänger und

b)bei einem Gegenstand (Fahrzeug, Container u. dgl.), der im Bereich eines Halte- und Parkverbotes abgestellt ist, das aus Gründen der Sicherheit erlassen worden und durch das Vorschriftszeichen nach § 52 Z 13b mit einer Zusatztafel ‚Abschleppzone‘ (§ 54 Abs. 5 lit. j) kundgemacht ist.

[...]

(5) Sofern der Gegenstand noch nicht übernommen worden ist, hat die Behörde innerhalb einer Frist von einer Woche nach dem Entfernen des Gegenstandes den Eigentümer, im Falle des Entfernen eines zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeuges oder Anhängers jedoch den Zulassungsbesitzer, durch Zustellung zu eigenen Handen (§ 24 AVG 1950) aufzufordern, den Gegenstand innerhalb einer Frist von sechs Monaten, einen im letzten Satz des Abs. 2 genannten Gegenstand aber innerhalb einer Frist von zwei Monaten, gerechnet vom Tage der Zustellung, zu übernehmen.

(6) Nach erfolglosem Ablauf der gemäß Abs. 5 gesetzten Frist geht das Eigentum am entfernten Gegenstand auf den Erhalter jener Straße über, von der der Gegenstand entfernt worden ist. Dieser Eigentumsübergang findet jedoch nicht statt, wenn

a)der Gegenstand zu einem Zeitpunkt aufgestellt oder gelagert worden ist, zu dem die Voraussetzungen zur Entfernung nach Abs. 2 oder 3 noch nicht vorlagen und dem Inhaber des Gegenstandes der bevorstehende Eintritt der Voraussetzungen nicht bekannt war und

b)die Aufstellung oder Lagerung nicht schon von Anbeginn gesetzwidrig war.

(7) [...].“

10Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die zwangsweise Entfernung eines Kraftfahrzeuges nach § 89a Abs. 2 StVO lediglich das Vorliegen einer durch dieses Fahrzeug hervorgerufenen Verkehrsbeeinträchtigung voraus, nicht aber auch, dass das Fahrzeug rechtswidrig abgestellt war (vgl. ).

11Die zeitlich danach ergehende Übernahmeaufforderung gemäß § 89a Abs. 5 StVO stellt einen Rechtsgestaltungsbescheid dar (vgl. Muzak/Piska, Das „Abschleppen“ von Kraftfahrzeugen - Voraussetzungen, Konsequenzen, Rechtsschutz, ZVR 1999, H 2A, S 16), weil damit eine Frist in Lauf gesetzt wird, nach deren erfolglosem Ablauf das Eigentum am entfernten Gegenstand auf den Straßenerhalter übergehen kann (§ 89a Abs. 6 StVO). Durch das angefochtene Erkenntnis ist der Revisionswerber daher in dem von ihm geltend gemachten subjektiven Recht verletzt.

12Die Aufforderung nach § 89a Abs. 5 StVO, den Gegenstand innerhalb einer Frist von sechs Monaten, einen im letzten Satz des Abs. 2 par. cit. genannten Gegenstand aber innerhalb einer Frist von zwei Monaten, gerechnet vom Tage der Zustellung, zu übernehmen, bezieht sich auf die nach § 89a Abs. 2 StVO entfernten Gegenstände, sodass die Rechtmäßigkeit der Entfernung auch zur Voraussetzung für die Übernahmeaufforderung wird.

13Zur insofern vergleichbaren Konstellation der Pflicht zur Zahlung der Kosten für das Entfernen und Aufbewahren des Gegenstandes judiziert der Verwaltungsgerichtshof, dass die Rechtmäßigkeit einer Abschleppung eines Fahrzeuges eine wesentliche Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer Kostenvorschreibung nach § 89a Abs. 7 StVO darstellt. Für die Rechtmäßigkeit der Entfernung eines Fahrzeuges kommt es allein darauf an, ob die Voraussetzungen zum Zeitpunkt der tatsächlichen Entfernung gegeben waren (vgl. , VwSlg. 13275 A, verstärkter Senat). Die Behörde hat in einem Kostenvorschreibungsverfahren nach § 89a Abs. 7 StVO als Vorfrage zu beurteilen, ob eine Verkehrsbeeinträchtigung im Sinne des § 89 Abs. 2 und 2a StVO gegeben und damit die zwangsweise Entfernung des KFZ durch die Behörde berechtigt war (, mwN).

14Der Verwaltungsgerichtshof führte - wenn auch in einem Verfahren wegen Barauslagenersatz betreffend Abnahme von Tieren nach dem Niederösterreichischen Tierschutzgesetz - bereits aus, dass die Rechtmäßigkeit einer Amtshandlung nicht allein von dem Umstand ableitbar ist, dass die Bekämpfung dieser genannten Amtshandlung mittels Maßnahmenbeschwerde unterlassen worden ist (vgl. , oder ). Anders als einem nicht mit einem Rechtsmittel bekämpften (oder bekämpfbaren) Bescheid, der dadurch in Rechtskraft erwächst, fehlt nämlich diese Fähigkeit einer so genannten „faktischen Amtshandlung“, wobei das Ziel einer Maßnahmenbeschwerde nur die Feststellung sein kann, den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären (vgl. erneut ; sowie zum subjektiv-öffentlichen Recht eines Maßnahmenbeschwerdeführers ).

15Das Gleiche gilt auch für die Übernahmeaufforderung nach § 89a Abs. 5 StVO, bei der als Vorfrage zu beurteilen ist, ob eine Verkehrsbeeinträchtigung im Sinne des § 89 Abs. 2 und 2a StVO gegeben und damit die zwangsweise Entfernung des Kraftfahrzeuges und der anderen Gegenstände durch die Behörde berechtigt war. Daran vermag anderslautende, weil zu anderen Bestimmungen ergangene Rechtsprechung (vgl. etwa zur Bauordnung für Wien , und zum AWG ) nichts zu ändern. Auf die vom Verwaltungsgericht tragend herangezogene Begründung, der Revisionswerber habe die Entfernung der Gegenstände nicht mit einer Maßnahmenbeschwerde bekämpft, kommt es daher nicht an. Es wären daher Feststellungen zu treffen gewesen, anhand derer die Rechtmäßigkeit der gemäß § 89a Abs. 2 StVO durchgeführten Entfernung der Gegenstände als Vorfrage für die Übernahmeaufforderung nach § 89a Abs. 5 StVO geprüft werden kann.

16Aus diesem Grund war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

17Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019020192.L01
Schlagworte:
Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive Bescheide Besondere Rechtsgebiete

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