VwGH 15.04.2010, 2006/06/0305
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | BauG Vlbg 2001 §39 Abs1; BauG Vlbg 2001 §39 Abs2; BauRallg; VwGG §42 Abs2 Z1; VwRallg; |
RS 1 | In einem Berufungsverfahren über einen Baueinstellungsbescheid ist die Frage der Rechtmäßigkeit der Baueinstellung zu klären. Dafür ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides maßgebend (Hinweis E vom , 97/06/0086). Gegenstand des Verfahrens betreffend eine Aufhebung der Baueinstellung ist hingegen die Frage, ob im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Aufhebung der Grund für die Erlassung der Baueinstellung nicht (mehr) gegeben ist. Wenn eine Baueinstellung aufgehoben wird, wird damit nicht zugleich darüber abgesprochen, ob die seinerzeit verhängte Baueinstellung rechtmäßig war. Es liegen somit zwei verschiedene Verfahrensgegenstände vor (Hinweis E vom , 94/06/0155). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Bayjones und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde der W GmbH in A, vertreten durch Achammer Mennel Welte Achammer Kaufmann Rechtsanwälte GmbH in 6800 Feldkirch, Schloßgraben 10, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom , Zl. II-4151-2006/0016, betreffend Baueinstellung (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Dornbirn, Rathausplatz 2, 6850 Dornbirn), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Vorarlberg hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom wurde W.F. die Baubewilligung für die Errichtung einer Wohnanlage auf einem näher genannten Grundstück in der mitbeteiligten Stadtgemeinde erteilt.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom wurde gegenüber W.F. gemäß § 39 Abs. 1 und 3 Vorarlberger Baugesetz, LGBl. Nr. 52/2001 (BauG), die Einstellung der Bauarbeiten für die Errichtung des Wohngebäudes verfügt. Dieser Bescheid ist an die beschwerdeführende Partei nicht ergangen.
Gegen diesen Bescheid erhoben W.F. und die beschwerdeführende Partei Berufung. Darin wurde unter anderem ausgeführt, dass W.F. die Liegenschaft an die beschwerdeführende Partei verkauft habe.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom wurden W.F. und der beschwerdeführenden Partei auf Grund deren Antrages, den Baustopp zu beseitigen, diverse Abweichungen von den bewilligten Bauplänen genehmigt. Darüber hinaus wurde gemäß § 39 Abs. 2 BauG auf Grund der nunmehr erteilten Bewilligung die mit Bescheid vom erfolgte Einstellung der Bauarbeiten aufgehoben.
Mit Bescheid der Berufungskommission vom wurde die Berufung von W.F. und der beschwerdeführenden Partei gegen den Bescheid vom als unzulässig zurückgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, W.F. sei nicht mehr Eigentümer der Liegenschaft. Der Bescheid vom sei im Übrigen rechtskräftig geworden. Ein Berufungswerber müsse einen Grund dafür haben, die Entscheidung der ersten Instanz zu bekämpfen. Dies sei jedoch nicht mehr der Fall, wenn dem Parteienantrag bereits vollinhaltlich entsprochen worden sei. Voraussetzung der Zulässigkeit einer Berufung sei das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses. Ein solches liege nicht mehr vor, da dem Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Aufhebung der Bausperre und Bewilligung der beantragten Planabweichungen vollinhaltlich stattgegeben worden sei. Auch eine Grundlage für einen Feststellungsbescheid, wie von der beschwerdeführenden Partei in der Berufung beantragt, bestehe nicht.
Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei Vorstellung, welche mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid als unbegründet abgewiesen wurde. Begründend legte die belangte Behörde im Wesentlichen dar, dass in einem Baueinstellungsverfahren für die Berufungsbehörde eine während des Berufungsverfahrens erfolgte Änderung des Sachverhaltes rechtlich unerheblich sei. Im vorliegenden Fall allerdings habe der Baueinstellungsbescheid zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung nicht mehr dem Rechtsbestand angehört. Hebe die Behörde erster Instanz den mit Berufung angefochtenen Bescheid während des Berufungsverfahrens auf, dürfe sich die Berufungsbehörde mit dem vor ihr bekämpften Bescheid nicht mehr inhaltlich auseinandersetzen, sondern müsse die Berufung als unzulässig zurückweisen, sofern der Behebungsbescheid nicht vorher wieder beseitigt worden sei. Die Berufungsbehörde überschritte nämlich die Grenzen ihrer funktionellen Zuständigkeit, wenn sie über einen im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides nicht mehr existenten Bescheid der ersten Instanz abspräche anstatt die Berufung infolge Fehlens eines Anfechtungsgegenstandes als unzulässig zurückzuweisen. Ein rechtliches Interesse der beschwerdeführenden Partei bestehe auch insofern nicht, als der erstinstanzliche Bescheid betreffend die Baueinstellung auf ihren Antrag hin aufgehoben worden und diese Aufhebung in Rechtskraft erwachsen sei. Ein allfällig entstandener Schaden könne nur nach dem Amtshaftungsgesetz geltend gemacht werden. Die Berufungsbehörde hätte auch zu keinem anderen Spruch kommen können, wenn sie davon ausgegangen wäre, dass die beschwerdeführende Partei infolge nicht erfolgter Zustellung des Bescheides vom nicht berufungslegitimiert gewesen wäre.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und, ebenso wie die mitbeteiligte Stadtgemeinde, in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Die beschwerdeführende Partei replizierte auf die Gegenschriften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 39 Abs. 1 BauG kann die Behörde gegenüber dem Bauherrn oder dem Bauausführenden - unter näheren Voraussetzungen -
die Einstellung der Arbeiten am Bauvorhaben oder an Teilen desselben verfügen.
Gemäß § 39 Abs. 2 2. Satz BauG ist die Einstellungsverfügung auf Antrag aufzuheben, sobald der Grund für ihre Erlassung weggefallen ist.
Gemäß § 52 1. Satz BauG kommt allen Bescheiden nach diesem Gesetz (ausgenommen Strafbescheiden) insofern eine dingliche Wirkung zu, als daraus erwachsene Rechte auch vom Rechtsnachfolger geltend gemacht werden können und daraus erwachsene Pflichten auch vom Rechtsnachfolger zu erfüllen sind.
Die beschwerdeführende Partei bringt vor, dass ihre Berufung gegen den Baueinstellungsbescheid vom zu Unrecht zurückgewiesen worden sei. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg:
In einem Berufungsverfahren über einen Baueinstellungsbescheid ist die Frage der Rechtmäßigkeit der Baueinstellung zu klären. Dafür ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides maßgebend (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/06/0086).
Gegenstand des Verfahrens betreffend eine Aufhebung der Baueinstellung ist hingegen die Frage, ob im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Aufhebung der Grund für die Erlassung der Baueinstellung nicht (mehr) gegeben ist. Wenn eine Baueinstellung aufgehoben wird, wird damit nicht zugleich darüber abgesprochen, ob die seinerzeit verhängte Baueinstellung rechtmäßig war. Es liegen somit zwei verschiedene Verfahrensgegenstände vor (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/06/0155).
Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Erlassung des Bescheides vom über die Aufhebung der Baueinstellung keinerlei Auswirkungen auf den Baueinstellungsbescheid vom dahingehend gehabt hat, dass dieser aus dem Rechtsbestand beseitigt worden wäre und damit eine Berufung gegen ihn keiner Erledigung in der Sache mehr hätte zugeführt werden können bzw. dürfen.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich im vorliegenden Zusammenhang darauf einzugehen, ob die Baueinstellung vom zu Recht an W.F. gerichtet war und die beschwerdeführende Partei in dessen Rechtsstellung als Bauherr tatsächlich zwischen der Bescheidzustellung und der Erhebung der Berufung eingetreten ist (dazu, dass eine Rechtsnachfolge auf Grund dinglicher Bescheidwirkungen nicht in Frage kommt, wenn der Bescheid an den Rechtsvorgänger nicht mehr zulässig erlassen wurde, und dass in einem solchen Fall auch keine Rechtswirkungen des Bescheides gegen den Rechtsvorgänger gegeben sind, vgl. die hg. Beschlüsse vom , Zl. 94/05/0192, und vom , Zl. 2001/05/1174). Auf die Stellung als Grundeigentümer kommt es nach § 39 BauG im Übrigen nicht an.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | BauG Vlbg 2001 §39 Abs1; BauG Vlbg 2001 §39 Abs2; BauRallg; VwGG §42 Abs2 Z1; VwRallg; |
Schlagworte | Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Bauverfahren (siehe auch Behörden Vorstellung Nachbarrecht Diverses) Berufungsverfahren BauRallg11/2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2010:2006060305.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
WAAAE-81226