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VwGH vom 23.03.2010, 2008/18/0406

VwGH vom 23.03.2010, 2008/18/0406

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger, den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Jäger, über die Beschwerde des N R in W, geboren 1965, vertreten durch Mag. Dr. Ralf Heinrich Höfler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Türkenstraße 25/11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/77905/2008, betreffend Erlassung eines Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Z. 9 sowie § 63 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass der Beschwerdeführer am in Belgrad die österreichische Staatsbürgerin Tanja D. geheiratet habe, welche mit dem Beschwerdeführer verwandt sei, weil dieser ihr Onkel sei. Mittlerweile sei diese Ehe allerdings geschieden worden.

Am habe der Beschwerdeführer einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" gestellt, der genauso wie mehrere Verlängerungsanträge, weil formal unverdächtig, bewilligt worden sei. Der letzte Verlängerungsantrag vom sei aber wegen des laufenden Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung bis dato nicht erledigt worden.

Aufgrund eines anonymen Hinweises vom habe die Erstbehörde begonnen, Erhebungen in Richtung Scheinehe zu führen. Diese hätten ergeben, dass der Vater des Kindes von Tanja D., Miroslav A., am die erste Ehefrau des Beschwerdeführers, Snezana R., geheiratet habe. Das Ehepaar Miroslav A. und Snezana R. sei im Erhebungszeitpunkt in der Wohnung der Mutter von Tanja D., also der ehemaligen Schwiegermutter des Beschwerdeführers, behördlich gemeldet gewesen. Die Nachbarin der "ehelichen" Wohnung des Beschwerdeführers und der Tanja D. habe nach Einsichtnahme in vorgezeigte Lichtbilder angegeben, dass dort tatsächlich das Ehepaar Miroslav A. und Snezana R. mit zwei Kindern wohne, der Beschwerdeführer aber hin und wieder - offensichtlich zu Besuchen -

gesehen werde. In der genannten "ehelichen Wohnung" habe der 16- jährige Ivan A. die Tür geöffnet, welcher einer früheren Beziehung seines Vaters, Miroslav A., entstamme. Er habe über Befragung ohne weiteres zugegeben, dass "hier" sein Vater mit seiner Lebensgefährtin Tanja D. und der gemeinsame Sohn Aleksandar sowie Kinder aus früheren Beziehungen beider Personen wohnten. Der Beschwerdeführer sei ihm als Onkel seiner Stiefmutter Tanja D. bekannt, doch wohne dieser seines Wissens irgendwo im 10. Bezirk. Daraufhin habe sich der Erhebungsbeamte sofort zur Adresse des Beschwerdeführers begeben, wo zwar niemand angetroffen worden sei, jedoch die Nachbarin nach Einsichtnahme in ein Lichtbild angegeben habe, dass dort seit ca. eineinhalb Jahren der Beschwerdeführer mit seinen beiden Söhne wohne.

Am habe die als Zeugin vernommene Tanja D., also die ehemalige Ehefrau des Beschwerdeführers, angegeben, dass es sich bei ihrer Ehe mit dem Beschwerdeführer um eine reine Scheinehe gehandelt habe, welche nur geschlossen worden sei, um dem Beschwerdeführer den Aufenthalt bzw. den Zugang zum Arbeitsmarkt zu sichern. Der Beschwerdeführer, der ein Familienangehöriger sei, habe ihr leid getan, und deshalb habe sie ihm helfen wollen. Tatsächlich lebe sie seit dem Jahr 2001 mit Miroslav A. in Lebensgemeinschaft. Mit dem Beschwerdeführer habe sie jedoch nie eine eheliche Gemeinschaft geführt.

Auch Miroslav A. sei am selben Tag als Zeuge niederschriftlich vernommen worden und habe zu Protokoll gegeben, dass es sich bei seiner Ehe mit Snezana R. um eine reine Scheinehe handle, welche nur geschlossen worden sei, um Snezana R. den Aufenthalt bzw. den Zugang zum Arbeitsmarkt zu sichern. Er selbst führe seit dem Jahr 2001 eine Lebensgemeinschaft mit Tanja D. und habe mit ihr auch ein gemeinsames Kind.

Am sei schließlich auch noch der Beschwerdeführer von der Erstbehörde niederschriftlich vernommen worden, wobei er angegeben habe, nach der Eheschließung mit Tanja D. circa ein Jahr lang mit dieser zusammen gewohnt und auch eine normale Ehe geführt zu haben. Er wisse, dass Tanja D. mit Miroslav A. ein gemeinsames Kind habe, welches 2002 geboren worden sei. Er sei jetzt geschieden und für zwei Kinder sorgepflichtig, ansonsten bestünden aber keine familiären Beziehungen in Österreich. Außerdem gehe er als Schlosser einer Beschäftigung nach.

Unter Bezugnahme auf § 60 Abs. 1 und 2 Z. 9 FPG stellte die belangte Behörde fest, dass sich der Beschwerdeführer gleich in mehreren Anträgen auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung auf die Ehe mit Tanja D. berufen habe, obwohl er mit ihr nie ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK geführt habe.

Die belangte Behörde habe aufgrund der logischen und in sich schlüssigen Zeugenaussagen sowie der Ergebnisse der davon unabhängigen behördlichen Erhebungen als erwiesen angenommen, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG vom Beschwerdeführer verwirklicht worden sei. Es könne kein Zweifel bestehen, dass das Verhalten des Beschwerdeführers, eine Scheinehe zwecks Erlangung aufenthalts- und beschäftigungsrechtlicher Vorteile einzugehen, den öffentlichen Interessen zuwiderlaufe und eine grobe Verletzung der öffentlichen Ordnung, insbesondere auf dem Gebiet eines geordneten Ehe- und Fremdenwesens, darstelle, sodass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht nur zulässig, sondern sogar dringend geboten sei.

Bei der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 und Abs. 2 FPG fielen der fast fünfjährige Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und gewisse familiäre (Söhne) und berufliche Bindungen ins Gewicht. Diesen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt in Österreich stehe allerdings gegenüber, dass er durch das rechtsmissbräuchliche Eingehen der Ehe und die Berufung darauf in mehreren Anträgen auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung maßgebliche öffentliche Interessen im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK (Wahrung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) erheblich beeinträchtigt habe. Angemerkt werde, dass den beruflichen Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich insoweit geringe Bedeutung zuzumessen sei, als diese nur als Folge der geschlossenen Scheinehe "haben entstehen können". Daher könne die Ansicht der Erstbehörde, das Aufenthaltsverbot sei zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten (§ 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 FPG), durchaus nachvollzogen und übernommen werden.

Abgesehen von den ohnehin gewürdigten Umständen seien keine Gründe amtswegig gefunden bzw. vom Beschwerdeführer vorgebracht worden, die eine für ihn günstige Ermessensentscheidung zugelassen hätten.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Gegen die Annahme einer Aufenthaltsehe (Scheinehe) bringt die Beschwerde vor, die belangte Behörde habe sich in ihrer Begründung ausschließlich auf die Aussage der ehemaligen Ehefrau des Beschwerdeführers, Tanja D., gestützt. Bei Durchführung notwendiger Ermittlungsschritte sowie der Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers sei es nicht auszuschließen, dass die Behörde zu dem Ergebnis hätte gelangen können, dass tatsächlich nach der Eheschließung vorübergehend ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK bestanden habe.

1.2. Dieses Vorbringen ist jedoch nicht zielführend. Die belangte Behörde hat sich nämlich in ihrer Begründung nicht nur auf die Aussage von Tanja D. gestützt, sondern auch die Aussagen von Miroslav und Ivan A. sowie das Ergebnis einer Hauserhebung berücksichtigt. Aus der niederschriftlichen Vernehmung von Tanja D. ergibt sich, dass es sich bei der Ehe mit dem Beschwerdeführer um eine reine Scheinehe gehandelt hat. Tatsächlich lebe sie seit dem Jahr 2001 mit Miroslav A. in einer Lebensgemeinschaft. Die Ehe zwischen Tanja D. und dem Beschwerdeführer sei nie vollzogen worden. Auch Miroslav A. hat in seiner Zeugenaussage zu Protokoll gegeben und bestätigt, mit Tanja D. seit dem Jahr 2001 eine Lebensgemeinschaft zu führen und mit ihr ein gemeinsames Kind zu haben. Diese übereinstimmenden Aussagen wurden auch von Ivan A., dem Sohn von Miroslav A., bestätigt.

Der belangten Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie diesen nachvollziehbaren und in sich schlüssigen Aussagen gefolgt ist, zumal der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren kein konkretes Verhalten, keine konkrete familiäre Begebenheit und keinen auf ein gelebtes Familienleben hindeutenden konkreten Umstand aufzuzeigen vermochte, die auch nur in Ansätzen für ein tatsächlich gelebtes Familienleben sprechen würden.

In Anbetracht der im angefochtenen Bescheid dargestellten Aussagen der Zeugen und im Hinblick auf die Ergebnisse der Ermittlungen an deren Wohnanschrift begegnet die Beweiswürdigung der belangten Behörde im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken.

Auf dem Boden der im angefochtenen Bescheid getroffenen Sachverhaltsfeststellungen begegnet auch die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG erfüllt sei, keinem Einwand.

Angesichts der gravierenden Beeinträchtigung des großen Interesses an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens durch das rechtsmissbräuchliche Eingehen einer Ehe zum Zweck der Erlangung von fremdenrechtlich bedeutsamen Bewilligungen ist auch die weitere Folgerung der belangten Behörde, dass vorliegend die im § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, unbedenklich (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/18/0451).

2. Bei der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 und 2 FPG hat die belangte Behörde den fast fünfjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und seine familiären sowie beruflichen Bindungen berücksichtigt. Die daraus ableitbaren persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet werden aber in ihrem Gewicht dadurch gemindert, dass er nur auf Grund seiner bevorzugten Stellung als Ehegatte einer österreichischen Staatsbürgerin im Inland aufhältig sein und hier eine unselbständige Beschäftigung annehmen durfte.

Die Beschwerde bringt vor, der Beschwerdeführer sei aufgrund seiner erlittenen Herzinfarkte in ständiger medizinischer Behandlung, die jedoch in Serbien nicht gewährleistet sei, und verweist auf sein diesbezügliches Vorbringen in der Berufung.

Aus den im Verwaltungsakt erliegenden Kopien von ärztlichen Attesten ergibt sich, dass der Beschwerdeführer aufgrund einer Herzerkrankung diversen Ladungen nicht Folge leisten konnte. In der Berufung hat der Beschwerdeführer bereits auf einen erlittenen Herzinfarkt hingewiesen und eine ständige medizinische Behandlung vorgebracht. Die belangte Behörde ist auf dieses Beschwerdevorbringen jedoch mit keinem Wort eingegangen und hat diesen Umstand im Rahmen der von ihr vorgenommenen Interessenabwägung nicht erkennbar miteinbezogen. Ermittlungen dazu sind weder dem bekämpften Bescheid noch den vorgelegten Verwaltungsakten zu entnehmen.

Da nicht auszuschließen ist, dass die belangte Behörde bei einem ordnungsgemäß durchgeführten Ermittlungsverfahren zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, kommt dem Verfahrensmangel Relevanz zu.

3. Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
CAAAE-81224