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VwGH vom 26.01.2012, 2010/21/0215

VwGH vom 26.01.2012, 2010/21/0215

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde des D in A, vertreten durch die Ortner Rechtsanwalts KG in 4810 Gmunden, Kirchengasse 6, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 155.456/2- III/4/10, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte die belangte Behörde gemäß § 44 Abs. 3 und § 44b Abs. 1 Z 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) den erstinstanzlichen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom , mit dem der am gestellte Antrag des Beschwerdeführers, eines nigerianischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" zurückgewiesen worden war.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer am illegal nach Österreich eingereist sei und einen Tag später einen Asylantrag gestellt habe. Dieser sei mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom rechtskräftig abgewiesen worden, gleichzeitig sei der Beschwerdeführer ausgewiesen worden.

Den gegenständlichen Antrag habe der Beschwerdeführer damit begründet, dass er seit Juli 2004 in Österreich lebte. Religiöse Unruhen gegen seine Glaubensgemeinschaft hätten ihn gezwungen, sein Heimatland zu verlassen; viele Menschen, so auch die Eltern des Beschwerdeführers im Jahr 2004, wären verstorben und er wäre der einzige gewesen, der überlebt hätte. Er wäre hilflos und es gäbe wegen der Zerstörung und der emotionalen Folterung keine Hoffnung, wieder nach Nigeria zurückzugehen. Er würde im Bundegebiet leben wollen und versuchen, sich zu integrieren und die deutsche Sprache zu erlernen.

Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich habe mit begründeter Stellungnahme vom gemäß § 44b Abs. 2 NAG festgestellt, dass gegen den Beschwerdeführer im Asylverfahren eine seit rechtskräftige Ausweisung verhängt worden sei und sich diese fremdenpolizeiliche Maßnahme im Sinn des Art. 8 EMRK als zulässig erweise.

Dem Beschwerdeführer sei, so die belangte Behörde weiter, seit der erstinstanzlichen Entscheidung des Bundesasylamtes vom der unsichere Aufenthalt im Bundesgebiet bekannt gewesen. Er habe seit von der Grundversorgung gelebt, sei ledig und habe in Österreich keine Familie gegründet. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet gründe sich ausschließlich auf den Asylantrag. Aus dem Erkenntnis des Asylgerichtshofes sei weiters ersichtlich, dass er eine nigerianische Verlobte habe, die in Nigeria lebe und arbeite. Er habe einen Großteil seines bisherigen Lebens in Nigeria verbracht und dort die Grund- und Hauptschule besucht, spreche Haussa und Englisch und sei als Händler, Verkäufer und Missionar tätig gewesen. Somit bestehe eine gewisse Bindung zu seinem Heimatstaat.

Über die Zulässigkeit der Ausweisung sei im asylrechtlichen Verfahren "unter Abwägung des Art. 8 EMRK" abgesprochen worden. Daher liege keine Verletzung von Art. 8 in Verbindung mit Art. 13 EMRK vor, da die Kriterien zum Schutz und der Achtung des Privat- und Familienlebens bereits im Asylverfahren geprüft worden seien.

Im Hinblick auf den der Ausweisung zugrunde liegenden Sachverhalt und unter Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 NAG komme aus dem begründeten Antragsvorbringen des Beschwerdeführers sowie aus seinem Berufungsschreiben vom kein maßgeblich geänderter Sachverhalt hervor. Aus diesem Grund erscheine "ein weiteres Eingehen als nicht geboten". Die Zurückweisung des Antrages durch die erstinstanzliche Behörde sei somit rechtskonform erfolgt.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Unbestritten blieb, dass der Beschwerdeführer mit dem im Instanzenzug ergangenen Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom rechtskräftig ausgewiesen wurde. Sein Antrag nach § 44 Abs. 3 NAG (in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 29/2009) war daher gemäß § 44b Abs. 1 Z 1 NAG zurückzuweisen, es sei denn, es wäre im Hinblick auf maßgebliche Sachverhaltsänderungen seit der ergangenen Ausweisung eine Neubeurteilung im Hinblick auf Art. 8 EMRK erforderlich. Zur Frage, wann eine in diesem Sinn maßgebliche Sachverhaltsänderung vorliegt, hat sich der Verwaltungsgerichtshof etwa in den Erkenntnissen vom , Zl. 2011/22/0127, und vom , Zl. 2011/22/0035 bis 0039, geäußert. Auf die Entscheidungsgründe dieser Erkenntnisse wird insofern gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

Die belangte Behörde gelangte zu dem Ergebnis, dass eine derartige Sachverhaltsänderung nicht eingetreten sei. Dabei hat sie aber die bereits in der Antragsbegründung sowie in der im erstinstanzlichen Verfahren erstatteten Stellungnahme vom vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstände völlig unberücksichtigt gelassen, insbesondere das Vorliegen eines Dienstvorvertrages für eine Tätigkeit im Baunebengewerbe vom und die Tatsache, dass seine Verlobte (bzw. - laut den Angaben des Beschwerdeführers - kirchlich angetraute Ehefrau) nicht mehr im Herkunftsland Nigeria lebte. Beim Beschwerdevorbringen, dass der Beschwerdeführer noch an den Folgen eines am erlittenen Verkehrsunfalls leide, handelt es sich zwar um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung (im Verwaltungsverfahren waren Unterlagen betreffend diesen Unfall vorgelegt worden, aus diesen geht aber hervor, dass der Beschwerdeführer in einem guten Zustand aus der stationären Behandlung entlassen worden sei); weiters ist eine drohende Verfolgung im Herkunftsland, wie sie in der Beschwerde ebenfalls unter dem Gesichtspunkt einer wesentlichen Sachverhaltsänderung behauptet wird, nicht im Verfahren zur Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nach § 44 Abs. 3 NAG, sondern in erster Linie im Asylverfahren zu beurteilen. Jedoch hätte schon eine Auseinandersetzung mit den oben genannten, vom Beschwerdeführer rechtzeitig vorgebrachten Umständen zum Ergebnis führen können, dass maßgebliche Sachverhaltsänderungen eingetreten sind, die einer Zurückweisung des Antrages nach § 44b Abs. 1 Z 1 NAG entgegenstehen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, ohne dass es einer Auseinandersetzung mit dem übrigen Beschwerdevorbringen bedurft hätte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
SAAAE-81223