VwGH vom 26.08.2010, 2010/21/0203
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des S, vertreten durch Dr. Marcus Zimmerbauer, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Bürgerstraße 41, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom , Zl. E1/17425/09, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Auf Grund der Beschwerde und der mit ihr vorgelegten Bescheidausfertigung ergibt sich Folgendes:
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß §§ 31, 53 und 66 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich aus.
Begründend ging die belangte Behörde - unter Hinweis auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz - davon aus, dass der Beschwerdeführer am unrechtmäßig in Österreich eingereist sei. Am selben Tag habe er einen Asylantrag gestellt. Das Asylverfahren sei am gemäß §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 "negativ entschieden" worden.
Nach Einleitung des Ausweisungsverfahrens habe der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom ausgeführt, sich seit etwa siebeneinhalb Jahren in Österreich aufzuhalten, über gute Deutschkenntnisse und eine Beschäftigungsbewilligung zu verfügen. Auch habe er einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gestellt. Darüber hinaus würden auch Familienmitglieder in Österreich leben.
Der Beschwerdeführer halte sich - so die belangte Behörde in ihrer rechtlichen Beurteilung - seit rechtswidrig im Bundesgebiet auf. Es komme ihm seit dieser Zeit kein Aufenthaltsrecht auf Grund irgendeiner gesetzlichen Bestimmung zu. Derartiges sei von ihm auch nicht behauptet worden.
Durch die Ausweisung werde in das Privatleben des Beschwerdeführers eingegriffen. Er halte sich bereits ungefähr acht Jahre im Bundesgebiet auf und gehe hier auch einer Erwerbstätigkeit nach. Des Weiteren halte sich eine Tante von ihm in Österreich auf. Jedoch werde das Gewicht der aus der Aufenthaltsdauer ableitbaren Integration gemindert, weil der Aufenthalt während des Asylverfahrens nur auf Grund eines Antrages, der sich letztendlich als unberechtigt erwiesen habe, "temporär berechtigt" gewesen sei. Es sei dem Beschwerdeführer bewusst gewesen, dass er das Privat- und Familienleben während eines Zeitraumes geschaffen habe, in dem sein Aufenthaltsstatus unsicher gewesen sei. Daher habe er nicht damit rechnen dürfen, nach einem allfälligen negativen Ausgang des Asylverfahrens weiterhin in Österreich bleiben zu dürfen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass das Asylbegehren bereits am in erster Instanz "negativ entschieden" worden sei. Mittlerweile halte sich der Beschwerdeführer - seit - etwa neun Monate unrechtmäßig in Österreich auf. Ein mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maße. Die Ausweisung sei demnach gemäß § 66 Abs. 1 FPG zur Wahrung der öffentlichen Ordnung dringend geboten. Die Übertretung fremdenpolizeilicher Vorschriften stelle einen gravierenden Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung dar. Ein geordnetes Fremdenwesen sei für den österreichischen Staat von eminentem Interesse. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Beachtung durch die Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu. Die öffentliche Ordnung werde schwerwiegend beeinträchtigt, wenn einwanderungswillige Fremde sich unerlaubt nach Österreich begeben, um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Dies gelte ebenso, wenn Fremde nach Auslaufen einer Aufenthaltsberechtigung oder nach Abschluss eines Asylverfahrens das Bundesgebiet nicht rechtzeitig verlassen. In solchen Fällen sei die Erlassung einer Ausweisung erforderlich, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte. Vor diesem Hintergrund sei auch das der Behörde zur Verfügung stehende Ermessen zu Lasten des Beschwerdeführers auszuüben. Besondere Umstände, die eine Ermessensübung zu Gunsten des Beschwerdeführers gebieten würden, seien nicht ersichtlich.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
In der Beschwerde wird ausdrücklich eingeräumt, dass sich der Beschwerdeführer - seit Abschluss des Asylverfahrens - unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, und es wird auch nicht bestritten, dass der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt ist. Die diesbezügliche Beurteilung der belangten Behörde begegnet angesichts der oben wiedergegebenen (unbestrittenen) Feststellungen im angefochtenen Bescheid keinen Bedenken.
Der Beschwerdeführer bringt jedoch unter dem Gesichtspunkt der nach § 66 FPG gebotenen Interessenabwägung und der von der belangten Behörde getroffenen Ermessensentscheidung vor, dass er sich seit über acht Jahren im Bundesgebiet aufhalte, wobei sein Aufenthalt großteils rechtmäßig gewesen sei. Er sei strafrechtlich in keiner Weise in Erscheinung getreten, sei einer Erwerbstätigkeit nachgegangen, gehe (auch jetzt) einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nach und spreche gut Deutsch. Der Beschwerdeführer verweist auch auf die "extrem lange Verfahrensdauer" des Asylverfahrens und führt aus, dass er als vollwertiges Mitglied "der Gesellschaft" behandelt worden sei. Es sei auch grundsätzlich nicht nachvollziehbar, warum ihm auf Grund der erstinstanzlichen negativen Entscheidung des Bundesasylamtes bereits bewusst gewesen sein müsste, dass sein Aufenthaltsrecht bloß befristet sei. Auch hielten sich mehrere Onkeln und Tanten im Bundesgebiet auf.
Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Umstände wurden allerdings von der belangten Behörde sowohl bei ihrer Interessenabwägung als auch der Ermessensübung ausreichend berücksichtigt. Insbesondere strich sie zu Gunsten des Beschwerdeführers seinen etwa acht Jahre dauernden Aufenthalt, seine Erwerbstätigkeit und die guten Deutschkenntnisse hervor. Des Weiteren sprach sie dem Beschwerdeführer nicht ab, dass er mit (weiter entfernten) in Österreich aufhältigen Verwandten, wie etwa seiner Tante, Kontakt pflege.
Zutreffend hielt die belangte Behörde der derart bestehenden Integration aber entgegen, dass der ihr zu Grunde liegende Aufenthalt des Beschwerdeführers lediglich auf einen unbegründeten Asylantrag zurückzuführen war und seit Beendigung des Asylverfahrens unrechtmäßig ist. Die während des Aufenthalts erlangten Gesichtspunkte der Integration wurden in einem Zeitraum erworben, als sich der Beschwerdeführer (spätestens) auf Grund der Abweisung seines Asylantrages im April 2003 der Unsicherheit seines Aufenthaltsstatus bewusst war, er also nicht mit einem dauernden Aufenthalt im Bundesgebiet rechnen durfte.
Warum es an diesem Bewusstsein, das ohne Weiteres jedenfalls ab Zustellung des den Asylantrag erstinstanzlich abweisenden Bescheides angenommen werden durfte, gefehlt haben soll, vermag die Beschwerde nicht schlüssig aufzuzeigen. Inwieweit die Dauer des Asylverfahrens darauf Einfluss gehabt haben soll, ist nicht erkennbar. Dass diesem Bewusstsein im gegebenen Zusammenhang maßgebliches Gewicht zukommt, entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. grundlegend das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0293, Punkt 2.2.2.3. der Entscheidungsgründe).
Zwar bedeutet das - schon vor dem Hintergrund der gebotenen, alle Parameter des § 66 Abs. 2 FPG einzubeziehenden Gesamtbetrachtung - nicht, dass der während eines unsicheren Aufenthaltsstatus erlangten Integration überhaupt keine Relevanz beizumessen wäre und ein solcherart begründetes privates und familiäres Interesse nie zur Unzulässigkeit einer Ausweisung führen könnte. Jedoch sind die im vorliegenden Fall zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände, insbesondere auch die Beziehung zu seinen weiter entfernten Verwandten (Tanten und Onkeln, mit denen er unbestritten nicht im gemeinsamen Haushalt lebt) in ihrer Gesamtheit betrachtet nicht von einem solchen Gewicht, dass sie eine Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung begründen könnten. Bei der Abwägung ist auch der strafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers kein die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers maßgeblich verstärkendes Gewicht beizumessen.
Es trifft die Ansicht der belangten Behörde zu, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt. Gegen diese Normen verstoßen Fremde, die - wie der Beschwerdeführer - trotz negativen Abschlusses ihres Asylverfahrens in Österreich (unrechtmäßig) verbleiben, was nach dem Gesagten eine maßgebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen darstellt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/21/0149).
Zusammenfassend ist es sohin insgesamt fallbezogen nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde die Ausweisung des Beschwerdeführers unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK nicht als unzulässigen Eingriff in sein Privatleben angesehen hat. Auch die Ermessensübung durch die belangte Behörde begegnet keinen Bedenken.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am
Fundstelle(n):
SAAAE-81181