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VwGH vom 15.12.2020, Ra 2019/02/0137

VwGH vom 15.12.2020, Ra 2019/02/0137

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision der Landespolizeidirektion Niederösterreich gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom , LVwG-S-848/001-2018, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde iA Übertretung des KFG (mitbeteiligte Partei: A in W, vertreten durch Mag. Udo Hansmann, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Doblhoffgasse 7/12), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1Die revisionswerbende Landespolizeidirektion Niederösterreich erließ gegen den Mitbeteiligten die Strafverfügung vom , mit der sie ihn wegen Verletzung von § 103 Abs. 2 KFG iVm § 9 Abs. 1 VStG als handelsrechtlichen Geschäftsführer einer näher genannten GmbH gemäß § 134 Abs. 1 KFG bestrafte, weil die verlangte Lenkerauskunft nicht vollständig erteilt worden sei. Im dagegen erhobenen Einspruch wies Herr H. unter Vorlage der Vollmachtsurkunde vom darauf hin, dass ihn der Mitbeteiligte bevollmächtigt habe, ihn in Verwaltungsstrafsachen zu vertreten.

2Das daraufhin erlassene Straferkenntnis vom richtete die Landespolizeidirektion an den Mitbeteiligten zu Handen Herrn H., dem es auch zugestellt wurde.

3Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die gegen das genannte Straferkenntnis vom Mitbeteiligten, vertreten durch Herrn H., erhobene Beschwerde gemäß § 31 Abs. 1 iVm § 50 VwGVG mangels Anfechtungsobjekt als unzulässig zurück und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig. Die Zustellverfügung dieses Beschlusses lautet an Herrn H. „i.V.v.“ Mitbeteiligten.

4Das Verwaltungsgericht stellte den Inhalt der Vollmacht vom wie folgt fest: „Ich [Mitbeteiligter] bevollmächtige - sowohl als Privatperson wie auch als Geschäftsführer - Herrn H[...], mich in Verwaltungsstrafsachen zu vertreten und diese ggf. in meinem Namen zu beeinspruchen.“ Rechtlich erwog das Verwaltungsgericht, der Mitbeteiligte habe damit Herrn H. zweifelsfrei nicht zum Empfang von Schriftstücken bevollmächtigt, sodass die Zustellung des Straferkenntnisses an Herrn H. keine Zustellwirkung an den Mitbeteiligten auslöse und ihm gegenüber das Straferkenntnis nicht rechtswirksam erlassen worden sei. Daher sei die Beschwerde mangels Anfechtungsobjekt als unzulässig zurückzuweisen.

5Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Amtsrevision der Landespolizeidirektion, welche eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung durch die Abweichung des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichtes von der - näher dargelegten - ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Umfang der Vertretungsbefugnis nach § 10 AVG gegeben sieht. Das Verwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor. Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision kostenpflichtig zurück- oder abzuweisen.

6Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7Die Revision ist zulässig und begründet.

8Gemäß § 10 Abs. 1 AVG können sich die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, u.a. durch natürliche Personen vertreten lassen. Bevollmächtigte haben sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen.

9Nach § 10 Abs. 2 AVG richten sich Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Die Behörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs. 3 AVG von Amts wegen zu veranlassen.

10Beim Inhalt der Vollmachtsurkunde handelt es sich um eine Erklärung im Einzelfall, die auszulegen ist. Eine derartige Auslegung stellt im Allgemeinen keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar. Die Auslegung einer Vollmachtsurkunde im Einzelfall ist nur revisibel, wenn dem Verwaltungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen ist (vgl. , mwN). Eine solche Fehlbeurteilung liegt hier vor:

11Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beinhaltet nämlich eine allgemeine Vollmacht zur Vertretung grundsätzlich auch eine Zustellvollmacht (vgl. ; und , jeweils mwN). Von diesem Grundsatz besteht dann eine Ausnahme, wenn ein Empfang von Schriftstücken ausgeschlossen ist (vgl. , mwN).

12Der im angefochtenen Beschluss festgestellte Inhalt der Vollmacht, den Mitbeteiligten in Verwaltungsstrafsachen zu vertreten, lässt keine Einschränkung hinsichtlich der Befugnis zur Empfangnahme von Schriftstücken erkennen. Auch wenn der weitere Text der Vollmachtsurkunde („und diese ggf. in meinem Namen zu beeinspruchen“) auf Verwaltungsstrafsachen verweist, ist auch darin keine Einschränkung der Befugnis, Zustellungen zu erhalten, zu sehen.

13Indem das Verwaltungsgericht dem Bevollmächtigten die Befugnis absprach, Schriftstücke für den Vollmachtgeber in Empfang zu nehmen, wich es von der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab und belastete seinen Beschluss mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

14Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019020137.L00

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