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VwGH vom 06.05.2020, Ra 2019/02/0131

VwGH vom 06.05.2020, Ra 2019/02/0131

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie den Hofrat Mag. Straßegger und die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision des Magistrats der Stadt Wien gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom , Zlen. 1. VGW-002/092/4535/2019-2 und 2. VGW- 002/V/092/4536/2019, betreffend Übertretungen des Wiener Wettengesetzes (mitbeteiligte Parteien: 1. Ing. T B in S und

2. C GmbH in G, beide vertreten durch Mag. Martin Paar und Mag. Hermann Zwanzger, Rechtsanwälte in 1040 Wien, Wiedner Hauptstraße 46/6), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis des revisionswerbenden Magistrats der Stadt Wien vom wurde dem Erstmitbeteiligten vorgeworfen, er habe als verantwortlicher Beauftragter der zweitmitbeteiligten Partei gemäß § 9 Abs. 2 VStG zu verantworten, dass die zweitmitbeteiligte Partei, welche in einer näher bezeichneten Betriebsstätte die Tätigkeit als Wettunternehmerin, nämlich Buchmacherin, ausübe, am insofern die Verpflichtung des § 19 Abs. 2 erster Satz Wiener Wettengesetz, wonach die Wettunternehmerin oder der Wettunternehmer einer Betriebsstätte mit Wettterminals jedenfalls in geeigneter Weise dafür sorgen müsse, dass der Zutritt zu Räumen mit einem Wettterminal und die Teilnahme an einer Wette nur volljährigen Personen ermöglicht werde, die ihre Identität durch Vorlage eines gültigen amtlichen Lichtbildausweises gemäß Abs. 1 par. cit. nachgewiesen hätten und nicht gesperrt seien, nicht eingehalten habe, als keine geeigneten Maßnahmen getroffen worden seien, um den Zutritt zu dem Raum, in dem ein Wettterminal aufgestellt gewesen sei, nur volljährigen Personen zu ermöglichen, die ihre Identität durch Vorlage eines gültigen amtlichen Lichtbildausweises gemäß Abs. 1 par. cit. nachgewiesen hätten und nicht gesperrt seien, weil bei Zutritt zum Hauptraum der Tankstelle, in dem ein Wettterminal aufgestellt gewesen sei, keine Kontrolle durchgeführt worden sei.

In der gleichen Weise habe der Erstmitbeteiligte zu verantworten, dass die zweitmitbeteiligte Partei am selben Ort und zur gleichen Zeit insofern die Verpflichtung des § 19 Abs. 3 Wiener Wettengesetz , wonach vor dem Eingang zu Räumen mit Wettterminals durch die Wettunternehmerin oder den Wettunternehmer oder die verantwortliche Person auf das Zutrittsverbot für Kinder und Jugendliche gut sichtbar und dauerhaft hinzuweisen sei, nicht eingehalten habe, als im Zutrittsbereich des Hauptraumes der Tankstelle, in dem ein Wettterminal aufgestellt gewesen sei, kein Hinweis auf das Zutrittsverbot für Kinder und Jugendliche ersichtlich gewesen sei.

Der Erstmitbeteiligte habe dadurch § 19 Abs. 2 erster Satz Wiener Wettengesetz, LGBl. für Wien Nr. 26/2016 in der Fassung LGBl. Nr. 48/2016 verletzt, weshalb über ihn gemäß § 24 Abs. 1 Z 12 leg. cit. iVm. § 9 Abs. 1 VStG eine Geldstrafe von EUR 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe drei Tage und 20 Stunden) verhängt wurde. Auch habe er § 19 Abs. 3 Wiener Wettengesetz, LGBl. für Wien Nr. 26/2016 in der Fassung LGBl. Nr. 48/2016 verletzt, weshalb über ihn gemäß § 24 Abs. 1 Z 12 leg. cit. iVm. § 9 Abs. 1 VStG eine Geldstrafe von EUR 800,-- (Ersatzfreiheitsstrafe ein Tag und 13 Stunden) verhängt wurde. Die zweitmitbeteiligte Partei hafte gemäß § 9 Abs. 7 VStG für die verhängten Geldstrafen zur ungeteilten Hand.

2 Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Verwaltungsgericht Wien mit dem angefochtenen Erkenntnis Folge, es behob das Straferkenntnis und stellte das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall VStG ein. Eine ordentliche Revision erklärte es für unzulässig.

3 Das Verwaltungsgericht traf die Feststellung, dass sich zum Tatzeitpunkt im Tankstellenshop eine technische Einrichtung befunden habe, die den Abschluss von Buchmacherwettern ermöglicht habe. Für diesen Standort habe die zweitmitbeteiligte Partei über eine "Bewilligung nach dem GTBW-G" verfügt und sei der Erstmitbeteiligte von der zweitmitbeteiligten Partei zum verantwortlichen Beauftragten mit umfassender Anordnungsbefugnis bestellt worden.

4 Das Verwaltungsgericht führte rechtlich aus, dass § 19 Abs. 2 erster Satz Wiener Wettengesetz auf die zweitmitbeteiligte Partei nicht anwendbar sei, weil dessen Anwendbarkeit das Vorhandensein einer Betriebsstätte mit "Wettterminals", somit jedenfalls mit zwei derartigen technischen Einrichtungen voraussetze. Diese Bestimmung lasse sich nicht aus teleologischen Erwägungen gleichermaßen auf Betriebstätten mit lediglich einem Wettterminal anwenden, denn einer derartigen analogen Anwendung stehe das in Art. 7 EMRK garantierte Verbot der analogen Anwendung von Strafvorschriften in "malam partem" entgegen. Dass der Gesetzgeber hier tatsächlich die Pluralform habe festlegen wollen, erhelle daraus, dass er - wie sich bereits aus dem zweiten Teil des ersten Satzes des § 19 Abs. 1 Wiener Wettengesetz entnehmen lasse - sehr wohl zwischen Ein- und Mehrzahl zu unterscheiden wisse. Dasselbe gelte auch für die zweite vorgeworfene Verwaltungsübertretung. § 19 Abs. 3 Wiener Wettengesetz verpflichte zum Hinweis auf das Zutrittsverbot für Kinder vor dem Eingang zu Räumen "mit Wettterminals". Diese Hinweispflicht knüpfe gleichermaßen an das Vorliegen von zumindest zwei Wettterminals an - somit an einen Sachverhalt, der gegenständlich nicht gegeben sei. Darüber hinaus sei dieses Hinweisgebot gemäß der Übergangsbestimmung des § 27 Abs. 1 Wiener Wettengesetz erst ab auf die zweitmitbeteiligte Partei anzuwenden. § 27 Abs. 4 Wiener Wettengesetz stehe dem nicht entgegen, handle es sich doch bei dem Hinweisgebot des § 19 Abs. 3 Wiener Wettengesetz weder um eine Identifikations- noch um eine Registrierungsverpflichtung. 5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Die mitbeteiligten Parteien erstatteten eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Zurück- oder Abweisung der Revision sowie den Zuspruch von Kostenersatz beantragten.

6 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7 Die Amtsrevision bringt zur ihrer Zulässigkeit zunächst vor,

dass die vom Verwaltungsgericht vertretene Rechtsauffassung unrichtig sei. Sowohl aus dem Wortlaut des § 19 Abs. 2 und 3 Wiener Wettengesetz als auch aus historischen, systematischen und teleologischen Erwägungen ergebe sich, dass die Zutrittskontrolle sowie die Hinweispflicht auch auf Betriebsstätten "mit lediglich einem Wettterminal" anzuwenden sei. Ein anderes Auslegungsergebnis dieser Bestimmungen würde zu einem mit dem verfassungsgesetzlichen Sachlichkeitsgebot nicht zu vereinbarenden Inhalt führen. Hierzu fehle jedoch Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

8 Die Revision ist aus diesem Grund zulässig und auch berechtigt.

9 Die mitbeteiligten Parteien bestreiten sowohl in der Beschwerde als auch in der Revisionsbeantwortung, dass es sich beim Tatort - gegenständlich einem Tankstellenshop - um eine Betriebsstätte im Sinn des Wiener Wettengesetzes handle. Das Verwaltungsgericht führte diesbezüglich aus, es könne dahingestellt bleiben, ob der Tankstellenshop eine Betriebsstätte iSd § 2 Z 7 Wiener Wettengesetz und die dort befindliche technische Einrichtung ein Wettterminal im Sinn des § 2 Z 8 leg. cit. seien, weil § 19 leg. cit. auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar sei.

10 Die mitbeteiligten Parteien wenden in ihrer Revisionsbeantwortung - der Begründung des Verwaltungsgerichts folgend - ein, dass § 19 Wiener Wettengesetz nicht anwendbar sei. Gestützt wird dies auf die Prämisse, wonach im ersten Satz des Abs. 2 par. cit. von "Betriebsstätten mit Wettterminals" - folglich mindestens zwei Wettterminals - die Rede sei, in der gegenständlichen Räumlichkeit sich jedoch nur ein Wettterminal befunden habe.

11 Der Begründung des Verwaltungsgerichtes als auch dem Vorbringen der Mitbeteiligten kann nicht gefolgt werden:

12 Zum Tatzeitpunkt am stand das Wiener Wettengesetz, LGBl. Nr. 26/2016 in der Fassung LGBl. Nr. 48/2016, in Kraft.

13 § 19 Wiener Wettengesetz in der Stammfassung LGBl. Nr. 26/2016, unverändert geblieben durch die Novelle LGBl. Nr. 48/2016, lautet:

"Schutz für Wettkundinnen und WettkundenJugendschutz

§ 19. (1) Die Teilnahme an einer Wette darf nur volljährigen Personen ermöglicht werden. Bei Zweifel über das Alter der Wettkundin bzw. des Wettkunden hat die Wettunternehmerin oder der Wettunternehmer oder die verantwortliche Person sich einen amtlichen Lichtbildausweis, der den Anforderungen des § 40 Abs. 1 Bankwesengesetz - BWG entspricht, vorlegen zu lassen und diesen zu kontrollieren.

(2) Die Wettunternehmerin oder der Wettunternehmer einer Betriebsstätte mit Wettterminals muss jedenfalls in geeigneter Weise dafür sorgen, dass der Zutritt zu Räumen mit einem Wettterminal und die Teilnahme an einer Wette nur volljährigen Personen ermöglicht wird, die ihre Identität durch Vorlage eines gültigen amtlichen Lichtbildausweises gemäß Abs. 1 nachgewiesen haben und nicht gesperrt sind. Die Wettunternehmerin oder der Wettunternehmer oder die verantwortliche Person hat die Identität (Name und Geburtsdatum) der Wettkundin oder des Wettkunden und die Daten des amtlichen Lichtbildausweises, mit dem die Identität nachgewiesen wurde, festzuhalten. Diese Informationen müssen sieben Jahre lang aufbewahrt werden.

(3) Vor dem Eingang zu Räumen mit Wettterminals ist durch die Wettunternehmerin oder den Wettunternehmer oder die verantwortliche Person auf das Zutrittsverbot für Kinder und Jugendliche gut sichtbar und dauerhaft hinzuweisen.

(4) ..."

14 Die Erläuterungen zum Wiener Wettengesetz in der Stammfassung Nr. 26/2016 (vgl. BlgLT 20. GP 3/2016, S. 2) geben zu Anlass und Inhalt des Gesetzesentwurfs u.a. an (Unterstreichungen nicht im Original):

"Der Gesetzentwurf beinhaltet umfangreiche Bestimmungen zum Schutz der Wettkundinnen und Wettkunden. Diese haben sich durch Vorlage eines amtlichen Lichtbildausweises zu legitimieren, sodass eine Kontrolle ihrer Identität durch eine in der Betriebsstätte

anwesende verantwortliche Person erfolgt. ... Dies dient aber auch

dem Schutz der Jugendlichen. Diesbezüglich wurde zusätzlich ein Zutrittsverbot für Kinder und Jugendliche zu Räumen mit einem (mehreren) Wettterminal(s) normiert."

15 Zu § 19 Wiener Wettengesetz in der Stammfassung Nr. 26/2016 führen die Erläuterungen (vgl. BlgLT 20. GP 3/2016, S. 8) Folgendes aus (Unterstreichungen nicht im Original):

"Abs. 1 bis Abs. 3 regeln den Schutz für Wettkundinnen und Wettkunden, indem die begleitenden Rahmenbedingungen zum Schutz wettender Personen festgelegt werden. Aufgrund des besonderen Suchtpotentials von Wettterminals sind für Betriebsstätten mit Wettterminal(s) (Abs. 2) strengere Vorschriften als für Betriebsstätten ohne Wettterminal(s) (Abs. 1) vorgesehen. In letzterem Fall muss die Wettunternehmerin oder der Wettunternehmer oder die verantwortliche Person nur im Zweifelsfall das Alter der Wettkundin oder des Wettkunden feststellen. Das bedeutet, dass eine Alterskontrolle dann unterbleiben darf, wenn offenkundig ist, dass die Wettkundin oder der Wettkunde bereits volljährig ist.

Bei Betriebsstätten mit Wettterminal(s) ist die Alterskontrolle verpflichtend (d.h. jede Wettkundin und jeder Wettkunde muss ihr oder sein Alter bzw. ihre oder seine Identität nachweisen). Wettkundinnen und Wettkunden dürfen Räume mit einem Wettterminal erst betreten, wenn diese ihre oder seine Volljährigkeit nachgewiesen haben und die Wettunternehmerin oder der Wettunternehmer oder die verantwortliche Person überprüft hat, ob die Wettkundin oder der Wettkunde sich selbst gesperrt haben.

...

Nach Abs. 3 sind Räume mit einem Wettterminal gut wahrnehmbar dahingehend zu kennzeichnen, dass diese von Kindern und Jugendlichen nicht betreten werden dürfen. Diese Verpflichtung ist im Interesse des Jugendschutzes sinnvoll.

..."

16 Gemäß § 24 Abs. 1 Z 12 Wiener Wettengesetz begeht eine Verwaltungsübertretung und ist - sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet - von der Behörde mit einer Geldstrafe bis EUR 22.000,-- und im Falle der Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu 6 Wochen zu bestrafen, wer als Wettunternehmerin oder Wettunternehmer die Verpflichtungen gemäß § 19 Abs. 1 bis 4 nicht einhält.

17 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch im öffentlichen Recht bei der Interpretation nach jenen grundlegenden Regeln des Rechtsverständnisses vorzugehen, die im ABGB für den Bereich der Privatrechtsordnung normiert sind (vgl. , mwN). Ziel der Auslegung ist die Ermittlung des rechtlich maßgeblichen, des normativen Sinns des Gesetzes. Jede Gesetzesauslegung hat (im Sinn des § 6 ABGB) mit der Erforschung des Wortsinns zu beginnen, wobei zu fragen ist, welche Bedeutung einem Ausdruck oder Satz nach dem allgemeinen Sprachgebrauch des Gesetzgebers zukommt (vgl. , mwN; ). Wird auf diesem Weg keine Eindeutigkeit des Gesetzeswortlauts erkannt, ist insbesondere auch der Regelungszusammenhang, in welchem die anzuwendende Norm steht, zu berücksichtigen (vgl. , mwN).

Strafrechtsquelle ist dabei ausschließlich das geschriebene Gesetz; eine Ergänzung desselben durch Analogie oder jede andere Art von Lückenschließung (etwa durch Größenschluss) zum Nachteil des Täters ist untersagt. Dies schließt allerdings eine Auslegung des Gesetzes nach Inhalt, Sinn und Tragweite nicht aus, doch muss die Auslegung jedenfalls ihre äußerste Grenze stets im möglichen Wortsinn der auszulegenden Norm haben; sie muss immer noch im Wortlaut des Gesetzes eine Stütze finden (vgl. , mwN).

18 Der Verwaltungsgerichtshof kam bereits in mehreren Entscheidungen, in denen es ebenso um die Frage der Auslegung der Verwendung von Pluralformen im Normtext für die Umschreibung von Tatbestandsmerkmalen ging, zum Schluss, dass aus der Verwendung der Mehrzahl in einer Norm nicht stets die Unanwendbarkeit dieser Bestimmung bei Vorliegen eines Tatbestandsmerkmals im Singular abzuleiten ist (vgl. betreffend "Selbstanzeigen" in § 29 Abs. 6 FinStrG ; oder betreffend die Verwendung der Mehrzahl "Grundstücke" in § 6 Abs. 1 Anliegerleistun gsgesetz ; oder betreffend "Anlagen" in § 6 Abs. 1 Salzburger Ortsbildschutzgesetz und "Ankündigungen oder Ankündigungsanlagen" in § 28 Abs. 1 lit. b leg. cit. ).

19 Der in § 19 Abs. 2 und 3 Wiener Wettengesetz idStF LGBl. Nr. 26/2016 verwendete Begriff "Wettterminals" im Plural entspricht entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts dem allgemeinen Sprachgebrauch des Gesetzgebers, der Räume mit Wettterminals und Räume mit einem Wettterminal ohne ersichtliches Unterscheidungskriterium verwendet. So ist etwa in § 19 Abs. 2 Wiener Wettengesetz explizit geregelt, dass "der Zutritt zu Räumen mit einem Wettterminal" nur volljährigen Personen zu ermöglichen ist. Damit liegt die Anwendung der Bestimmung auf Betriebsstätten mit einem Wettterminal innerhalb der Grenzen des Wortlauts, weshalb die vom Verwaltungsgericht angesprochene und letztlich abgelehnte (weil unzulässige) analoge Anwendung des § 19 Wiener Wettengesetz im gegenständlichen Fall nicht vorliegt.

20 Aus den oben (Rz 14 und 15) wiedergegebenen Erläuterungen zur Regierungsvorlage ist darüber hinaus ersichtlich, dass der Gesetzgeber explizit davon ausging, die verpflichtende Alterskontrolle, das Zutrittsverbot für Kinder und Jugendliche und die Kennzeichnungspflicht sowohl für Betriebsstätten als auch für Räume auch mit lediglich einem Wettterminal vorzusehen. 21 § 19 Abs. 2 Wiener Wettengesetz sieht eine Zutrittsüberwachung mit Alters- und Sperrvermerkskontrolle vor.

§ 19 Wiener Wettengesetz trifft darüber hinaus eine Unterscheidung zwischen Betriebsstätten ohne Wettterminals (Abs. 1) und Betriebsstätten mit Wettterminals (Abs. 2). Liegt eine Betriebsstätte nach Abs. 1 par. cit. vor, muss nach den obigen (Rz 15) Erläuterungen nur im Zweifelsfall das Alter der Wettkunden kontrolliert werden. In Betriebsstätten mit "Wettterminals" (Abs. 2) ist somit eine Alterskontrolle zwingend.

22 Im Wiener Wettengesetz wird dem Schutz der Kinder und Jugendlichen große Bedeutung beigemessen (vgl. , 0108), eine einschränkende Auslegung des § 19 Abs. 2 Wiener Wettengesetz in dem Sinn, dass nur Betriebsstätten mit mehr als einem Wettterminal erfasst wären, würde dem genannten Regelungsziel des § 19 Wiener Wettengesetzes und auch dem Schutz gesperrter Personen evident zuwiderlaufen.

23 Es wäre schon vor dem Hintergrund des Wortlauts in § 19 Abs. 2 Wiener Wettengesetz, wonach "der Zutritt zu Räumen mit einem Wettterminal" nur volljährigen Personen zu ermöglich ist sinnwidrig anzunehmen, dass der Gesetzgeber allein aufgrund der ebenfalls verwendeten Wortfolge "Betriebsstätte mit Wettterminals" bei Betriebsstätten mit nur einem Wettterminal keine Zutrittskontrolle vorsehen wollte. Es ist nämlich nicht zu sehen, weshalb der Schutz von Kindern, Jugendlichen und gesperrten Personen, in Form der Zutrittskontrolle, ausschließlich erst bei Vorhandensein von mindestens zwei Wettterminals eingehalten werden sollte, obwohl aufgrund des bei Wettterminals erhöhten Suchtpotentials bereits in Betriebsstätten mit nur einem Wettterminal der Schutzzweck eine Zutrittskontrolle erfordert. 24 Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts würde schlussendlich auch zum Ergebnis führen, dass die Wettunternehmer, um eine Anwendbarkeit des Jugendschutzes nach § 19 Wiener Wettengesetz sowie eine Strafbarkeit in weiterer Folge zu vermeiden, in den Betriebsstätten lediglich ein Wettterminal aufstellen müssten. Dies wäre aber aus dem Blickwinkel des erhöhten Interesses des Kinder- und Jugendschutzes sachlich nicht gerechtfertigt und nicht nachvollziehbar.

25 Eine Zutrittskontrolle nach § 19 Abs. 2 Wiener Wettengesetz idStF LGBl. Nr. 26/2016 ist daher auch bei Betriebsstätten mit nur einem Wettterminal vorzunehmen.

26 § 19 Abs. 3 Wiener Wettengesetz verlangt in der im Tatzeitpunkt geltenden Stammfassung LGBl. Nr. 26/2016, dass vor dem Eingang zu den "Räumen mit Wettterminals" auf das Zutrittsverbot für Kinder und Jugendliche gut sichtbar und dauerhaft hinzuweisen ist.

27 In den bereits oben dargelegten Erläuterungen führte der Gesetzgeber aus, dass nach Abs. 3 die "Räume mit einem Wettterminal" gut wahrnehmbar zu kennzeichnen sind, was den oben dargestellten Zweck der hier anzuwendenden Normen zusätzlich klarlegt.

28 Das bisher Gesagte gilt daher sinngemäß auch für § 19 Abs. 3 Wiener Wettengesetz, weshalb die Ansicht des Verwaltungsgerichts als auch der mitbeteiligten Parteien, dass auch § 19 Abs. 3 Wiener Wettengesetz in der genannten Fassung aufgrund der Verwendung der Pluralform ("Wettterminals") im Gesetzestext in diesem Fall nicht anwendbar sei, nicht zutrifft. Der Gesetzgeber stellte in den Erläuterungen mit der Verwendung des Begriffs "Wettterminal" im Singular klar, dass auch bei Vorhandensein eines Wettterminals eine Hinweispflicht vorliegen muss. Denn auch hier kann aus Kinder- und Jugendschutzüberlegungen (vgl. hierzu nochmals , 0108) nichts anderes gelten.

29 Die Hinweispflicht nach § 19 Abs. 3 Wiener Wettengesetz idStF LGBl. Nr. 26/2016 besteht daher auch bei Räumen mit nur einem Wettterminal.

30 Es trifft im Ergebnis somit nicht zu, dass der Wortlaut des § 19 Abs. 2 und 3 Wiener Wettengesetz die vom Verwaltungsgericht zu Grunde gelegte Auslegung erfordere.

31 Zusätzlich nahm das Verwaltungsgericht den Beginn der Hinweispflicht des § 19 Abs. 3 Wiener Wettengesetz erst am an.

32 Gemäß § 27 Abs. 1 Wiener Wettengesetz darf aufgrund von Berechtigungen, die vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes gemäß den Bestimmungen des Gesetzes betreffend Gebühren von Totalisateur- und Buchmacherwetten sowie Maßnahmen zur Unterdrückung des Winkelwettwesens, StGBl. Nr. 388/1919, in der Fassung LGBl. für Wien Nr. 5/1997 oder in der Fassung LGBl. für Wien Nr. 24/2001 oder in der Fassung LGBl. für Wien Nr. 26/2015 erteilt wurden, die Tätigkeit als Wettunternehmerin oder Wettunternehmer längstens bis zum Ablauf des ausgeübt werden (Übergangszeit). Diese Berechtigungen gelten bis zu diesem Zeitpunkt als Bewilligungen im Sinn dieses Gesetzes. Allfällige kürzere Befristungen bleiben erhalten.

33 Wird die Tätigkeit einer Wettunternehmerin oder eines Wettunternehmers aufgrund einer Berechtigung im Sinne des Abs. 1 ausgeübt, so sind das Verbot von Livewetten (§ 25 Abs. 1 Z 5) sowie die Identifikations- und Registrierungsverpflichtungen gemäß der § 16, 19 und 21 spätestens innerhalb von einem Jahr nach Inkrafttreten dieses Gesetzes einzuhalten (§ 27 Abs. 4 Wiener Wettengesetz).

34 Die Erläuterungen zum Wiener Wettengesetz idStF Nr. 26/2016 (vgl. BlgLT 20. GP 3/2016, S. 10) sagen dazu, dass aufrechte Bewilligungen (Konzessionen), die auf Grund der bisherigen Gesetzeslage erteilt wurden, weiterhin bis längstens gültig bleiben. Die Abs. 2 bis 4 enthalten Fristen für bereits bestehende Bewilligungen. Es wird geregelt, ab wann Wettunternehmerinnen und Wettunternehmer, welche ihrer Tätigkeit(en) aufgrund der "alten" Bewilligungen ausüben, einzelne Bestimmungen des gegenständlichen Gesetzes jedenfalls einhalten müssen.

35 Da § 27 Abs. 1 Wiener Wettengesetz lediglich die Berechtigung zur Tätigkeit als Wettunternehmerin oder Wettunternehmer für eine bestimmte Dauer anordnet, ist damit noch nicht gesagt, dass während dieser Übergangszeit die Anordnungen des Wiener Wettengesetzes nicht befolgt werden müssten. Das zeigt sich deutlich in den Absätzen 2 bis 4 des § 27 Wiener Wettengesetz,

die hinsichtlich einzelner Bestimmungen des Wiener Wettengesetzes Übergangsfristen für Inhaber "alter" Bewilligungen vorsehen. § 27 Abs. 4 Wiener Wettengesetz nennt zwar u.a. § 19, jedoch nur in Bezug auf Identifikations- und Registrierungsverpflichtungen, weshalb die hier in Rede stehende Hinweispflicht nicht davon erfasst ist und diese zum Tatzeitpunkt bereits eingehalten werden musste.

36 Somit hängt die Frage, ob eine Bestrafung nach § 19 Abs. 3 Wiener Wettengesetz idStF LGBl. Nr. 26/2016, zulässig war, von der obigen (Rz 29) Interpretation dieser Vorschrift ab. Im fortgesetzten Verfahren wird zusätzlich noch auf die Divergenz im Spruch des bekämpften Straferkenntnisses hinsichtlich § 9 Abs. 1 und 2 VStG einzugehen sein.

37 Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts war daher aus den dargestellten Gründen wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019020131.L00
Schlagworte:
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Besondere Rechtsgebiete Mängel im Spruch

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