VwGH vom 23.01.2007, 2006/06/0267

VwGH vom 23.01.2007, 2006/06/0267

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Khozouei, über die Beschwerde des KL in St. G, vertreten durch Engin-Deniz Reimitz Hafner, Rechtsanwälte KEG in Wien 1, Stubenring 16, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom , Zl. 1/02- 39.702/29-2006, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: I-Straße xx E und GmbH in W, R-Gasse x), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Vorgeschichte des Beschwerdefalles ist dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/06/0231, zu entnehmen. Daraus ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer als Nachbar eine der mitbeteiligten Partei (kurz: Bauwerberin) erteilte baubehördliche Bewilligung zur Errichtung einer Schule bekämpft. Mit dem zuvor genannten hg. Erkenntnis wurde der im "ersten Rechtsgang" ergangene Berufungsbescheid der belangten Behörde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben, weil die im Zusammenhang mit dem Betrieb der Schule möglichen Lärmquellen zu situieren und in ihren Auswirkungen zu erfassen gewesen wären, was aber in Verkennung der Rechtslage unterblieben sei.

Im fortgesetzten Ermittlungsverfahren vor der belangten Behörde brachte die Bauwerberin in einem Schriftsatz vom vor, die Integrierung der Schule innerhalb des Orts St. Gilgen (in der Folge kurz: Ort oder auch Gemeinde) gewährleiste die Ausnützung vieler bestehender Anlagen und vermindere das Risiko von Lärmbelästigung durch zu große Konzentration auf nur eine Anlage. Schüler im Alter von 11 bis 18 Jahren unterlägen auch gewissen von der Schule geförderten Verhaltensregeln; die normalen Geräusche eines Kinderspielplatzes oder einer Volksschule seien nicht zu erwarten. Die großzügig bemessene Campusanlage mit Park mit acht verschiedenen für den Unterricht bestimmten Gebäuden und die Unterbringung der Schüler in mehreren Internatsgebäuden belebten den Ort ohne großes Lärmaufkommen. Die Gesamtzahl der Schüler sei auf 350 beschränkt und die Schüler würden überdies in einer Internatsschule durch qualifiziertes Lehrpersonal beaufsichtigt.

Hinsichtlich der Turn- und Sportaktivitäten sei auch bei Erreichen der geplanten Schülerzahl von 350 Schülern aus folgenden Gründen keine Lärmbelästigung zu erwarten: Der Turnunterricht sei täglich nach Ende der regulären Unterrichtszeit zwischen 16.00 h und 18.30 h in den Turnhallen der Sporthauptschule des Ortes geplant. Im Ortsgebiet sollten die Schüler nur in kleineren Gruppen Zugang zu den bestehenden Tennis- und Basketballplätzen sowie dem Hallenbad erlangen. Mittels Listen seien die Gruppengrößen steuer- und kontrollierbar. Für Fußball und andere Feldsportarten werde die Schule um Benutzung der bestehenden Anlagen in einem näher bestehenden Ort ansuchen. Sämtliche andere Aktivitäten wie Wasser-, Segel- und Rudersport, Klettern und Bergwandern, wie auch Wintersport seien entweder nur mit kleinen und beaufsichtigten Schülergruppen geplant oder fänden nicht im Ortsgebiet statt.

Der Musikunterricht sei derzeit in den dafür schon jetzt für Musikunterricht genutzten Räumen der Alten Volksschule geplant. Musik- und Theateraufführungen seien im Kino/Theater des Ortes vorgesehen; diese Anlage werde auch schon jetzt zu diesem Zweck verwendet. Es sei auch zu erwähnen, dass der Schule die Verwendung der Räumlichkeiten der Musikkapelle des Ortes (Übungs- und Aufnahmeraum, Freiluftbühne) in Aussicht gestellt worden sei.

Am Campus der projektierten Schule seien keine gastronomischen Einrichtungen geplant. Die Schüler würden in drei bestehenden Gasthöfen mittagessen, die sie zu diesem Zweck bereits koordiniert hätten. Während der Mittagszeit verteilten sich die Schüler also auf mehrere Einrichtungen. Die Abendmahlzeiten würden meistens in den Internatsgebäuden eingenommen.

Im Ort selbst befänden sich eine Volks-, sowie eine Haupt- und Sporthauptschule. Die drei Schulen hielten den Unterricht sowie die sportlichen Aktivitäten im Bereich des Ortszentrums ab. Über Beschwerden bzw. Lärmbelästigungen durch die bestehenden Schulen lägen bei der Gemeinde keinerlei Meldungen vor.

Hierauf beraumte die belangte Behörde eine mündliche Verhandlung für den an, zu der auch der Beschwerdeführer (sowie seine Vertreter) geladen wurden; in der entsprechenden Erledigung ist als Betreff angeführt "Ergänzung des Ermittlungsverfahrens (konkrete Situierung möglicher Lärmquellen, sachverständigenmäßige Bewertung etc.)". Der Beschwerdeführer bekräftigte in einem Schriftsatz vom (die per Telekopie am selben Tag bei der belangten Behörde einlangte) seinen bisherigen Standpunkt.

In der Verhandlung vom , an welcher der Beschwerdeführer teilnahm, wurde zunächst das Projekt erörtert. Dann erstattete der hochbautechnische Amtssachverständige Befund und Gutachten. Darin wird u.a. auf die Situierung der Gebäude und ihre Verwendung eingegangen; der Sachverständige führte auch aus, dass in den neu zu errichtenden Häusern Klassenräume, Stiegenhäuser, Lufträume, "Softrooms" und Foyer eingezeichnet seien. Die Lage der Klassenräume wechsle je nach Geschoß zur jeweiligen Fassade. Die Dachgeschoße seien zur Gänze als Softrooms dargestellt. Diese seien als Bereiche dargestellt worden, die von den Lehrern und Schülern für den Unterricht selbst gestaltet werden könnten. Es seien dies jedenfalls keine offenen Flächen zum Austoben udgl. Im ehemaligen Seniorenheim befänden sich die einzigen Internatszimmer für jüngere Schüler. Ansonsten würden die Schüler in bestehenden Häusern und Hotels im Ort untergebracht. Dies gelte auch für die Versorgung mit Essen. Es gäbe bis auf die "Cafeteria" mit Getränkeautomaten und Speiseautomaten mit Selbstbedienung keine Ausspeisung oder Küche im Schulareal. Alle für die Schule notwendigen Säle wie Turnhalle, Vortragssaal, Musikzimmer, Theatersaal, udgl würden in bestehenden Bauwerken in der Umgebung durch Zusammenarbeit mit diesen Einrichtungen bereitgestellt (nach den weiteren Ausführungen des Sachverständigen sind im Haus Nr. 7, oberhalb der Bibliothek, zwei Cafeterias für jeweils bis maximal 30 Schüler vorgesehen).

Zusammenfassend kam dieser Sachverständige zum Ergebnis, aus fachlicher Sicht seien in der Planung alle bautechnischen Maßnahmen getroffen worden, die eine Belästigung des Nachbarn hintan hielten. Im Zusammenhang mit den Auflagen in der Baubewilligung könne davon ausgegangen werden, dass das örtlich zumutbare Maß (an Belästigungen) im Kerngebiet nicht überstiegen werde.

Der sanitätspolizeiliche Amtssachverständige führte u.a. aus, es sei geplant, die fragliche Schule vorerst nur mit wenigen Schülern (ca. 10 - 20) zu "beginnen" und sodann eine Auslastung bis zu 350 Schülern anzustreben. Es sollten Schüler im Alter von 11 - 18 Jahren die Schule besuchen. Es seien u.a. neun Internatszimmer (für 18 Schüler) vorgesehen, die vorwiegend für die jüngeren Schüler geplant seien. Im Bereich der Bibliothek solle eine Cafeteria untergebracht werden, welche lediglich mit Getränkeautomaten und Automaten für Snacks ausgestattet werden solle. Die nicht im Internatsgebäude wohnenden Schüler sollten in den umliegenden Pensionen, Hotels oder auch privaten Unterkünften wohnen. Auch das erforderliche Lehrpersonal solle in privaten Wohnungen untergebracht werden. Sowohl die Schüler als auch die Lehrer würden in den umliegenden Gasthöfen, Restaurants udgl verköstigt werden. Auf dem Gelände der projektierten Schule seien jedenfalls keine Küche oder Lagerräume für Lebensmittel geplant. Somit sei mit keiner Lärmentwicklung durch etwaige Anlieferungen von Lebensmitteln mit LKW zu rechnen. Auf dem Gelände der Schule befinde sich lediglich ein ca. 1.500 m2 großer Garten, welcher nicht zur Sportausübung genutzt werden solle. Die Schüler würden die Sporteinrichtungen der Gemeinde nutzen und somit über keine eigenen Sportanlagen verfügen. Es seien am Gelände der Schule auch keine speziellen Räumlichkeiten für den Musikunterricht vorgesehen. Auch insofern sollten bestehende Einrichtungen der Gemeinde genutzt werden. Aus sanitätspolizeilicher Sicht sei auf Grund der geplanten Bauobjekte mit den geplanten Nutzungen mit keiner Überschreitung der ortsüblichen Lärmbelastung für die Anrainer zu rechnen.

Der Beschwerdeführer verwies zunächst auf seine schriftliche Stellungnahme vom , die er aufrecht hielt, und beantragte, ihm eine angemessene Frist von vier Wochen zur Erstattung einer Stellungnahme zu den in der Verhandlung erstatteten Äußerungen der Amtssachverständigen einzuräumen. Auch beantragte er (soweit für das Beschwerdeverfahren erheblich), der Bauwerberin die Vorlage verschiedener Nachweise aufzutragen. Mit dem angefochtenen Bescheid (vom ) hat die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bewilligungsbescheid (abermals) als unbegründet abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, die Bauwerberin habe mit Eingabe vom das Projekt präzisiert. Hinsichtlich des Inhaltes dieser Eingabe werde auf den Akt verwiesen und festgehalten, dass diese Angaben bei der mündlichen Verhandlung, wie dem Folgenden zu entnehmen sei, erörtert worden seien. Am habe eine mündliche Verhandlung stattgefunden, anlässlich derer von den beigezogenen Sachverständigen Befund und Gutachten erstattet worden seien. Im angefochtenen Bescheid folgt sodann eine wörtliche Wiedergabe der Ausführungen der beiden Amtssachverständigen, sowie (u.a.) der Stellungnahme des Beschwerdeführers. Die vom Verwaltungsgerichtshof im seinem aufhebenden Erkenntnis aufgetragenen Erhebungen, so führte die belangte Behörde weiters aus, seien nunmehr erfolgt. Das Vorhaben sei von der Bauwerberin spezifiziert und von den der mündlichen Verhandlung beigezogenen Sachverständigen geprüft und beschrieben worden. Es sei somit eine Situierung möglicher Lärmquellen und gleichzeitig eine Aufklärung darüber erfolgt, dass mit bestimmten Lärmerregern - nämlich nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers - projektbedingt überhaupt nicht zu rechnen sei. Es sei nämlich nicht vorgesehen, dass in den bewilligten Bauten ein Musikunterricht stattfinde oder auch Musikzimmer eingerichtet würden. Dieser Musikunterricht werde nämlich ebenso in Anlagen der Gemeinde stattfinden wie der Sportunterricht bzw. die Sportausübung im Allgemeinen. Ebenso werde in der Schule keine Küche eingerichtet. Es werde daher auch zu keinen Lärmemissionen kommen, welche von einem Küchenbetrieb ausgingen und wie sie der Beschwerdeführer befürchte (Lieferfahrzeuge, Lärm beim Zurücksetzen und Entladen der Fahrzeuge, etc.). Zusammenfassend seien beide Sachverständigen zum Ergebnis gelangt, dass keine Belästigungen entstünden, welche das örtlich zumutbare Maß überstiegen und daher keine weitere Vorschreibung von Auflagen geboten sei.

Im Hinblick auf das insoweit eindeutige Ergebnis der Ermittlungen und die plausiblen Ausführungen der Sachverständigen sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Dem Antrag auf Einräumung einer Frist zur Erstattung einer Stellungnahme zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens und insbesondere zu den eingeholten Äußerungen der Sachverständigen sei nicht zu entsprechen gewesen, weil der Beschwerdeführer selbst keinen Grund hiefür genannt habe. Ein solches Erfordernis sei der belangten Behörde auch nicht ersichtlich.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall kommt es, wie im Vor-Erkenntnis näher dargelegt, darauf an, ob das Vorhaben im Sinne des § 39 Abs. 2 BauTG Belästigungen der Nachbarn erwarten lässt, welche das örtlich zumutbare Maß übersteigen (was zur Folge hätte, dass zur Abwehr dieser Belästigungen weiter gehende Auflagen erteilt werden können). Die belangte Behörde hat dies auf Grundlage des ergänzenden Ermittlungsverfahrens verneint. Der Beschwerdeführer hält das ergänzende Ermittlungsverfahren für mangelhaft und die Beurteilung der belangten Behörde für unzutreffend.

Die belangte Behörde hat im ergänzten Ermittlungsverfahren eine mündliche Verhandlung durchgeführt, im Zuge derer das von der Bauwerberin mit Schriftsatz vom präzisierte Vorhaben erörtert wurde und ergänzende Sachverständigenbeweise aufgenommen wurden. Der Umstand, dass der Schriftsatz der Bauwerberin vom dem Beschwerdeführer vor der Verhandlung nicht eigens zur Kenntnis gebracht wurde (was aber nicht unzweckmäßig gewesen wäre), vermag jedenfalls keinen wesentlichen Verfahrensmangel zu begründen, wohl aber, dass die belangte Behörde dem Beschwerdeführer entgegen seinem Antrag keinerlei Frist zur Stellungnahme zu den in der Verhandlung erstatteten Gutachten der beiden Sachverständigen eingeräumt hat. Es handelte sich hier um wesentliche Beweisergebnisse, die nach der Begründung des angefochtenen Bescheides die Grundlage für die (neuerliche) Abweisung der Berufung bildeten. Wenn, wie im Beschwerdefall, die belangte Behörde der Auffassung war, dass nur durch Fachgutachten zu klärende Fragen zu entscheiden sind, genügte es nicht, dem Beschwerdeführer das Parteiengehör (ungeachtet seines Antrages, ihm eine Frist zur Stellungnahme einzuräumen) nur dadurch einzuräumen, dass er die Möglichkeit zur sofortigen Stellungnahme in der Verhandlung hatte; vielmehr musste er (darüber hinaus) die Möglichkeit haben, eine (gegebenenfalls durch Gegengutachten) fundierte Stellungnahme abzugeben (siehe dazu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/06/0053, mwN.). Ein für den Beschwerdeführer günstigeres Ergebnis (so etwa, vor dem Hintergrund der in der Beschwerde thematisierten Frage der Belieferung der projektgemäß vorgesehenen Cafeterias und der damit im Zusammenhang befürchteten Lärmentwicklung, durch Vorschreibung von Auflagen iS des § 39 Abs. 2 BauTG) ist vorweg nicht auszuschließen.

Der Beschwerdeführer bemängelt weiters, er habe anlässlich der Verhandlung vom beantragt, den Bauwerber aufzufordern "Nachweise über die Regelung der Parkplatzsituation, Turnsaal, Musikzimmer, Kino, Tennisplätze, Wasserveranstaltungen, Unterbringung im Internat am Gelände, Unterbringung Lehrpersonal außerhalb, Parkplätze, die von der Gemeinde zugesagt worden sind, vorzulegen". Dieser Antrag sei von der belangten Behörde ignoriert worden und es sei auch deshalb das Ermittlungsverfahren mangelhaft geblieben. Es sei nämlich zu bezweifeln, dass die Gemeinde eine entsprechende Infrastruktur bereitstellen könne und es in der Folge zu Veränderungen in der Verwendung der Objekte der Schule kommen würde. Dem ist zu entgegnen, dass hier nur maßgeblich ist, ob der Beschwerdeführer durch die erteilte Bewilligung in geltend gemachten subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten verletzt wurde; künftige mögliche Veränderungen haben außer Betracht zu bleiben. Eine Infrastruktur außerhalb des Schulgeländes war nicht Gegenstand der Bewilligung, und es gibt auch kein eigenständiges, gleichsam isoliert-abstraktes subjektiv-öffentliches Nachbarrecht auf Beibringung solcher Nachweise.

Dadurch, dass die belangte Behörde es ablehnte, dem Beschwerdeführer eine Frist zur Stellungnahme zu den in der Verhandlung erstatteten Gutachten einzuräumen, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit c VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am