VwGH vom 01.04.2008, 2006/06/0243
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde des Mag. PD in W, vertreten durch Dr. Alexandra Sedelmayer, Rechtsanwältin in 1030 Wien, Marxergasse 29/11, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-150433/6/Lg/Hue, betreffend Zurückweisung eines Einspruches gegen eine Strafverfügung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit der Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft L-L vom wurde dem Beschwerdeführer eine Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 und § 11 Abs. 1 Bundesstraßen-Mautgesetz zur Last gelegt und über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 400,-- verhängt. Aus dem im Akt einliegenden Zustellnachweis betreffend die Zustellung in 1090 Wien, P-Gasse 32 Top 18 (der Beschwerdeführer hat diese Abgabestelle der erstinstanzlichen Behörde am telefonisch angegeben), ergibt sich, dass das Zustellorgan einen ersten Zustellversuch am unternommen hat und eine Ankündigung des zweiten Zustellversuches in das Hausbrieffach eingelegt hat, der zweite Zustellversuch am erfolgte und die Verständigung darüber wieder in das Hausbrieffach eingelegt worden war. Die Hinterlegung beim Postamt 1090 Wien erfolgte danach am , der Beginn der Abholfrist war der .
Der vom Beschwerdeführer erhobene Einspruch langte bei der Bezirkshauptmannschaft L-L am ein. Das Poststück wurde am aufgegeben.
Die Bezirkshauptmannschaft L-L wies mit Bescheid vom den Einspruch wegen verspäteter Einbringung zurück. Dies wurde damit begründet, dass die angefochtene Strafverfügung nach dem vorliegenden Zustellnachweis am "gültig" beim Postamt 1090 Wien hinterlegt worden sei. Die Einspruchsfrist von zwei Wochen sei am verstrichen. Der am zur Post gegebene und am bei der Bezirkshauptmannschaft L-L eingelangte Einspruch sei daher verspätet.
Der Beschwerdeführer erhob dagegen Berufung. Er sei vom 4. März bis ortsabwesend gewesen, er sei erst am in seine Wohnung zurückgekehrt und habe erst zu diesem Zeitpunkt Kenntnis von der Hinterlegung des Schriftstückes erlangt.
Im Auftrag der belangten Behörde forderte die erstinstanzliche Behörde den Beschwerdeführer auf, seine Ortsabwesenheit zum Zeitpunkt der Hinterlegung der Strafverfügung bzw. gegebenenfalls den Zeitpunkt der Rückkehr an die Abgabestelle
nachzuweisen bzw. glaubhaft zu machen.
In seiner Äußerung vom gab der Beschwerdeführer an, er sei in der Zeit vom bis nicht in seiner Wohnung aufhältig gewesen. Er habe diese Zeit ausschließlich mit seiner langjährigen Freundin Frau E.L. in Wien 17, R-Gasse 7/218, verbracht. Er habe erst am von der Hinterlegung des Schriftstückes Kenntnis erlangt.
Die belangte Behörde wies die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Sie führte dazu im Wesentlichen aus, dass bei einer Zustellung zu eigenen Handen der Empfänger durch die Verständigung vom erfolglosen ersten Zustellversuch und der Aufforderung, zu der für die Vornahme des zweiten Zustellversuches bestimmten Zeit zur Annahme des Schriftstückes anwesend zu sein, Kenntnis davon erlangen könne, dass ihm ein behördliches Schriftstück zugestellt werden solle. Auf die tatsächliche Kenntnisnahme komme es nicht an. Die Hinterlegung habe die Wirkung der Zustellung, wenn der Empfänger am Tag des ersten Zustellversuches ortsanwesend gewesen sei (Hinweis u.a. auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 91/19/0322). Ein solcher Fall liege vor, da der Beschwerdeführer einen Tag vor seiner Ortsabwesenheit (am ) durch die Ankündigung eines zweiten Zustellversuches davon Kenntnis erlangt habe, dass ihm ein behördliches Schriftstück (Strafverfügung) zugestellt werden solle. Es wäre am Beschwerdeführer gelegen gewesen, dafür zu sorgen, dass ihm "der Inhalt der Strafverfügung bzw. die Rechtsmittelfrist rechtzeitig zur Kenntnis" gelange, zumal sich der Beschwerdeführer auch während seiner Abwesenheit von der Abgabestelle im selben Wohnort (Wien) aufgehalten habe. Der Fristenlauf zur Einbringung eines Rechtsmittels gegen die Strafverfügung habe somit mit dem Tag der Hinterlegung am begonnen und habe am geendet. Der am abgesendete Einspruch sei daher verspätet.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im vorliegenden Beschwerdefall ist das Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 (ZustG), in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 10/2004, anzuwenden.
Gemäß § 21 Abs. 1 ZustG dürfen dem Empfänger zu eigenen Handen zuzustellende Sendungen nicht an einen Ersatzempfänger zugestellt werden.
Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung ist der Empfänger, wenn die Sendung beim ersten Zustellversuch nicht zugestellt werden kann, schriftlich unter Hinweis auf die sonstige Hinterlegung zu ersuchen, zu einer gleichzeitig zu bestimmenden Zeit an der Abgabestelle zur Annahme des Schriftstückes anwesend zu sein. Dieses Ersuchen ist in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf, Hausbrieffach) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Zur angegebenen Zeit ist ein zweiter Zustellversuch durchzuführen. Ist auch dieser erfolglos, ist nach § 17 zu hinterlegen.
Gemäß § 17 Abs. 1 ZustG ist das Schriftstück, wenn die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann und der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, im Falle der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in der selben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.
Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung ist der Empfänger von der Hinterlegung schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf, Hausbrieffach) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.
Gemäß Abs. 3 dieser Bestimmung ist die hinterlegte Sendung mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte.
Gemäß Abs. 4 dieser Bestimmung ist die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 oder im § 21 Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.
Der Beschwerdeführer macht geltend, die belangte Behörde hätte ohne weitere Ermittlungstätigkeit nicht davon ausgehen dürfen, dass er tatsächlich am die Möglichkeit gehabt habe, von der Zustellung Kenntnis zu erlangen. Er habe erstmals am von der Zustellung Kenntnis erlangt, in dem er in seinem Postkasten bei seiner Rückkehr die Hinterlegungsanzeige vorgefunden habe. Es habe sich außer der Hinterlegungsanzeige keine weitere Anzeige der Post im Briefkasten des Beschwerdeführers befunden. Eine solche Verständigung über den zweiten Zustellversuch habe er in seinem Briefkasten am Nachmittag des nicht vorgefunden. Der Zustellnachweis mit dem entsprechenden Vermerk über die Hinterlegung der Ankündigung des zweiten Zustellversuches sei kein Beweis dafür, dass die Ankündigung auch tatsächlich hinterlegt worden sei und dies sei im vorliegenden Fall auch tatsächlich nicht geschehen. Die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, zu diesem Punkt weitere Ermittlungen anzustellen. Sie hätte ihm den angeblichen Nachweis zur Kenntnis bringen müssen und ihn zur Äußerung bzw. Rechtfertigung auffordern müssen. Er sei von diesem Beweisergebnis der belangten Behörde regelrecht überrumpelt worden.
Dem ist Folgendes entgegenzuhalten:
Der Beweis, dass eine Zustellung vorschriftsmäßig erfolgt ist, wird durch den eine öffentliche Urkunde darstellenden Zustellnachweis (Rückschein) erbracht, gegen den jedoch gemäß § 292 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 24 VStG und § 47 AVG der Gegenbeweis zulässig ist. Behauptet jemand, es läge ein Zustellmangel vor, so hat er diese Behauptung entsprechend zu begründen und Beweise dafür anzuführen, welche die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen geeignet sind (vgl. u.a. das Erkenntnis vom , Zl. 91/19/0322). Bei einer Zustellung zu eigenen Handen nach § 21 ZustG kann der Empfänger bereits durch die Verständigung vom erfolglosen ersten Zustellversuch und die Aufforderung, in der für die Vornahme des zweiten Zustellversuches bestimmten Zeit zur Annahme des Schriftstückes anwesend zu sein, Kenntnis davon erlangen, dass ihm ein behördliches Schriftstück zugestellt werden soll. Auf die tatsächliche Kenntnisnahme komme es nicht an (§ 17 Abs. 4 leg. cit.). Diese Möglichkeit bewirkt aber, dass die Hinterlegung die rechtswirksame Zustellung der Sendung auch dann zur Folge hat, wenn der Empfänger zur Zeit des zweiten Zustellversuches und/oder der Hinterlegung von der Abgabestelle abwesend ist (vgl. das angeführte hg. Erkenntnis vom ). Da nach dem vorliegenden Zustellnachweis der erste Zustellversuch und die Verständigung vom zweiten Zustellversuch am erfolgte, zu einem Zeitpunkt also, zu dem der Beschwerdeführer von der angeführten Abgabestelle nicht abwesend war, ist im Sinne der dargelegten Judikatur davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer von der Zustellung Kenntnis erlangen konnte.
Der Beschwerdeführer war im Verfahren vor der belangten Behörde zu seiner Abwesenheit während der Hinterlegung der fraglichen Sendung befragt worden. Der Beschwerdeführer hatte somit im Verfahren die Möglichkeit, zur Frage der wirksamen Zustellung gemäß § 21 i.V.m. § 17 ZustG Stellung zu nehmen. Dass nach dem vorliegenden Zustellnachweis eine Verständigung des Beschwerdeführers über den ersten Zustellversuch am bzw. die Ankündigung eines neuerlichen Zustellversuches vorgenommen worden sei, musste dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde nicht ausdrücklich vorgehalten werden.
Wenn der Beschwerdeführer nunmehr in der Beschwerde der Annahme der Durchführung einer Verständigung im Sinne des § 21 Abs. 2 ZustG entgegenhält, es müsse amtsbekannt sein, dass gerade in Wien die Zusteller dazu neigten, ihren Verpflichtungen im Zusammenhang mit RSa- bzw. RSb-Zustellungen teilweise nur mangelhaft nachzukommen bzw. Zusteller, bevor sie zu ihrer Zustelltour aufbrechen, die Hinterlegungsanzeigen bereits ausfüllten, weil sie gar nicht vorhätten, persönlich an den Türen zu läuten, erstattet er damit kein Vorbringen, das den auf Grund des Zustellnachweises vorliegenden Beweis über die Verständigung über den ersten Zustellversuch und die Ankündigung des zweiten Zustellversuches im Hausbrieffach des Beschwerdeführers in Frage stellen könnte. Abgesehen davon handelt es sich dabei um ein erstmals im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erhobenes Vorbringen.
Die belangte Behörde ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte und die die Strafverfügung vom enthaltende Sendung gemäß § 21 Abs. 2 i.V.m. § 17 Abs. 3 ZustG mit dem ersten Tag der Abholfrist, also mit dem , als zugestellt zu gelten hat. Der verfahrensgegenständliche Einspruch des Beschwerdeführers war somit verspätet.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am