VwGH vom 21.07.2011, 2008/18/0271
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des KB in W, vertreten durch Mag. Roland Schlegel, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dr. Karl Lueger-Platz 5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 1357/06, betreffend Erlassung eines unbefristeten Rückkehrverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Gambia, ein auf § 62 Abs. 1 und Abs. 2 iVm § 60 Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG gestütztes unbefristetes Rückkehrverbot.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei eigenen unbestätigten Angaben zufolge am unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereist und habe am selben Tag einen Asylantrag gestellt, das Berufungsverfahren sei noch anhängig.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom sei der Beschwerdeführer wegen des teils versuchten, teils vollendeten Vergehens nach § 27 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 (erster Fall) SMG, § 15 StGB sowie des Vergehens nach § 27 Abs. 1 SMG zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten verurteilt worden. Der Beschwerdeführer habe am vier Säckchen mit 3 g Marihuana brutto für den unmittelbar bevorstehenden Weiterverkauf an bekannte Abnehmer bereitgehalten, am ein Säckchen mit 0,6 g Marihuana (brutto) einem abgesondert verfolgten Suchtgiftabnehmer verkauft sowie am selben Tag 45 weitere Säckchen mit insgesamt 27,8 g Marihuana brutto für den unmittelbar bevorstehenden Weiterverkauf an unbekannte Abnehmer bereitgehalten, sowie am ein Säckchen Marihuana an einen Unbekannten verkauft und weitere sechs Säckchen mit insgesamt 4,2 g Marihuana brutto für den unmittelbar bevorstehenden Weiterverkauf an unbekannte Abnehmer bereitgehalten. Er habe dabei in der Absicht gehandelt, sich dadurch eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen. Von April 2003 bis habe er wiederholt Marihuana für den Eigenkonsum erworben und besessen.
In Unkenntnis dieser Verurteilung habe die Erstbehörde am gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot wegen Mittellosigkeit erlassen, welches in Rechtskraft erwachsen sei.
Am sei der Beschwerdeführer neuerlich vom Landesgericht für Strafsachen Wien verurteilt worden, und zwar wegen des versuchten Vergehens nach § 28 Abs. 2 SMG, § 15 StGB, des Vergehens nach § 27 Abs. 1 (sechster Fall), Abs. 2 Z. 2 (erster Fall) SMG sowie des Vergehens nach § 27 Abs. 1 (zweiter Fall) SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten. (Die mit der ersten Verurteilung gewährte bedingte Strafnachsicht von sechs Monaten Freiheitsstrafe wurde widerrufen.) Der Beschwerdeführer habe Suchtgift in großer Menge im Sinn des § 28 Abs. 6 SMG in der Absicht, sich dadurch eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen, mit dem Vorsatz, dass es in Verkehr gesetzt werde, zu erwerben und besitzen versucht. Er habe am Cannabiskraut gegen eine Bezahlung des Kaufpreises von EUR 2.000,-- unter Beihilfe eines Mitverurteilten übernehmen wollen, wobei er jedoch vor der Übergabe festgenommen worden sei. Zwischen Mitte Mai 2005 und habe er in der Absicht, sich dadurch eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen, in mehreren Angriffen eine Menge von zumindest 250 g Cannabiskraut an unbekannte Suchtgiftabnehmer verkauft. Zusätzlich habe er am Cannabiskraut zum Eigenkonsum erworben und besessen.
Die Verurteilungen erfüllten den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG und das Gesamt(fehl)verhalten des Berufungswerbers gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit im höchsten Maße, was die Erlassung eines Rückkehrverbotes gemäß § 62 Abs. 1 FPG rechtfertige.
Familiäre Bindungen zum Bundesgebiet habe der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht, doch sei auf Grund seines etwas mehr als viereinhalbjährigen inländischen Aufenthaltes von einem mit dem Rückkehrverbot verbundenen Eingriff in sein Privatleben auszugehen. Eine aus dem bisherigen Aufenthalt ableitbare Integration werde erheblich durch das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers beeinträchtigt, weshalb die privaten Interessen gegenüber den hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen an der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen sowie zum Schutz der Gesundheit in den Hintergrund zu treten hätten.
Von der Erlassung des Rückkehrverbotes habe wegen des Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers sowie der Art und Schwere der ihm zur Last liegenden Straftaten auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens Abstand genommen werden können. Das werde auch durch die Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten ausgeschlossen.
Das Rückkehrverbot sei auf unbestimmte Zeit auszusprechen gewesen, weil der Beschwerdeführer bereits kurz nach seiner Einreise dem wiederholten gewerbsmäßigen Suchtgifthandel im Hinblick auf eine besonders große Suchtgiftmenge nachgegangen sei, was seine Geringschätzung für maßgebliche zum Rechtsgüterschutz aufgestellten Vorschriften nachhaltig erkennen lasse. Das Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers lasse nicht vorhersehen, wann die erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet wegfallen werde.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer wendet sich nicht gegen die Annahme der belangten Behörde, infolge seiner Verurteilungen sei der Tatbestand des § 60 Abs. 1 Z. 2 FPG, auf den § 62 Abs. 2 FPG u.a. auch verweist, erfüllt und das diesen Verurteilungen zugrunde liegende Verhalten rechtfertige die Annahme der in § 62 Abs. 1 FPG ausgedrückten Gefährdung. Diese Auffassung begegnet angesichts der unbestrittenen Verurteilungen und des festgestellten Fehlverhaltens des Beschwerdeführers keinen Bedenken.
2.1. Hinsichtlich der von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG durchgeführten Interessenabwägung verweist der Beschwerdeführer auf eine seit August 2006 mit einer österreichischen Staatsbürgerin bestehende Lebensgemeinschaft, sein Wohlverhalten seit Begehung der Straftaten in der Dauer von nahezu zweieinhalb Jahren und die Teilnahme an einem Lehrgang für Basisbildung für Jugendliche und junge Erwachsene im Verein Integrationshaus.
2.2. Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, das Ergebnis der behördlichen Interessenabwägung in Zweifel zu ziehen.
Im erstinstanzlichen Bescheid vom nahm die Bundespolizeidirektion Wien auf Grund der Aussage des Beschwerdeführers vom fehlende familiäre und berufliche Bindungen des Beschwerdeführers zu Österreich an und legte dies ausdrücklich der Entscheidungsfindung zu Grunde. In der dagegen am erhobenen Berufung ging der Beschwerdeführer mit keinem Wort auf eine geänderte familiäre oder private Situation ein. Das nunmehrige Vorbringen, der Beschwerdeführer lebe seit August 2006 mit einer österreichischen Staatsbürgerin in Lebensgemeinschaft, verstößt daher gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot, sodass darauf nicht Bedacht genommen werden kann.
Dasselbe gilt für die in der Beschwerde neu behauptete Teilnahme an einem Lehrgang für Basisbildung, wofür im Verwaltungsverfahren keinerlei Vorbringen erstattet wurde.
Soweit der Beschwerdeführer für die Interessenabwägung eine besondere Bedachtnahme auf das seit Begehung seiner Straftaten beinahe zweieinhalbjährige Wohlverhalten geltend macht, ist nicht zu beanstanden, wenn die belangte Behörde die soziale Komponente der Integration des Beschwerdeführers auf Grund seines strafbaren Verhaltens erheblich an Gewicht gemindert beurteilte, beging er doch die Suchtmitteldelikte gewerbsmäßig. Nach zwei Jahren wurde er massiv rückfällig. Der danach folgende Zeitraum von zweieinhalb Jahren kann unter dem Aspekt der strafrechtlichen Unbescholtenheit nicht gravierend zu Gunsten des Beschwerdeführers ins Gewicht fallen.
Der Beschwerde ist es daher nicht gelungen, die von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung in Frage zu stellen, und es begegnet somit diese Beurteilung keinem Einwand.
3. Auch dem Beschwerdevorbringen, das Rückkehrverbot hätte nicht unbefristet verhängt werden dürfen, ist nicht zu folgen.
In Anbetracht seines gravierenden Fehlverhaltens und des bereits erfolgten Rückfalles vermag der Beschwerdeführer die Auffassung der belangten Behörde nicht zu widerlegen, dass ein Wegfall der für die Erlassung des Rückkehrverbotes maßgeblichen Gründe im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht vorhergesehen werden könne.
4. Der Behauptung des Beschwerdeführers hinsichtlich einer Verletzung des Parteiengehörs ist entgegenzuhalten, dass er - wie oben dargelegt - bereits im Rahmen der Berufung ausreichend Gelegenheit hatte, seinen Standpunkt darzustellen und Vorbringen zu erstatten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/18/0704).
Ebenso wenig kann der Beschwerde beim Vorwurf einer Verletzung der Begründungspflicht gefolgt werden. Der angefochtene Bescheid enthält, anders als der Beschwerdeführer meint, nicht nur allgemeine, vom Sachverhalt des beschwerdegegenständlichen Falles losgelöste, floskelhafte Ausführungen, sondern geht vielmehr bei der Begründung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung auf das den strafrechtlichen Verurteilungen zugrunde liegende Verhalten ein. Es kann daher keine Rede davon sein, dass der angefochtene Bescheid nicht ausreichend begründet sei.
5. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
6. Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
RAAAE-81112