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VwGH 17.12.2015, 2013/07/0233

VwGH 17.12.2015, 2013/07/0233

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
WRG 1959 §31 Abs1;
WRG 1959 §31 Abs2;
WRG 1959 §31 Abs3;
RS 1
Bei der Prüfung der Rechtspflicht des Verpflichteten zur Durchführung der gemäß § 31 Abs. 2 und 3 WRG 1959 erforderlichen Abwehrmaßnahmen kommt es zwar nicht auf ein Verschulden an (vgl. E , 2011/07/0225); allerdings gehen die angeführten Bestimmungen vom Verursacherprinzip aus (vgl. E , 2001/07/0105; E , 2001/07/0179). Die Verpflichtung zur Abwehr einer Gewässerverunreinigung nach § 31 Abs. 2 WRG 1959 trifft somit den objektiven Verursacher.
Normen
VwGG §42 Abs2 Z1;
WRG 1959 §31;
RS 2
Wurde eine Gewässergefährdung nicht durch den aktuellen Betriebsinhaber verursacht, sondern durch ein früheres, bereits abgeschlossenes Betriebsgeschehen ausgelöst, kann der aktuelle Anlageninhaber hierfür nicht in Anspruch genommen werden.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger sowie die Hofrätin Dr. Hinterwirth und die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenwarter, über die Beschwerde der E GmbH & Co. KG in G, vertreten durch Mag. Michael Tinzl, Mag. Albert Frank und Mag. Michael Schönlechner, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Museumstraße 21, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom , Zl. IIIa1-W-60.525/1, betreffend wasserrechtsbehördliche Maßnahme gemäß § 31 Abs. 3 WRG 1959, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Die beschwerdeführende Partei betreibt eine Tankstelle auf dem Grundstück Nr. 217/1, KG G.

2. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck (der Erstbehörde) vom wurden der beschwerdeführenden Partei gemäß § 31 Abs. 3 WRG 1959 als Verpflichtete zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung auf ihre Kosten näher genannte Maßnahmen nach Maßgabe des von Mag. T.S. vorgelegten Sanierungsberichtes vom aufgetragen.

Begründend führte die Erstbehörde - gestützt auf das Gutachten eines Amtssachverständigen für Kulturbau - im Wesentlichen aus, dass im Zuge einer Straßensanierung auf dem Grundstück Nr. 1491/2, KG G., kontaminiertes Erdreich vorgefunden worden sei. Aufgrund weiterer Grabungsarbeiten sowie bei Freilegung der bestehenden Wasserleitung sei festgestellt worden, dass der gegenständliche Ölaustritt von der beschwerdeführenden Partei auf dem Grundstück Nr. 217/1, KG G., stamme, weil sowohl im Bereich des Hausanschlusses der Wasserleitung der Tankstelle als auch im Bereich von im Jahr 1998 entfernten unterirdischen Lagerbehälter "organoleptisch kontaminierter Bodenbereich" vorgefunden worden sei.

3. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wandte sich die beschwerdeführende Partei insbesondere gegen die Feststellung der Erstbehörde, dass der gegenständliche Ölaustritt von ihr stamme, und brachte dazu im Wesentlichen vor, dass die vorgefundenen Bodenkontaminationen durch den historischen Tankstellenbetrieb der "Alliierten" ("von 1945 bis 1958") oder durch den von M.W. von 1958 bis 1979 eingerichteten Tankstellenbetrieb verursacht worden seien. Zudem sei davon auszugehen, dass folgend der Fließrichtung des Grundwassers die Kontamination nördlich der Betriebsliegenschaft gefunden worden sei, und zwar unmittelbar nördlich der 1993 entfernten Öltanks, die im Eigentum der A. GmbH gestanden seien.

Zwischen 1979 und 1993 sei auf dieser Liegenschaft keine Tankstelle betrieben worden. E.G. (Gesellschafter der beschwerdeführenden Partei) habe die Liegenschaft im Jahr 1984 aus der Konkursmasse (des Konkurses über das Vermögen des M.W.) gekauft. Der Tankstellenbetrieb der beschwerdeführenden Partei sei im Jahr 1993 aufgenommen worden. Vor der Betriebsaufnahme seien auf behördlichen Auftrag umfangreiche Sanierungsarbeiten durchgeführt worden; dabei seien Behälter entfernt und ein Behälter mit Beton aufgefüllt worden. Die Treibstofftanks, aus denen nunmehr die Tankstelle betrieben werde, seien im Jahr 1993 bzw. 1994 neu im Erdreich versetzt worden. Diese Öltanks seien dicht und könnten daher die gegenständlichen Kontaminationen nicht verursacht haben. Erst später sei bekannt geworden, dass die auf Gemeindegrund befindlichen Behälter erst im Jahr 1998 freigelegt und entsorgt worden seien. Diese Arbeiten seien damals auf Kosten der A. GmbH erfolgt.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass als Verpflichteter nach § 31 Abs. 1 WRG 1959 jedermann in Betracht komme, dessen Anlagen, Maßnahmen der Unterlassungen eine Einwirkung auf Gewässer herbeiführen könnten. Dieser sei bereits bei Eintritt einer Gefahr einer Gewässerverunreinigung zu einem bestimmten Handeln verpflichtet, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die eingetretene Gefährdung verschuldet oder unverschuldet gewesen sei. Es komme lediglich darauf an, dass durch die Anlage objektiv die Gefahr einer Verunreinigung eingetreten sei.

Die aus § 31 WRG 1959 erwachsene Verpflichtung sei verschuldensunabhängig und bestehe auch unabhängig davon, ob und inwieweit ein allfälliger späterer Eigentümer von entsprechenden Anlagen und Liegenschaften ebenfalls als Verpflichteter gemäß dieser Gesetzesstelle herangezogen werden könne. Es könne somit auch die kumulative Heranziehung von Voreigentümer und jeweiligem Eigentümer als solidarisch Verpflichtete in Betracht kommen.

Bestehe die Gefahr einer nicht bloß geringfügigen Gewässerverunreinigung, so treffe nach § 31 Abs. 1 WRG 1959 primär den Verursacher eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Abwehr weiterer Verunreinigungen bzw. zum Ersatz des notwendigen und zweckmäßig gemachten Aufwands im Sinne einer verschuldensunabhängigen Verursacherhaftung. Dabei gehe es nicht um Schadenersatzpflichten, sondern primär um Schadensverhütungs- oder doch um Schadensbegrenzungs- oder um Sanierungsmaßnahmen, die auch ohne Verschulden bzw. ohne eine vielfach gar nicht mögliche Verschuldensprüfung unverzüglich zu treffen seien. Dabei könne die Bestimmung des § 31 Abs. 2 WRG 1959 sinnvollerweise nur dahin verstanden werden, dass derjenige zu Maßnahmen verpflichtet sei und von der Behörde dazu verhalten werden könne, der die durch ihn herbeigeführte Gefahr beherrsche und damit faktisch, aber auch rechtlich in der Lage sei, entsprechende Abwehrmaßnahmen zu treffen. Als Anlagenbetreiber sei derjenige anzusehen, der die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Anlage habe und auf dessen Rechnung sie betrieben werde; in der Regel werde dies der Eigentümer oder Bestandnehmer sein.

Tankstellenbetreiber könnten an sich "Betreiber" einer Anlage iSd § 31 Abs. 1 WRG 1959 und damit primär Haftende iSd § 31 Abs. 3 WRG 1959 sein, umfasse doch die Haftung für Anlagen nicht nur deren Herstellung, sondern auch deren Instandhaltung und Betrieb.

Die beschwerdeführende Partei sei - unbestrittenermaßen - Betreiberin der betroffenen Anlage. Dass diese Anlage der beschwerdeführenden Partei typischerweise eine Gewässerverunreinigung herbeiführen könne, liege in der Natur der Sache. Die beschwerdeführende Partei sei daher schon deshalb als Verpflichtete im Sinne des § 31 Abs. 3 WRG 1959 anzusehen, weil sie die von der Maßnahme betroffene Anlage betreibe.

Im Zuge des erstbehördlichen Verfahrens sei unwidersprochen festgestellt worden, dass im Bereich des Hausanschlusses der Wasserleitung hinter der Tankstelle sowie im Bereich der 1998 entfernten unterirdischen Lagerbehälter "organoleptisch kontaminierte Bodenbereiche" vorhanden seien. Aufgrund der vorgefundenen Sachlage bestehe die Gefahr einer Gewässerverunreinigung.

Zu Recht habe die Erstbehörde daher der beschwerdeführenden Partei die zur Vermeidung einer (weiteren) Gewässerverunreinigung erforderlichen Maßnahmen nach § 31 Abs. 3 WRG 1959 aufgetragen.

5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Auf den vorliegenden, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

2. Der hier relevante § 31 Wasserrechtsgesetz 1959 - WRG 1959, BGBl. Nr. 215/1959 idF BGBl. I Nr. 156/2002, lautet auszugsweise wie folgt:

"Allgemeine Sorge für die Reinhaltung.

§ 31. (1) Jedermann, dessen Anlagen, Maßnahmen oder Unterlassungen eine Einwirkung auf Gewässer herbeiführen können, hat mit der im Sinne des § 1297, zutreffendenfalls mit der im Sinne des § 1299 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches gebotenen Sorgfalt seine Anlagen so herzustellen, instandzuhalten und zu betreiben oder sich so zu verhalten, daß eine Gewässerverunreinigung vermieden wird, die den Bestimmungen des § 30 zuwiderläuft und nicht durch eine wasserrechtliche Bewilligung gedeckt ist.

(2) Tritt dennoch die Gefahr einer Gewässerverunreinigung ein, hat der nach Abs. 1 Verpflichtete unverzüglich die zur Vermeidung einer Verunreinigung erforderlichen Maßnahmen zu treffen und die Bezirksverwaltungsbehörde, bei Gefahr im Verzug den Bürgermeister oder die nächst Dienststelle des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu verständigen. (...)

(3) Wenn die zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung erforderlichen Maßnahmen nicht oder nicht rechtzeitig getroffen werden, so hat die Wasserrechtsbehörde, soweit nicht der unmittelbare Werksbereich eines Bergbaues betroffen wird, die entsprechenden Maßnahmen dem Verpflichteten aufzutragen oder bei Gefahr im Verzuge unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen. (...)

(...)"

3. Die beschwerdeführende Partei bestreitet nicht, Betreiberin der Tankstelle zu sein. Sie wendet sich allerdings dagegen, Verpflichtete im Sinne des § 31 Abs. 2 WRG 1959 zu sein, und bringt dazu im Wesentlichen vor, dass stets ein kausaler Zusammenhang zwischen einer Anlage und einer dadurch herbeigeführten Gefahr vorausgesetzt werde, um einen Anlagebetreiber tatsächlich als Verpflichteten gemäß § 31 Abs. 2 WRG 1959 ansehen zu können. Ein derartiger kausaler Zusammenhang habe im vorliegenden Fall jedoch nicht hergestellt werden können; die belangte Behörde habe diesbezüglich auch keine Feststellungen getroffen.

Wenn die belangte Behörde ausführe, dass das Vorliegen eines Verschuldens nicht entscheidend sei, so sei dies nicht maßgeblich. Die beschwerdeführende Partei habe nicht dahin argumentiert, dass sie an den vorgefundenen Ölkontaminationen kein Verschulden treffe, sondern von vornherein jeglichen Kausalzusammenhang, welcher als grundlegende Voraussetzung für eine Verpflichtung gemäß § 31 WRG 1959 anzusehen sei, bestritten.

Bei einer von der beschwerdeführenden Partei selbst veranlassten Überprüfung der eigenen Anlage durch ein Gutachten des Sachverständigen Mag. T.S. habe sich ergeben, dass diese dicht sei und somit von dieser die gegenwärtige Ölkontamination nicht stammen könne. Damit sei auch erwiesen, dass die gegenständliche Ölkontamination gerade nicht auf die Anlage der beschwerdeführenden Partei zurückgeführt werden könne.

4. Mit diesem Vorbringen gelingt es der Beschwerde, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun.

4.1. Als Verpflichteter eines Auftrages nach § 31 Abs. 3 WRG 1959 kommt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes jedermann in Betracht, dessen Maßnahmen, Unterlassungen oder Anlagen typischerweise zu nicht bloß geringfügigen Einwirkungen auf Gewässer führen können (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. Ro 2014/07/0025, mwN).

Bei der Prüfung der Rechtspflicht des Verpflichteten zur Durchführung der gemäß § 31 Abs. 2 und 3 WRG 1959 erforderlichen Abwehrmaßnahmen kommt es zwar - wie die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat - nicht auf ein Verschulden an (vgl. etwa die Judikaturnachweise bei Bumberger/Hinterwirth, WRG2 § 31 E 15, 16 und 21, sowie das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/07/0225); allerdings gehen die angeführten Bestimmungen vom Verursacherprinzip aus (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2001/07/0105, sowie vom , Zl. 2001/07/0179). Die Verpflichtung zur Abwehr einer Gewässerverunreinigung nach § 31 Abs. 2 WRG 1959 trifft somit den objektiven Verursacher (vgl. Oberleitner/Berger, WRG3 § 31 Rz 10).

Wurde eine Gewässergefährdung nicht durch den aktuellen Betriebsinhaber verursacht, sondern durch ein früheres, bereits abgeschlossenes Betriebsgeschehen ausgelöst, kann der aktuelle Anlageninhaber hierfür nicht in Anspruch genommen werden (vgl. Oberleitner/Berger, WRG3 § 31 Rz 14).

4.2. Die beschwerdeführende Partei hat in ihrer Berufung gegen den erstbehördlichen Bescheid im Wesentlichen (wie unter Punkt I.3. ersichtlich) vorgebracht, dass die vorgefundenen Bodenkontaminationen nicht durch ihren erst 1993 aufgenommenen Tankstellenbetrieb, sondern durch frühere Betreiber einer Tankstelle auf dem Gelände (bis zum Jahr 1979) verursacht worden und die von ihr verwendeten, erst 1993 bzw. 1994 neu im Erdreich versetzten Öltanks dicht seien.

Mit diesem Vorbringen hat sich die belangte Behörde in Verkennung des Gesagten nicht befasst, wodurch der angefochtene Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet wurde.

5. Der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am

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Normen
VwGG §42 Abs2 Z1;
WRG 1959 §31 Abs1;
WRG 1959 §31 Abs2;
WRG 1959 §31 Abs3;
WRG 1959 §31;
Sammlungsnummer
VwSlg 19270 A/2015
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2015:2013070233.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
QAAAE-81108