VwGH 29.09.2016, 2013/07/0231
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | UVPG 2000 §2 Abs3; WRG 1959 §60; WRG 1959 §63 litb; WRG 1959 §63; |
RS 1 | Eine Zwangsrechtsbegründung im Sinn der §§ 60 und 63 WRG 1959 ist zulässig, wenn und soweit es notwendig ist, Privatrechte zu entziehen, um einem Gebot des allgemeinen Besten zu entsprechen. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2010/07/0026 E RS 2 |
Normen | VwRallg; WRG 1959 §60; WRG 1959 §63 litb; |
RS 2 | Nach § 63 lit. b WRG 1959 ist zu Gunsten der aufgezählten Schutzgüter die "Erforderlichkeit", also der Bedarf nach der Anlage, zu hinterfragen und bejahendenfalls eine Interessenabwägung vorzunehmen (vgl. E , 92/07/0060; E , 91/07/0135). Es muss daher - bevor in die Interessenabwägung einzugehen ist - das Vorliegen eines Bedarfs eines Eingriffs in die Rechte Dritter begründet werden. Unter Bedarf ist begrifflich ein Mangel zu verstehen, der vernünftigerweise nicht anzunehmen ist, wenn hinreichende andere Befriedigungsmöglichkeiten bestehen (vgl. E , 2001/07/0168; E , 2001/07/0069). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2013/07/0053 E RS 2 |
Norm | WRG 1959 §63 litb; |
RS 3 | Bei einem Zwangsrecht iSd § 63 lit b WRG 1959 besitzt der Zwangsverpflichtete zwar keinen Anspruch darauf, dass bei einem zu bewilligenden Vorhaben bestimmte, ihm zweckmäßig erscheinende Varianten realisiert werden; er hat jedoch ein Recht darauf, dass ein Zwangsrecht zu seinen Lasten nicht ohne die die Maßnahme rechtfertigende Interessenabwägung im Sinne des Gesetzes begründet wird (Hinweis E , 83/07/0026). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 91/07/0135 E RS 2 |
Normen | VwGG §42 Abs2 Z3 litb; VwGG §42 Abs2 Z3 litc; VwRallg; WRG 1959 §105; WRG 1959 §63 litb; |
RS 4 | Die Einräumung eines Zwangsrechtes gemäß § 63 lit. b WRG 1959 erfordert eine sorgfältige Abwägung der Vor- und Nachteile der beantragten Variante mit anderen möglichen Lösungen, wobei hierbei insbesondere auf die nach dem Gesetz erforderlichen "überwiegenden Vorteile im allgemeinen Interesse" Bedacht zu nehmen ist. Der Umstand, dass die beantragte Trassenführung aus der Sicht des eingereichten Projektes besonders zweckmäßig erscheinen mag, macht diese vom Gesetz geforderte Abwägung der Vor- und Nachteile dieser Variante mit möglichen anderen Lösungen, vor allem auch hinsichtlich der nach dem Gesetz erforderlichen "überwiegenden Vorteile im allgemeinen Interesse", nicht entbehrlich (vgl. E , 91/07/0135). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger sowie die Hofrätin Dr. Hinterwirth und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schubert-Zsilavecz, über die Beschwerde
1. des J S und 2. der P S, beide in E, beide vertreten durch Dr. Manfred Harrer, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Museumstraße 9, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom , Zl. UW.4.1.6/0521-I/5/2012, betreffend wasserrechtliche Bewilligung und Einräumung eines Zwangsrechtes (mitbeteiligte Partei: Abwasserverband E), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
I.
1 1. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich (der Erstbehörde) vom wurde der mitbeteiligten Partei unter Spruchpunkt I. - in Abänderung eines Bescheides der Erstbehörde vom - die wasserrechtliche Bewilligung zur Umlegung eines Teilstückes des Ableitungskanales Sch.-Straße in der Gemeinde F. unter Vorschreibung von Nebenbestimmungen erteilt.
2 Unter Spruchpunkt II. wurde festgestellt, dass mit dem Eintritt der Rechtskraft des Spruchpunktes I. die Dienstbarkeit der Errichtung und des Betriebes und im erforderlichen Ausmaß der Wartung und Erhaltung der gemäß Spruchpunkt I. des Bescheides wasserrechtlich bewilligten Wasserbenutzungsanlagen (Leitungen samt Nebenanlagen) zu Gunsten des Inhabers der Bewilligung und zu Lasten der bei bewilligungsgemäßer Ausführung berührten Grundstücke gemäß § 63 lit. b des Wasserrechtsgesetzes 1959 - WRG 1959 als eingeräumt anzusehen sei.
3 In Spruchpunkt III. wurden die Beschwerdeführer als Eigentümer der GSt. Nr. 920/13 und 922, beide KG H., verpflichtet, zu Lasten ihrer Grundstücke die Errichtung sowie den Bestand, die Wartung und die Erhaltung der mit dem Spruchpunkt I. des Bescheides wasserrechtlich bewilligten Kanalisationsanlage mit einer Gesamtlänge von 131 lfm entsprechend einer näher bezeichneten planlichen Darstellung durch die mitbeteiligte Partei zu dulden.
4 2. Aufgrund einer Berufung der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid ergänzte der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (im Folgenden: die belangte Behörde) dessen Spruchpunkt III. mit dem angefochtenen Bescheid insoweit, als die Duldungsverpflichtung zu Lasten der Beschwerdeführer - unter tabellarischer Darstellung der mit der bewilligten Trasse verbundenen Flächenbeanspruchung - wie folgt präzisiert wurde:
"Der Zugang für Inspektions- und Instandhaltungsarbeiten (Reinigung, Reparaturen) und die Zufahrt mit PKW sowie Kleinbus mit Ausrüstung sind für den Konsenswerber zu den Grundstücken Nr. 920/13 und 922, KG (H.), dauerhaft sicherzustellen.
Die Mindestgrabenbreite beträgt bei der bewilligten Umverlegung 1,2 m (lt. ÖNorm B 2205 entsprechend Nennweite und Tiefe 1,2 m und lt. ÖN EN 1610 entsprechend der Nennweite bei senkrechten verbauten Graben Nennweite plus 0,7 m gleichfalls 1,2 m)."
5 Im Übrigen wurde die Berufung der Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.
6 Begründend führte die belangte Behörde - nach umfangreicher Wiedergabe (u.a.) der Ausführungen der dem Berufungsverfahren beigezogenen abwassertechnischen Amtssachverständigen - im Wesentlichen aus, dass an der Errichtung des gegenständlichen Wasserbauvorhabens aufgrund der erforderlichen Unterbrechung des bestehenden Ableitungskanals durch die Errichtung einer Umfahrungsstraße in Hinblick auf die Gewährleistung einer geordneten Abwasserentsorgung ein allgemeines öffentliches Interesse bestehe. Andere Entsorgungsmöglichkeiten, wie z.B. eine Senkgrubenentleerung mit Abtransport, seien nicht in Betracht zu ziehen, weil dies nicht dem Stand der Technik entspräche.
7 Nach der durchgeführten Variantenprüfung würde die bewilligte Kanaltrasse die Grundstücke der Beschwerdeführer und jene des Eigentümers H. im Ausmaß von insgesamt 268 m2, die ebenfalls geprüfte Variante im Ausmaß von insgesamt 197 m2 belasten. Deutlich höher wären bei der Variante die Errichtungskosten (Arbeiten mindestens 6 bis 7 m unter der Geländeoberkante, größere Schachthöhen, ggf. Wasserhaltemaßnahmen, Errichtung des Sonderbauwerks, Betonummantelung der Doppelleitung) und die Betriebskosten für das Sonderbauwerk. Diese Kosten würden im Vergleich zum bewilligten Projekt eine erhebliche Mehrbelastung darstellen.
8 Den Nachteilen der Beschwerdeführer (beanspruchte Fläche, erdüberschüttet, Zugang zu der Anlage für den Konsenswerber auf Bestandsdauer, auch die zukünftige Nutzung des GSt. 920/13 werde durch den Ableitungskanal eingeschränkt) stünden die Vorteile des Konsenswerbers (möglicher Freispiegelabfluss und damit verbundene geringe Investitions- und Gesamtnutzungskosten) gegenüber. Die Grundbeanspruchung für die Beschwerdeführer sei mit einer Fläche für die bewilligte Kanaltrasse von 157 m2 (1,1 % der Gesamtfläche von 14.000 m2) als gering zu bewerten. Ein weiterer Vorteil der bewilligten Verlegung des Ableitungskanals für die Landesstraßenbauverwaltung und eine bestimmte Lokalbahngesellschaft sei, dass dem Kreuzungsknoten ausgewichen und der Baustellenbereich frei gehalten werde. Art und Umfang der Variante würden die Gesamtkosten deutlich erhöhen und seien daher unverhältnismäßig. Art und Umfang der Zwangsrechtsbegründung seien für die bewilligte Trasse technisch gerechtfertigt und als verhältnismäßig zu bewerten. Gelindere Mittel lägen nicht vor.
9 Die belangte Behörde legte der Bescheidbegründung insbesondere Befund und Gutachten der abwassertechnischen Amtssachverständigen zugrunde; diese habe "zweifelsfrei und klar herausgearbeitet", dass die Vorteile im allgemeinen öffentlichen Interesse durch das bereits ausgeführte Projekt die Nachteile der Zwangsrechtseinräumung (entgegenstehendes Interesse der Grundeigentümer) klar überwögen.
10 3. Gegen den angefochtenen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , Zl. B 601/2013-5, abgelehnt und die Beschwerde über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom , Zl. B 601/2013-7, dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetreten hat.
11 Das gemäß Art. 151 Abs. 51 Z. 9 B-VG an die Stelle der belangten Behörde getretene Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der es die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:
12 1. Auf den vorliegenden, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.
13 2. Die hier relevanten Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes 1959 - WRG 1959, BGBl. Nr. 215/1959 idF BGBl. I Nr. 14/2011, lauten wie folgt:
"Einteilung der Zwangsrechte und allgemeine Bestimmungen.
§ 60. (1) Zwangsrechte im Sinne dieses Abschnittes sind:
(...)
c) die Enteignung (§§ 63 bis 70);
(...)
(2) Diese Maßnahmen sind nur gegen angemessene Entschädigung (§ 117) und nur dann zulässig, wenn eine gütliche Übereinkunft zwischen den Beteiligten nicht erzielt werden kann.
(3) Zwangsrechte nach Abs. 1 lit. a bis c, werden durch Bescheid der Wasserrechtsbehörde begründet. Sie binden den jeweiligen Eigentümer der belasteten Liegenschaft und bilden keinen Ersitzungs- oder Verjährungstitel.
(...)
Enteignung von Liegenschaften und Bauwerken
§ 63. Um die nutzbringende Verwendung der Gewässer zu fördern, um ihren schädlichen Wirkungen zu begegnen, zur geordneten Beseitigung von Abwässern und zum Schutz der Gewässer kann die Wasserrechtsbehörde in dem Maße als erforderlich
(...)
b) für Wasserbauvorhaben, deren Errichtung, Erhaltung oder Betrieb im Vergleich zu den Nachteilen von Zwangsrechten überwiegende Vorteile im allgemeinen Interesse erwarten läßt, die notwendigen Dienstbarkeiten einräumen oder entgegenstehende dingliche Rechte einschließlich Nutzungsrechte im Sinne des Grundsatzgesetzes 1951 über die Behandlung der Wald- und Weidenutzungsrechte sowie besonderer Felddienstbarkeiten, BGBl. Nr. 103, einschränken oder aufheben, damit die genehmigte Anlage mit den zu ihr gehörigen Werken und Vorrichtungen hergestellt, betrieben und erhalten sowie der Vorschreibung sonstiger Maßnahmen entsprochen werden kann;
(...)"
14 3.1. Eine Zwangsrechtsbegründung im Sinn der §§ 60 und 63 WRG 1959 ist zulässig, wenn und soweit es notwendig ist, Privatrechte zu entziehen, um dem Gebot des allgemeinen Besten zu entsprechen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/07/0053, mwN). Ein Zwangsrecht iSd § 63 lit. b WRG 1959 muss nach ständiger hg. Rechtsprechung zur Erreichung des im öffentlichen Interesse gelegenen Zieles geeignet (adäquat) sein, darf nach Art und Umfang nicht unverhältnismäßig sein und das angestrebte Ziel darf nicht durch andere - gelindere - Maßnahmen zu erreichen sein (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/07/0155, mwN).
15 Nach § 63 lit. b WRG 1959 ist zu Gunsten der aufgezählten Schutzgüter die "Erforderlichkeit", also der Bedarf an der Anlage, zu hinterfragen und bejahendenfalls eine Interessenabwägung vorzunehmen. Es muss daher - bevor in die Interessenabwägung einzugehen ist - das Vorliegen eines Bedarfs eines Eingriffs in die Rechte Dritter begründet werden, wobei unter Bedarf ein Mangel zu verstehen ist, der vernünftigerweise nicht anzunehmen ist, wenn hinreichende andere Befriedigungsmöglichkeiten bestehen (vgl. dazu wiederum das hg. Erkenntnis zur Zl. 2013/07/0053, mwN).
16 Bei einem Zwangsrecht iSd § 63 lit. b WRG 1959 besitzt der Zwangsverpflichtete zwar keinen Anspruch darauf, dass bei einem zu bewilligenden Vorhaben bestimmte, ihm zweckmäßig erscheinende Varianten realisiert werden; er hat jedoch ein Recht darauf, dass ein Zwangsrecht zu seinen Lasten nicht ohne die die Maßnahme rechtfertigende Interessenabwägung im Sinne des Gesetzes begründet wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/07/0006, mwN).
17 3.2. Die Beschwerdeführer bestreiten die Notwendigkeit der Errichtung einer Abwasserentsorgungsanlage für das verfahrensgegenständliche Gebiet nicht. Sie bringen in der Beschwerde jedoch vor, die mit dem angefochtenen Bescheid bewilligten Maßnahmen und ausgesprochenen Eigentumsbeschränkungen seien für den angestrebten Zweck nicht erforderlich, weil dieser durch gelindere Maßnahmen - konkret durch eine andere, weniger belastende Trassenführung - erreicht werden könne. Das dem Bescheid zugrunde gelegte Gutachten sei mangelhaft, weil lediglich ausgeführt werde, dass die Verwirklichung der Variante mit zusätzlichen Herstellungskosten und Betriebskosten verbunden wäre und damit hohe Gesamtkosten vorlägen, ohne eine ziffernmäßige Bewertung durchzuführen.
18 3.3. Damit zeigen die Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:
19 Nach der hg. Rechtsprechung erfordert die Einräumung eines Zwangsrechtes gemäß § 63 lit. b WRG 1959 eine sorgfältige Abwägung der Vor- und Nachteile der beantragten Variante mit anderen möglichen Lösungen, wobei hierbei insbesondere auf die nach dem Gesetz erforderlichen "überwiegenden Vorteile im allgemeinen Interesse" Bedacht zu nehmen ist. Der Umstand, dass die beantragte Trassenführung aus der Sicht des eingereichten Projektes besonders zweckmäßig erscheinen mag, macht diese vom Gesetz geforderte Abwägung der Vor- und Nachteile dieser Variante mit möglichen anderen Lösungen, vor allem auch hinsichtlich der nach dem Gesetz erforderlichen "überwiegenden Vorteile im allgemeinen Interesse", nicht entbehrlich (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/07/0135).
20 Im angefochtenen Bescheid nimmt die belangte Behörde zwar eine Prüfung der von den Beschwerdeführern ins Treffen geführten Variante vor, doch liegen dieser Vorgangsweise keine ausreichend konkreten Erhebungen zugrunde:
21 So erschöpfen sich die Ausführungen der beigezogenen Amtssachverständigen, auf die sich die belangte Behörde wesentlich stützt, in den allgemein gehaltenen Aussagen, dass die "deutlich höheren Errichtungskosten (...) und die Betriebskosten für das Sonderbauwerk (...) im Vergleich zum bewilligten Projekt eine erhebliche Mehrbelastung" darstellen würden, die schließlich in die Bewertung münden, dass "Art und Umfang der Variante die Gesamtkosten deutlich beaufschlagen" würden "und daher unverhältnismäßig" seien; deshalb seien "Art und Umfang der Zwangsrechtsbegründung für die bewilligte Trasse technisch gerechtfertigt und verhältnismäßig". Konkrete Angaben, in welchem Ausmaß mit Mehrkosten bei Errichtung und Betrieb zu rechnen sei, werden dabei nicht gemacht. Über dieses Gutachten hinausgehende weitere Feststellungen hat die belangte Behörde nicht getroffen.
22 Die Entscheidung, ob und in welchem Ausmaß mit einem Wasserbauvorhaben, für das Zwangsrechte eingeräumt werden sollen, Vorteile im allgemeinen Interesse verbunden sind und ob diese Vorteile die Nachteile der Zwangsrechtseinräumung überwiegen, muss in der Regel eine Wertentscheidung sein, weil die konkurrierenden Interessen meist nicht quantitativ bewertbar und damit berechenbar und vergleichbar sind (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/07/0155, mwN). Gerade dieser Umstand erfordert es aber, die für und gegen ein Vorhaben sprechenden Argumente möglichst umfassend und präzise zu erfassen und einander gegenüberzustellen, um die Wertentscheidung transparent und nachvollziehbar zu machen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/07/0135, mwN).
23 Diesen Anforderungen entspricht die Beschreibung der Vor- und Nachteile der möglichen Alternative in dem - dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten - Gutachten der Amtssachverständigen nicht: Als Grundlage für eine den beschriebenen Anforderungen genügende Interessenabwägung hätte die belangte Behörde zumindest ermitteln müssen, in welchem Ausmaß die Variante mit Mehrkosten im Vergleich zur bewilligten Trassenführung verbunden ist. Erst die Kenntnis dieser Umstände, die eine gewisse Quantifizierung der Vorteile der bewilligten Trassenführung im Vergleich zur Alternative ermöglicht hätte, hätte die belangte Behörde dazu befähigt, eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen.
24 Die belangte Behörde hat somit die beantragte Trassenführung ohne ausreichende Sachverhaltsermittlung der möglichen Alternativlösung vorgezogen und damit nach dem Gesagten eine ausreichende Interessenabwägung im Zusammenhang mit der erfolgten Einräumung von Zwangsrechten zu Lasten der Beschwerdeführer unterlassen.
25 4. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
26 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 3 Z. 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 und der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Ein Ersatz der für die Einbringung der Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu entrichtenden Gebühr ist in § 48 Abs. 1 VwGG nicht vorgesehen, sodass das diesbezügliche Begehren abzuweisen war.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | UVPG 2000 §2 Abs3; VwGG §42 Abs2 Z3 litb; VwGG §42 Abs2 Z3 litc; VwRallg; WRG 1959 §105; WRG 1959 §60; WRG 1959 §63 litb; WRG 1959 §63; |
Schlagworte | Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Verfahrensbestimmungen Ermessen Ermessen VwRallg8 Besondere Rechtsgebiete |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2016:2013070231.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
YAAAE-81101