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VwGH vom 29.10.2019, Ra 2019/02/0062

VwGH vom 29.10.2019, Ra 2019/02/0062

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck, den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision der Landespolizeidirektion Steiermark, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , Zl. LVwG 30.8-2335/2018-14, betreffend Übertretung der StVO (mitbeteiligte Partei: DI Dr.mont. H in L, vertreten durch Mag. Franz Doppelhofer, Rechtsanwalt in 8055 Graz-Seiersberg, Mitterstraße 177), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird, soweit mit ihm der Beschwerde hinsichtlich des Spruchpunktes 2. des Straferkenntnisses der Landespolizeidirektion Steiermark vom , VStV/917301823609/2017, Folge gegeben, das Straferkenntnis in diesem Punkt behoben, das Verwaltungsstrafverfahren in diesem Umfang eingestellt worden ist und der Kostenbeitrag für das Verwaltungsstrafverfahren der Landespolizeidirektion Steiermark vermindert wurde, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Antrag der revisionswerbenden Partei auf Zuspruch von Aufwandersatz wird abgewiesen.

Begründung

1 Mit Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses vom legte die revisionswerbende Partei, die Landespolizeidirektion Steiermark (LPD), dem Mitbeteiligten zur Last, er sei am um 9.15 Uhr an einem näher bezeichneten Ort mit einem dem Kennzeichen nach bestimmten PKW mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden und habe nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt, obwohl er und die Person, in deren Vermögen der Schaden eingetreten sei, einander Name und Anschriften nicht nachgewiesen hätten. Mit Spruchpunkt 2. dieses Straferkenntnisses wurde dem Mitbeteiligten angelastet mit diesem näher konkretisierten Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden zu sein und an der Sachverhaltsfeststellung nicht mitgewirkt zu haben, weil er es durch das Verlassen der Unfallstelle unmöglich gemacht habe, seine körperliche und geistige Verfassung zum Unfallzeitpunkt festzustellen. 2 Aus diesem Grund habe der Mitbeteiligte § 4 Abs. 5 StVO sowie § 4 Abs. 1 lit. c StVO verletzt, weshalb die revisionswerbende Partei über ihn gemäß § 99 Abs. 3 lit. b StVO bzw. § 99 Abs. 2 lit. a StVO Geldstrafen in der Höhe von EUR 200,--

(sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe) und EUR 250,-- (sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe) verhängte.

3 Das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) wies mit Spruchpunkt I. seines Erkenntnisses die dagegen vom Mitbeteiligten erhobene Beschwerde hinsichtlich des Spruchpunktes 1. dieses Straferkenntnisses als unbegründet ab und gab der Beschwerde des Mitbeteiligten im Umfang des Spruchpunktes 2. dieses Straferkenntnisses Folge, behob das Straferkenntnis in diesem Punkt und stellte das Verwaltungsstrafverfahren in diesem Umfang gemäß § 45 VStG ein. Es verminderte den Kostenbeitrag für das Verwaltungsstrafverfahren der revisionswerbenden Partei, verpflichtete den Mitbeteiligten zur Zahlung eines Beitrages zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens hinsichtlich des bestätigten Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses und legte dem Mitbeteiligten die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erwachsenen Barlauslagen in Form von Sachverständigenkosten auf. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.

4 Das LVwG stellte fest, dass es am um

9.15 Uhr an einem näher bezeichneten Ort zu einem Verkehrsunfall gekommen sei. Am Fahrzeug des Zeugen sei ein Sachschaden entstanden. Für den Mitbeteiligten sei der Kontakt zwischen den Fahrzeugen erkennbar gewesen. Der Mitbeteiligte habe weder seine Namen und seine Anschrift dem Zeugen nachgewiesen, noch die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall verständigt. In der Folge erläuterte das LVwG seine Beweiswürdigung sowie die rechtlichen Erwägungen und die Strafbemessung zum (bestätigten) ersten Spruchpunkt des Straferkenntnisses. Zum mit dem zweiten Spruchpunkt des angefochtenen Straferkenntnisses angelasteten Delikt führte das LVwG rechtlich aus, die in § 4 Abs. 1 lit. c StVO ausgesprochene Verpflichtung bestehe nur, wenn es überhaupt zu einer amtlichen Aufnahme des Tatbestandes komme oder zu kommen habe. Mitwirken bedeute sohin ein Tätigwerden im Hinblick auf die an der Unfallstelle seitens der Organe der öffentlichen Aufsicht zu pflegenden Erhebungen und zu treffenden Feststellungen. Im vorliegenden Fall habe es, weil es sich um einen Verkehrsunfall mit bloßem Sachschaden gehandelt habe, nicht zur Aufnahme des Tatbestandes an Ort und Stelle kommen müssen. Der Mitbeteiligte sei nicht verpflichtet gewesen, an der Feststellung des Sachverhaltes durch Verbleiben an der Unfallstelle mitzuwirken. Aus diesem Grund sei das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen gewesen.

5 Gegen die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens hinsichtlich des Spruchpunktes 2. des Straferkenntnisses der LPD (Übertretung des § 4 Abs. 1 lit. c StVO) mit dem angefochtenen Erkenntnis des LVwG richtet sich die vorliegende Revision der Amtspartei.

6 Der Mitbeteiligte erstattete keine Revisionsbeantwortung.

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8 Zur Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, das LVwG sei

mit der Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens in Ansehung der Übertretung des § 4 Abs. 1 lit. c StVO von näherer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Mitwirkungspflicht bei Verkehrsunfällen gemä�� § 4 Abs. 1 lit. c StVO abgewichen. 9 Die Revision erweist sich aus diesem Grund als zulässig. Sie ist auch berechtigt.

10 Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung betont, kann die in § 4 Abs. 1 lit. c StVO normierte Verpflichtung sinnvoll nur dann bestehen, wenn es überhaupt zu einer amtlichen Aufnahme des Tatbestandes kommt oder zu kommen hat (, mwH).

11 Dies trifft immer dann zu, wenn es sich um einen Unfall handelt, bezüglich dessen eine Verständigungspflicht im Sinn des § 4 Abs. 2 StVO besteht; darüber hinaus aber auch, wenn ein am Unfall Beteiligter das Einschreiten eines Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes verlangt oder wenn ein am Unfallort etwa zufällig anwesendes Sicherheitsorgan aus eigenem Antrieb eine Tatbestandsaufnahme vornimmt oder deren Vornahme veranlasst. Liegt aber unbestritten ein Verkehrsunfall vor, bei dem niemand verletzt wurde und Sachschaden nur am Kraftfahrzeug des Beschuldigten selbst eingetreten ist, besteht keine Mitwirkungspflicht im Sinn des § 4 Abs. 1 lit. c StVO (vgl. , mwN). 12 Zu einer amtlichen Aufnahme des Tatbestandes hat es auch dann zu kommen, wenn ein Identitätsnachweis nicht erfolgte und eine Verständigungspflicht nach § 4 Abs. 5 StVO gegeben ist (vgl. hiezu ; , 90/02/0165; , 91/18/0088). § 4 Abs. 1 lit. c StVO dient unter anderem auch dazu, Feststellungen über die Fahrtüchtigkeit eines Lenkers zu treffen (vgl. ).

13 Im vorliegenden Fall hat das LVwG festgestellt, dass es zu einem Verkehrsunfall gekommen sei, dass ein Sachschaden im Vermögen eines Dritten - dh. nicht des beschuldigten Mitbeteiligten - entstanden sei, sowie, dass es zu keinem Identitätsaustausch des Mitbeteiligten mit dem Dritten gekommen sei. Aufgrund dieser Feststellungen ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Meldepflicht nach § 4 Abs. 1 lit. c StVO gegeben.

14 Indem das LVwG dies verkannte und das Verwaltungsstrafverfahren wegen der Übertretung des § 4 Abs. 1 lit. c StVO einstellte, belastete es das angefochtene Erkenntnis in diesem Umfang (Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens zu Spruchpunkt 2. des Erkenntnisses der LPD Steiermark vom ) mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb das Erkenntnis im dargestellten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

15 Gemäß § 47 Abs. 4 VwGG hat die revisionswerbende Partei in dem hier vorliegenden Fall einer Amtsrevision gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG keinen Anspruch auf Aufwandersatz, weshalb der diesbezügliche Antrag abzuweisen war (, mwN).

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019020062.L00
Schlagworte:
Besondere Rechtsgebiete Mitwirkung und Feststellung des Sachverhaltes

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Fundstelle(n):
NAAAE-81093