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VwGH vom 24.06.2010, 2010/21/0149

VwGH vom 24.06.2010, 2010/21/0149

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. Marcus Zimmerbauer, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Bürgerstraße 41, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom , Zl. E1/10038/2009, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und der mit ihr vorgelegten Bescheidausfertigung ergibt sich Folgendes:

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste am illegal nach Österreich ein und stellte am selben Tag einen Asylantrag. Dieser Antrag wurde erstinstanzlich mit am zugestelltem Bescheid abgewiesen. Eine Berufung blieb erfolglos, die Behandlung der daraufhin gegen den Berufungsbescheid erhobenen Beschwerde lehnte der Verfassungsgerichtshof ab.

Mit dem nunmehr bekämpften, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer gemäß §§ 31, 53 und 66 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet aus.

Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung damit, dass das Asylverfahren des Beschwerdeführers seit der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes "gemäß §§ 7 und 8 AsylG seit rechtskräftig negativ" abgeschlossen sei. Der Beschwerdeführer halte sich seither rechtswidrig in Österreich auf, ihm sei weder ein Einreisetitel nach dem FPG noch ein Aufenthaltstitel nach dem NAG erteilt worden. Er befinde sich seit mehr als acht Jahren im Bundesgebiet, sei mit Wirksamkeit vom von den österreichischen Staatsbürgern A. und M.T. (Großtante) an Kindesstatt angenommen worden und habe ständigen Kontakt zu seiner Wahlfamilie. Er spreche gut Deutsch und gehe seit mehreren Jahren einer Erwerbstätigkeit nach. Ihm sei daher eine diesen Umständen entsprechende Integration zuzugestehen und es werde durch die Ausweisung in erheblicher Weise in sein Privatleben eingegriffen.

Jedoch werde das Gewicht dieser Integration maßgebend dadurch gemindert, dass sein Aufenthalt nur auf Grund eines Asylantrages, der sich letztlich als unberechtigt erwiesen habe, temporär berechtigt gewesen sei. Dem Beschwerdeführer sei bewusst gewesen, dass er sein Privat- und Familienleben während eines Zeitraumes geschaffen habe, in dem er einen unsicheren Aufenthaltsstatus gehabt habe. Er habe nicht von vornherein damit rechnen können, nach einem allfälligen negativen Ausgang des Asylverfahrens weiterhin in Österreich bleiben zu dürfen, wobei zu berücksichtigen sei, dass sein Asylbegehren bereits am erstinstanzlich negativ entschieden worden sei. Aus diesem Grund relativiere sich auch die berufliche Integration, zumal der Beschwerdeführer bereits bei Aufnahme seiner Erwerbstätigkeit gewusst habe, dass sein Aufenthalt in Österreich nur "nur an das Abwarten der Entscheidungen über (seine) Asylanträge geknüpft" gewesen sei. Was die Beziehung zu den österreichischen Adoptiveltern anlange, so sei festzuhalten, dass der Beschwerdeführer nicht minderjährig und selbst berufstätig sei. Er wohne mit seinen Wahleltern nicht in einem gemeinsamen Haushalt und es könne kein besonderes Abhängigkeitsverhältnis erblickt werden. Insofern lägen keine "geschützten familiären Bindungen" vor, weshalb insgesamt trotz der schon sehr langen Aufenthaltsdauer und der mittlerweile erlangten Integration noch keine derart außergewöhnlichen Umstände gegeben seien, dass ihm ein direkt aus Art. 8 EMRK ableitbares Aufenthaltsrecht zugestanden werden müsste.

Der Beschwerdeführer habe - so die belangte Behörde weiter - die Türkei im Alter von 21 Jahren verlassen. Weil er dort die Schule besucht und von 1998 bis 2002 in der elterlichen Landwirtschaft gearbeitet habe, sei ihm - zumal seine leiblichen Eltern in der Türkei lebten - die Bindung zu seinem Heimatland "nicht abzusprechen bzw. eine Reintegration von Seiten der ho Behörde zumutbar". Auf der anderen Seite weise der Beschwerdeführer eine strafgerichtliche Verurteilung sowie zwölf "verwaltungsrechtliche Vormerkungen" auf. Auch wenn sich diese Umstände "ausschließlich auf Vorfälle im Straßenverkehr bzw. mit Kraftfahrzeugen" bezögen, sei ihnen doch eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber den österreichischen Gesetzen zu entnehmen.

Der Beschwerdeführer halte sich seit etwa zehn Monaten unrechtmäßig in Österreich auf. Bereits ein mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maße, weshalb die Ausweisung des Beschwerdeführers - so die belangte Behörde zusammenfassend - gemäß § 66 Abs. 1 FPG zu deren Wahrung dringend geboten sei. Die Übertretung fremdenpolizeilicher Vorschriften stelle nämlich einen gravierenden Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung dar. Die öffentliche Ordnung werde schwerwiegend beeinträchtigt, wenn sich einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, unerlaubt nach Österreich begeben und versuchten, damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Dasselbe gelte, wenn Fremde nach Abschluss eines Asylverfahrens das Bundesgebiet nicht rechtzeitig verließen. Die Ausweisung sei in solchen Fällen erforderlich, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte. Vor diesem Hintergrund seien auch keine tauglichen Gesichtspunkte erkennbar, um das der Behörde durch § 53 Abs. 1 FPG eingeräumte Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers zu üben.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er sich nunmehr unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und dass daher der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt ist. Er bringt jedoch unter dem Gesichtspunkt des § 66 FPG vor, dass die Interessenabwägung zu seinen Gunsten hätte ausfallen müssen; angesichts seiner "umfassenden sozialen Integration" sei ein dringendes Gebotensein der Aufenthaltsbeendigung nicht gegeben.

Die belangte Behörde stellte eine "entsprechende Integration" des Beschwerdeführers im Bundesgebiet insbesondere vor dem Hintergrund seiner mehr als achtjährigen Aufenthaltsdauer, seiner Deutschkenntnisse, seiner Erwerbstätigkeit und des Verhältnisses zu seinen österreichischen Wahleltern nicht in Frage. Sie hielt dieser Integration aber zutreffend entgegen, dass der ihr zu Grunde liegende Aufenthalt des Beschwerdeführers lediglich auf einen unbegründeten Asylantrag zurückzuführen war und seit Beendigung des Asylverfahrens unrechtmäßig ist. Die während des Aufenthalts erlangten Gesichtspunkte der Integration wurden in einem Zeitraum erworben, als sich der Beschwerdeführer (spätestens) auf Grund der Abweisung seines Asylantrages mit dem am zugestellten erstinstanzlichen Bescheid der Unsicherheit seines Aufenthaltsstatus bewusst war, er also nicht mit einem dauernden Aufenthalt im Bundesgebiet rechnen durfte.

Warum es an diesem Bewusstsein, das ohne Weiteres jedenfalls ab Zustellung des den Asylantrag erstinstanzlich abweisenden Bescheides angenommen werden durfte, gefehlt haben soll, vermag die Beschwerde nicht schlüssig aufzuzeigen. Dass diesem Bewusstsein im gegebenen Zusammenhang maßgebliches Gewicht zukommt, entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. grundlegend das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0293, Punkt 2.2.2.3. der Entscheidungsgründe).

Zwar bedeutet das - schon vor dem Hintergrund der gebotenen, alle Parameter des § 66 Abs. 2 FPG einbeziehenden Gesamtbetrachtung - nicht, dass der während eines unsicheren Aufenthaltsstatus erlangten Integration überhaupt keine Relevanz beizumessen wäre und ein solcherart begründetes privates und familiäres Interesse nie zur Unzulässigkeit einer Ausweisung führen könnte. Jedoch sind die im vorliegenden Fall zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände, insbesondere auch die Beziehung zu seinen Wahleltern, mit denen er unbestritten nicht im gemeinsamen Haushalt lebt, in ihrer Gesamtheit betrachtet nicht von einem solchen Gewicht, dass sie eine Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung begründen könnten. Auf die Wertung des strafrechtlichen Fehlverhaltens des Beschwerdeführers kommt es dabei gar nicht mehr an. Es trifft nämlich zu, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt. Gegen diese Normen verstoßen Fremde, die - wie der Beschwerdeführer - trotz negativen Abschlusses ihres Asylverfahrens in Österreich (unrechtmäßig) verbleiben, was nach dem Gesagten eine maßgebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen darstellt.

Zusammenfassend ist es somit insgesamt fallbezogen nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde die Ausweisung des Beschwerdeführers unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK nicht als unzulässigen Eingriff in sein Privatleben angesehen hat. Auch die Ermessensübung durch die belangte Behörde begegnet keinen Bedenken. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

Fundstelle(n):
DAAAE-81079