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VwGH vom 20.03.2012, 2010/21/0147

VwGH vom 20.03.2012, 2010/21/0147

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde des A in G, vertreten durch Dr. Hermann Kienast, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Friedrichgasse 6/IV/17, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom , Zl. E1/11059/2009, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der seinen Angaben zufolge am nach Österreich gekommene Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, stellte einen Tag nach seiner Einreise einen Asylantrag. Das Verfahren über diesen Antrag wurde vom unabhängigen Bundesasylsenat am eingestellt.

Während seines Aufenthaltes in Österreich war der Beschwerdeführer straffällig geworden und in den Jahren 2001 und 2003 jeweils wegen Delikten nach dem Suchtmittelgesetz zu Freiheitsstrafen verurteilt worden, und zwar zuletzt in der Dauer von drei Jahren, wobei die (bedingte) Entlassung am erfolgte. Im Hinblick auf diese Straftaten verhängte die Bundespolizeidirektion Graz mit rechtskräftig gewordenem Bescheid vom ein unbefristetes Aufenthaltsverbot, das gemäß § 125 Abs. 3 letzter Satz FPG seit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes am wegen der damaligen Stellung des Beschwerdeführers als Asylwerber als Rückkehrverbot gilt.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom wurde der Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 FPG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark (der belangten Behörde) vom keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

Zur Begründung führte die belangte Behörde unter Bezugnahme auf die Beendigung des Asylverfahrens aus, der Beschwerdeführer halte sich derzeit unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Nach Verweisung auf den Inhalt der (dem Bescheid angeschlossenen) Berufung, Zitierung der maßgeblichen Rechtsvorschriften und Wiedergabe von in der Rechtsprechung entwickelten Rechtssätzen meinte die belangte Behörde, wenngleich sie Verständnis für den Wunsch des Beschwerdeführers nach einem Verbleib in Österreich habe, müsse dennoch auf die für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten verwiesen werden; diesen Bestimmungen komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu. Die öffentlichen Interessen an der Erlassung der gegenständlichen Ausweisung würden unverhältnismäßig schwerer wiegen als die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers.

Dieser Beurteilung legte die belangte Behörde zugrunde, dass sich der Beschwerdeführer seit in Österreich aufhalte und sich daraus "ein gewisses privates Interesse" an einem weiteren Inlandsaufenthalt ableiten lasse. Der Beschwerdeführer sei hier als Prospektverteiler und als Verkäufer der Zeitschrift "Megafon" tätig gewesen; nach der Entlassung aus der Strafhaft habe er auch begonnen, im Gebrauchtwagengeschäft "etwas Geld" zu verdienen. Dabei handle es sich aber um "nicht so qualifizierte Tätigkeiten", dass diese vom Beschwerdeführer nicht auch in einem anderen Land ausgeübt werden könnten. Mit den Einkünften aus diesen Tätigkeiten könne er nicht seinen gesamten Lebensunterhalt bestreiten, zumal er "durch die Caritas wohnversorgt" (in einer näher genannten Einrichtung kostenlos untergebracht) sei. Im Übrigen sei der Beschwerdeführer dort lediglich "als obdachlos gemeldet"; er sei derzeit auf der Suche nach einer eigenen Wohnung. Es sei daher davon auszugehen, dass die Selbsterhaltungsfähigkeit des Beschwerdeführers derzeit nicht gegeben sei. Damit inhaltlich im Zusammenhang führte die belangte Behörde auch aus, die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich seien überdies dadurch relativiert, dass die Integration während eines unberechtigten Aufenthalts bzw. während des Aufenthalts aufgrund eines Asylverfahrens, das letztendlich eingestellt worden sei und nunmehr auch nicht mehr fortgesetzt werden könne, erfolgt sei.

Die belangte Behörde hielt dem Beschwerdeführer im Rahmen der Interessenabwägung noch dessen illegale Einreise, die gerichtlichen Verurteilungen, die zur Verhängung eines "rechtskräftigen Aufenthalts-/Rückkehrverbotes" geführt hätten, und den unrechtmäßigen Aufenthalt seit der Einstellung des Asylverfahrens am entgegen. Im Übrigen lebe die Familie des Beschwerdeführers, der in Österreich aktuell keine beachtenswerten Bindungen habe, in Nigeria. Für die Rechtmäßigkeit der Ausweisung sei es - so die belangte Behörde zum Berufungsvorbringen, der Beschwerdeführer befürchte bei einer Rückkehr nach Nigeria (als Christ) verfolgt zu werden - nicht maßgeblich, "ob und in welchem Staat der Fremde im Sinne des § 50 Abs. 1 oder Abs. 2 FPG 2005 bedroht" sei.

Davon ausgehend kam die belangte Behörde zu dem Ergebnis, die Ausweisung des Beschwerdeführers sei zur Wahrung des hoch zu bewertenden öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen iSd § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten und das Ermessen könne nicht zugunsten des Beschwerdeführers geübt werden.

Die Behandlung der gegen diesen Bescheid an ihn erhobenen Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom , B 497/10-3, abgelehnt. Zugleich hat er die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten, der über die ergänzte Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der angefochtene Bescheid vom Verwaltungsgerichtshof auf Basis der Sach- und Rechtslage bei seiner Erlassung zu überprüfen ist. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei jeweils um die im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides im März 2010 geltende Fassung (vor dem FrÄG 2011).

Unter der Überschrift "Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel" ordnet § 53 Abs. 1 FPG an, dass Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Die Beschwerde gesteht zu, dass das Asylverfahren des Beschwerdeführers endgültig beendet ist. Ihr sind auch keine Behauptungen zu entnehmen, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel erteilt worden sei. Die behördliche Annahme, der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG sei im vorliegenden Fall verwirklicht, ist daher zutreffend.

Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei dieser Beurteilung ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der im § 66 Abs. 2 FPG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 66 Abs. 3 FPG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Bei einer Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt (siehe unter vielen zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/21/0233).

Unter diesen Gesichtspunkten bringt die Beschwerde lediglich vor, die belangte Behörde habe nicht berücksichtigt, dass sich der Beschwerdeführer "seit seiner Verurteilung im Jahr 2002 völlig ordnungsgemäß verhalten" habe, weshalb "schon allein dadurch von einem ordnungsgemäßen integrativen Verhalten" des Beschwerdeführers ausgegangen werden könne. Ein unrechtmäßiger Aufenthalt eines Fremden in Österreich an sich stelle "noch kein solches Gewicht dar", dass eine Ausweisung trotz eines "gewichtigen" Eingriffes in das "Privat- und Familienleben" dringend geboten sei.

Diesem Vorbringen ist zunächst zu entgegnen, dass der Beschwerdeführer nach den unbekämpften behördlichen Feststellungen in Österreich über keine familiären Bindungen verfügt und daher im vorliegenden Fall durch die Ausweisung nicht in das Familienleben des Beschwerdeführers, sondern nur in sein Privatleben eingegriffen wird. Im Übrigen entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. unter vielen das Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0293, Punkt 2.2.2.2. der Entscheidungsgründe, mit weiteren Nachweisen auch aus der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes; siehe daran anschließend aus der letzten Zeit etwa auch das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0465). Dabei kommt es nicht darauf an, ob es - wie die belangte Behörde an einer Stelle ihres Bescheides noch ausführte und dem die Beschwerde widerspricht - "in jüngster Vergangenheit unübersehbar" geworden sei, dass "der Zuwanderungsdruck kontinuierlich zunimmt".

Dieses öffentliche Interesse hat der Beschwerdeführer nicht nur durch seine illegale Einreise, sondern vor allem durch seinen unrechtmäßigen Verbleib in Österreich nach Beendigung seines Asylverfahrens erheblich beeinträchtigt. Dazu kommt im vorliegenden Fall, dass der Beschwerdeführer zweimal rechtskräftig wegen Suchtmitteldelikten verurteilt wurde, sodass jedenfalls keine strafgerichtliche Unbescholtenheit, die gemäß § 66 Abs. 2 Z 6 FPG bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen ist, vorliegt. Mögen die Straftaten auch schon länger zurückliegen, so ist wegen des generell besonders großen öffentlichen Interesses an der Unterbindung von Suchtgiftdelikten und angesichts des fallbezogen bedeutsamen seinerzeitigen raschen einschlägigen Rückfalls und der Begehung von gewerbsmäßigem Suchtgifthandel von einer maßgeblichen Vergrößerung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung auszugehen (vgl. in diesem Sinn das eine insoweit ähnliche Konstellation betreffende Erkenntnis vom , Zl. 2010/21/0199).

Vor diesem Hintergrund musste die belangte Behörde trotz des (bis zur Bescheiderlassung) fast zehnjährigen Aufenthalts des Beschwerdeführers in Österreich und seiner Erwerbstätigkeiten nicht davon ausgehen, die Ausweisung des ledigen und noch über familiäre Bindungen in seinem Heimatstaat verfügenden Beschwerdeführers sei unverhältnismäßig.

Den Schwerpunkt der Beschwerde bilden Ausführungen zum Vorbringen des Beschwerdeführers, er werde bei einer Rückkehr nach Nigeria als Christ verfolgt und getötet werden, wozu die belangte Behörde keine Ermittlungen vorgenommen und keine Feststellungen getroffen habe. Darauf wäre sowohl bei der Interessenabwägung als auch im Rahmen der Ermessensübung Bedacht zu nehmen gewesen.

Dabei verkennt der Beschwerdeführer, dass der damit angesprochenen Frage der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit einer Abschiebung nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Ausweisungsverfahren keine rechtliche Bedeutung zukommt (vgl. unter vielen das schon genannte Erkenntnis vom , Zl. 2010/21/0199, mit dem Hinweis auf Punkt 3.2. des ebenfalls schon zitierten Erkenntnisses vom , Zl. 2009/21/0293, dem weitere Nachweise aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes zu entnehmen sind).

Die Beschwerde, der keine weiteren Argumente zu entnehmen sind, war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der in der Beschwerde beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Der Kostenzuspruch gründet sich - im Rahmen des ausdrücklichen ziffernmäßigen Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
PAAAE-81075