VwGH vom 05.04.2019, Ra 2019/02/0040
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision des R in W, vertreten durch Ing. Mag. Klaus Helm, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Schulstraße 12, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes
Niederösterreich vom , Zl. LVwG-S-2072/005-2016, betreffend Übertretung des KFG (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Zur Vorgeschichte in dieser Rechtsache wird auf das hg. Erkenntnis vom , Ra 2018/02/0063, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof das dort angefochtene Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben, weil das Verwaltungsgericht in antizipierender Beweiswürdigung ohne Durchführung der beantragten Beweismittel von einer Lenkereigenschaft des Revisionswerbers ausgegangen ist.
2 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom hat das Verwaltungsgericht die Beschwerde gegen das Straferkenntnis der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht vom neuerlich als unbegründet abgewiesen. Nach der Begründung sei der Revisionswerber gemäß § 20 Abs. 2 iVm § 99 Abs. 2e StVO rechtskräftig bestraft worden, woran das Verwaltungsgericht in einem Verfahren gemäß § 103 Abs. 2 KFG gebunden sei. Es sei daher dem Verwaltungsgericht verwehrt gewesen, eine neuerliche Beweiswürdigung in die Richtung vorzunehmen, ob nicht doch die 81-jährige Mutter des Revisionswerbers zur Tatzeit am Tatort die Lenkerin des Tatfahrzeuges gewesen sei. Auf Grund der zwingenden Bindungswirkung stehe fest, dass der Revisionswerber als Zulassungsbesitzer und Lenker des Tatfahrzeuges die an ihn gerichtete Lenkeranfrage offensichtlich falsch beantwortet habe (Verweis auf ).
3 Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
4 In der daraufhin erhobenen Revision beantragte der Revisionswerber unter anderem die Aufhebung des verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
5 Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht verwies in ihrem Schriftsatz vom auf den bisherigen Aktenlauf und den Akt des Verwaltungsgerichtes.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
6 Für zulässig erachtet der Revisionswerber die Revision unter anderem, weil das Verwaltungsgericht neuerlich in antizipierender Beweiswürdigung (Hinweis auf näher genannte Rechtsprechung des VwGH) von der Lenkereigenschaft des Revisionswerbers ausgegangen sei.
7 Die Revision ist zulässig und auch berechtigt:
8 Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG sind, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision stattgegeben hat, die Verwaltungsgerichte und die Verwaltungsbehörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
9 Erfolgte die Aufhebung einer angefochtenen Entscheidung, weil das Verwaltungsgericht unterlassen hat, die für die Beurteilung des Rechtsfalles wesentlichen Tatsachenfeststellungen zu treffen, so besteht die Herstellung des der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustandes darin, dass das Verwaltungsgericht jene Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durchführt und die Feststellungen trifft, die eine erschöpfende Beurteilung des maßgebenden Sachverhaltes ermöglichen ().
10 Entgegen dem klaren Gesetzeswortlaut und der dazu ergangenen unmissverständlichen Rechtsprechung hat das Verwaltungsgericht nicht jene Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durchgeführt, deren Unterlassen im ersten Rechtsgang zur Aufhebung des Erkenntnisses geführt hat.
11 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
12 Anzumerken ist ergänzend, dass das vom Verwaltungsgericht für die angebliche Bindungswirkung des gegen den Revisionswerber ergangenen Straferkenntnisses für das Verfahren betreffend die Lenkeranfrage herangezogene Erkenntnis vom , Ra 2015/02/0132, eine vollkommen andere Fallkonstellation betraf. Dort ging es um die Lenkereigenschaft einer rechtskräftig festgestellten Übertretung des § 20 Abs. 2 StVO, in deren Folge derselbe Lenker wegen Lenkens des Fahrzeuges ohne gültiger Lenkberechtigung bestraft wurde, also das festgestellte Lenken Tatbestandsmerkmal des zweiten Delikts war.
13 Die hier wesentliche Bestimmung des § 103 Abs. 2 KFG hat - im Administrativverfahren - die Erteilung einer Auskunft durch den Zulassungsbesitzer zum Gegenstand, während das zu Grunde liegende Delikt den jeweiligen Lenker im Auge hat ("wer... ein... Kraftfahrzeug...gelenkt...verwendet...bzw....abgestellt hat"). Die Ansicht des Verwaltungsgerichtes würde dazu führen, dass der Zulassungsbesitzer an Ergebnisse eines der Anfrage zu Grunde liegenden Verwaltungsstrafverfahrens gebunden wäre, in dem er allenfalls gar nicht Partei war. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Bestrafung des Revisionswerbers gemäß § 20 Abs. 2 StVO bei der hier anzustellenden Beweiswürdigung keine Berücksichtigung finden kann.
14 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 47ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019020040.L00 |
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