VwGH vom 27.05.2010, 2010/21/0142
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des M, vertreten durch Dr. Josef Habersack, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Roseggerkai 5/III, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 155.631/2-III/4/10, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Auf Grund der Beschwerde und der ihr angeschlossenen Bescheidkopie ergibt sich Folgendes:
Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, reiste am in das Bundesgebiet ein. Sein in der Folge gestellter Asylantrag wurde im Instanzenzug mit dem seit rechtskräftigen Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom abgewiesen; zugleich wurde - ebenfalls rechtskräftig -
die Ausweisung des Beschwerdeführers nach Nigeria verfügt. Die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof abgelehnt.
Am stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung "beschränkt". Diesen Antrag wies der Landeshauptmann von Steiermark, der ihn als Antrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" nach § 44 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG wertete, gemäß § 44b Abs. 1 NAG mit Bescheid vom als unzulässig zurück. Begründet wurde dies damit, dass gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige Ausweisung bestehe und aus dem Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkomme.
Die dagegen erhobene Berufung wies die Bundesministerin für Inneres (die belangte Behörde) mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom gemäß § 44 Abs. 3 iVm § 44b Abs. 1 NAG ab. Auch die belangte Behörde verwies (im tragenden Begründungsteil) auf die rechtskräftige Ausweisung durch den Asylgerichtshof, mit der über die Gründe, auf die der gegenständliche Antrag gestützt werde (wirtschaftliche und persönliche Integration), bereits abgesprochen worden sei. Durch diese Entscheidung sei bereits eine Abwägung im Sinne des Art. 8 EMRK durchgeführt worden. An diese Entscheidung seien die Niederlassungsbehörden gebunden. Weder aus der Antragsbegründung noch aus dem Vorbringen in der Berufung sei im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 NAG iVm Art. 8 EMRK erkennbar, dass in der Zeit ab "bis heute" ein maßgeblich geänderter Sachverhalt eingetreten sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
§ 44 Abs. 3, § 44a und § 44b Abs. 1 NAG lauten wie folgt:
"§ 44. (3) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen (§ 44a) oder auf begründeten Antrag (§ 44b), der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, eine quotenfreie 'Niederlassungsbewilligung - beschränkt' zu erteilen, wenn kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 vorliegt und dies gemäß § 11 Abs. 3 zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.
§ 44a. Die Behörde hat einen Aufenthaltstitel gemäß §§ 43 Abs. 2 oder 44 Abs. 3 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Ausweisung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 10 AsylG 2005 oder gemäß § 66 FPG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde. § 73 AVG gilt. Die Frist gemäß § 73 Abs. 1 AVG beginnt mit der Zustellung der gemäß § 22 Abs. 9 AsylG 2005 oder § 105 Abs. 7 FPG zu übermittelnden Entscheidung an die Behörde.
§ 44b. (1) Liegt kein Fall des § 44a vor, sind Anträge gemäß §§ 43 Abs. 2 und 44 Abs. 3 als unzulässig zurückzuweisen, wenn
1. gegen den Antragsteller eine Ausweisung rechtskräftig erlassen wurde, oder
2. rechtskräftig festgestellt wurde, dass eine Ausweisung bloß vorübergehend (§ 10 AsylG 2005,§ 66 FPG) unzulässig ist, oder
3. die Sicherheitsdirektion nach einer Befassung gemäß Abs. 2 in der Stellungnahme festgestellt hat, dass eine Ausweisung bloß vorübergehend unzulässig ist
und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt."
Die eben zitierten Bestimmungen wurden mit der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009 geschaffen. Im "Allgemeinen Teil" der ErläutRV zu dieser Novelle (88 BlgNR 24. GP 2) wird u.a. dazu ausgeführt:
"Ausgehend von der Grundannahme, dass das Vorliegen der Gründe gemäß Art. 8 EMRK möglichst nur von einer zuständigen Behörde geprüft werden soll und 'Kettenanträge' bei unterschiedlichen Behörden hintanzuhalten sind, sieht der Entwurf einerseits vor, dass die Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde einen Aufenthaltstitel von Amts wegen zu erteilen hat, wenn die dauerhafte Unzulässigkeit einer Ausweisung gemäß Art. 8 EMRK in einem asyl- oder fremdenpolizeilichen Verfahren bereits festgestellt wurde. Andererseits ist ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels unter Berufung auf Art. 8 EMRK als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine Ausweisung bereits als zulässig erachtet wurde, es sei denn, die Umstände haben sich seither maßgeblich geändert."
Die ErläutRV zu § 44b NAG (aaO., 12) präzisieren das wie folgt:
"Gemäß Abs. 1 sind Anträge auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß §§ 43 Abs. 2 und 44 Abs. 3 als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Ausweisung bereits rechtskräftig erlassen wurde (Z 1), rechtskräftig festgestellt wurde, dass eine Ausweisung bloß vorübergehend unzulässig ist (Z 2), oder die Sicherheitsdirektion in ihrer Stellungnahme nach Abs. 2 diesen Umstand feststellt (Z 3). In allen Fällen hat die Zurückweisung nur dann zu erfolgen, wenn aus dem Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt im Hinblick auf Art. 8 EMRK nicht hervorkommt. Diese Bestimmung normiert den Grundsatz, dass die Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde eine bereits getroffene Ausweisung zu beachten und den Antrag daher mittels Formalentscheidung zurückzuweisen
hat. ... Eine Zurückweisung soll nur dann nicht erfolgen, wenn
sich der Verhältnisse, sei es durch Zeitablauf oder auf Grund persönlicher Umstände, so weit geändert haben, dass eine neuerliche Beurteilung im Hinblick auf Art. 8 EMRK notwendig ist. Dabei kommt es weder darauf an, ob die Ausweisung in einem asyl- oder fremdenpolizeilichen Verfahren ausgesprochen wurde, noch ob es sich um eine Ausweisung nach dem AsylG 2005 oder dem FPG oder nach früheren asyl- oder fremdenrechtlichen Bestimmungen (wie z. B. FrG 1997, Asylgesetz 1997) handelt."
Nach dem Wortlaut des Gesetzes und den damit in Einklang stehenden Materialien ist ein auf § 44 Abs. 3 NAG gegründeter Antrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" unter anderem dann ohne Weiteres zurückzuweisen, wenn gegen den Fremden bereits eine Ausweisung rechtskräftig erlassen wurde. Damit steht nämlich fest, dass die Ausweisung des Fremden unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK verhältnismäßig ist, was es ausschließt, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten wäre. Das ergibt sich aus dem inhaltlichen Gleichklang von § 10 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 und § 66 FPG einerseits und § 11 Abs. 3 NAG andererseits. Mit einer Zurückweisung ist in diesem Fall nur dann nicht vorzugehen, wenn im Hinblick auf - seit der rechtskräftigen Ausweisungsentscheidung eingetretene - maßgebliche Sachverhaltsänderungen eine neuerliche Beurteilung unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK erforderlich ist (vgl. zum Ganzen auch das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2010/21/0073 bis 0076). Ein diesbezügliches Vorbringen ist nach § 44b Abs. 1 letzter Halbsatz NAG bereits im Antrag zu erstatten.
Im vorliegenden Fall liegt gegenüber dem Beschwerdeführer seit Juni 2009 eine rechtskräftige - asylrechtliche - Ausweisung vor, was bedeutet, dass seine Verbringung außer Landes vor dem Hintergrund des Art. 8 EMRK als zulässig zu betrachten war. Es wäre nun am Beschwerdeführer gelegen, gegenüber der Erstbehörde konkret darzulegen, dass sich die das Privat- und Familienleben betreffenden Umstände seit Juni 2009 derart geändert haben, dass die Aufenthaltsbeendigung (bzw. die Versagung eines Aufenthaltstitels) - entgegen der Beurteilung durch den Asylgerichtshof - nunmehr einen unverhältnismäßigen Eingriff darstellt. Die Erstbehörde und die belangte Behörde haben dazu den Standpunkt vertreten, ein solches Vorbringen habe der Beschwerdeführer nicht erstattet.
Dem ist der Beschwerdeführer - den Inhaltswiedergaben im angefochtenen Bescheid und in der Beschwerde zufolge - schon in der Berufung nicht entgegen getreten. Auch in der Beschwerde wird diese Beurteilung nicht beanstandet. Der Beschwerdeführer wiederholt dort vielmehr nur die (schon im Verwaltungsverfahren ins Treffen geführten) für seinen Verbleib sprechenden integrationsbegründenden Umstände, ohne darzulegen, dass sich insoweit die Verhältnisse seit Juni 2009 maßgeblich geändert hätten. Demzufolge wird auch nicht behauptet, gegenüber der Erstbehörde sei vorgebracht worden, diese Umstände seien nach der - erst kurz vor der Stellung des gegenständlichen Antrags auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung ergangenen - asylrechtlichen Ausweisung eingetreten.
Die in der Beschwerde in diesem Zusammenhang vertretene Meinung, es sei von der Niederlassungsbehörde jedenfalls von Amts wegen zu prüfen, ob die ehemals ausgesprochene Ausweisung noch gerechtfertigt sei oder nicht, lässt die im § 44b Abs. 1 letzter Halbsatz NAG dem Fremden auferlegte Vorbringenslast außer Acht. Vor diesem Hintergrund begründen nicht vorgenommene amtswegige ergänzende Ermittlungen zur Integration des Beschwerdeführers auch keinen relevanten Verfahrensmangel.
Soweit in der Beschwerde noch - als "Änderungstatsachen" erkennbar - eine Arbeitsplatzzusage vom und ein "zur Zeit" besuchter weiterer Deutschkurs angesprochen werden, ist darauf hinzuweisen, dass im Grunde des § 44b Abs. 1 letzter Halbsatz NAG nach der Erlassung der erstinstanzlichen Entscheidung eingetretene Umstände keinen Einfluss auf die Beurteilung haben, ob die auf § 44b Abs. 1 Z 1 NAG gegründete Antragszurückweisung von der Erstbehörde zu Recht vorgenommen wurde.
Die Bestätigung der von der Erstbehörde vorgenommenen Zurückweisung des gegenständlichen Antrags nach § 44 Abs. 3 NAG gemäß der Vorschrift des § 44b Abs. 1 Z 1 NAG ist daher nicht rechtswidrig. Somit lässt bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen, dass die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen. Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am