VwGH vom 16.06.2011, 2008/18/0225

VwGH vom 16.06.2011, 2008/18/0225

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des FI in W, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/312513/2007, betreffend Erlassung eines unbefristeten Rückkehrverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 62 Abs. 1 und 2 iVm § 60 Abs. 2 Z 1 sowie § 63 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein unbefristetes Rückkehrverbot.

Begründend führte die belangte Behörde - soweit hier entscheidungswesentlich - zur Rechtzeitigkeit der vom Beschwerdeführer eingebrachten Berufung aus, § 18 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) bestimme für externe Erledigungen, dass sie entweder vom genehmigenden Organwalter unterzeichnet sein oder als von der Kanzlei beglaubigte Ausfertigung ergehen müssten. Die dem Beschwerdeführer am ausgehändigte Bescheidausfertigung, die von der Dienststelle "Fremdenpolizeiliches Büro" der Bundespolizeidirektion Wien der Dienststelle "Polizeiabteilung bei der Staatsanwaltschaft Wien" derselben Behörde per E-Mail zwecks Zustellung an den Beschwerdeführer übermittelt worden sei, habe diesen Erfordernissen nicht entsprochen. Es könne daher nicht von einer am erfolgten Bescheiderlassung gesprochen werden.

Die am vom Beschwerdeführer eingebrachte Berufung würde sich, ginge man von der Erlassung des Bescheides am aus, als verspätet erweisen. Da aber von einer Bescheiderlassung am nach dem oben Gesagten nicht ausgegangen werden könne und über Veranlassung der belangten Behörde die Zustellung einer ordnungsgemäßen Bescheidausfertigung nachgeholt worden sei sowie der Beschwerdeführer in der Folge rechtzeitig Berufung erhoben habe, erweise sich sohin die Berufung insgesamt als zulässig und fristgerecht eingebracht.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 18 Abs. 3 AVG (in der hier maßgeblichen Fassung des BGBl. I Nr. 10/2004) sind Mitteilungen an Beteiligte über den Inhalt interner Erledigungen (externe Erledigungen), soweit keine besonderen Formvorschriften hiefür bestehen, in jener Form vorzunehmen, die der Behörde und den Beteiligen unter Wahrung ihrer Rechtsschutzinteressen den voraussichtlich geringsten Aufwand verursacht und in der sie nach den der Behörde zur Verfügung stehenden Informationen von den Beteiligten empfangen werden können. Nach § 18 Abs. 4 AVG (ebenfalls in der Fassung des BGBl. I Nr. 10/2004) haben externe Erledigungen schriftlich zu ergehen, wenn dies in den Verwaltungsvorschriften ausdrücklich angeordnet ist oder von einer Partei verlangt wird oder wenn ihre Zustellung erforderlich ist. Die Ausfertigung der Erledigung hat die Bezeichnung der Behörde, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Sie kann ferner entweder vom Genehmigenden eigenhändig unterzeichnet oder als von der Kanzlei beglaubigte Ausfertigung ergehen. Die Verwendung einer Amtssignatur (§ 19 E-GovG) entfaltet jedenfalls die Wirkung einer Beglaubigung durch die Kanzlei.

Die belangte Behörde geht davon aus, dass die dem Beschwerdeführer der Aktenlage zufolge am von einem (bei der Dienststelle "Polizeiabteilung bei der Staatsanwaltschaft Wien" Dienst versehenden) Beamten der erstinstanzlichen Behörde übergebene Bescheidausfertigung mangels eigenhändiger Unterschrift des genehmigenden Organwalters und mangels Vorhandenseins einer Beglaubigung durch die Kanzlei - oder einer diese Beglaubigung ersetzenden Amtssignatur - keines der im § 18 Abs. 4 AVG normierten Erfordernisse aufgewiesen und demnach keine Bescheidwirkungen entfaltende Ausfertigung dargestellt habe.

Dabei übersieht die belangte Behörde aber die Vorschrift des § 82 Abs. 14 AVG.

Diese Bestimmung (in der Fassung des BGBl. I Nr. 10/2004)

lautet (samt Überschrift):

"Inkrafttreten

...

(14) Die elektronische Beurkundung interner Erledigungen darf bis zum auch durch andere geeignete Verfahren als die elektronische Signatur geschehen, wenn diese durch technische und organisatorische Maßnahmen mit hinlänglicher Sicherheit gewährleisten, dass die Nachweisbarkeit der eindeutigen Identität des Genehmigenden und der Authentizität des Genehmigungsvorgangs sowie die Unverfälschbarkeit des genehmigten Inhalts gegeben sind. Bis zum bedürfen Ausfertigungen schriftlicher Erledigungen, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt, aber nicht elektronisch signiert worden sind, und Ausfertigungen, die telegraphisch, fernschriftlich, mit Telefax, im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise übermittelt werden, weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung; bei vervielfältigten schriftlichen Erledigungen bedarf nur das Original der Unterschrift oder der Beglaubigung."

§ 24 Zustellgesetz (in der Fassung des BGBl. 158/1998; ZustG)

hat folgenden Wortlaut:

"Dem Empfänger können ausgefolgt werden:


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1.
versandbereite Schriftstücke unmittelbar bei der Behörde;
2.
Sendungen, die einer anderen Dienststelle telegraphisch, fernschriftlich, mit Telefax, im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in einer anderen technisch möglichen Weise übermittelt worden sind, unmittelbar bei dieser Dienststelle.
Die Ausfolgung ist von der Behörde (Dienststelle) zu beurkunden. § 22 Abs. 2 und 3 gilt sinngemäß."
Nach der zitierten bis geltenden Übergangsregelung des § 82 Abs. 14 AVG liegt unter den dort genannten Voraussetzungen, die hier zweifelsfrei erfüllt waren, auch dann eine gültige Ausfertigung vor, wenn die Ausfertigung weder eine Unterschrift noch eine Beglaubigung der Kanzlei (oder eine diese ersetzende Amtssignatur) trägt.
Demnach erweist sich die Rechtsansicht der belangten Behörde, die dem Beschwerdeführer von der erstinstanzlichen Behörde, die nach § 24 ZustG vorgegangen ist, am ausgehändigte Bescheidausfertigung hätte keine Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides bewirken können, als verfehlt. Damit steht aber die Frage der Rechtzeitigkeit der Berufung und sohin - im Falle nicht rechtzeitiger Berufung - die Zuständigkeit der belangten Behörde, die in der Beschwerde angegriffen wird, über die Berufung inhaltlich entscheiden zu dürfen, in untrennbarem Zusammenhang.
Im Blick auf das im Verwaltungsverfahren erstattete Vorbringen des Beschwerdeführers sei für das fortzusetzende Verfahren angemerkt, dass zwischen dem tatsächlichen Akt der Zustellung und dem Nachweis über eine gesetzmäßige Zustellung zu unterscheiden ist. Letzterer kann durch einen Zustellnachweis iSd § 22 ZustG bzw. eine Beurkundung nach § 24 ZustG oder, wenn solches fehlt, auch auf andere Weise nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung geführt werden. Die Vorgänge der Zustellung sind diesfalls von Amts wegen zu ermitteln (vgl. etwa die in
Walter/Thienel , Verwaltungsverfahrensgesetze I2, zu § 22 ZustG in E 1, E 15 und E 18f wiedergegebene hg. Rechtsprechung).
Der angefochtene Bescheid war sohin wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am