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VwGH vom 19.04.2012, 2008/18/0202

VwGH vom 19.04.2012, 2008/18/0202

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofräte Mag. Eder und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde der E O in W, vertreten durch Dr. Lennart Binder, LL.M., Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/237.594/2007, betreffend Ausweisung gemäß § 54 FPG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, gemäß § 54 Abs. 1 Z. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet aus.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin sei im Oktober 2002 mit einem von der österreichischen Botschaft in Ankara ausgestellten Visum D nach Österreich eingereist und habe in weiterer Folge bis Aufenthaltserlaubnisse zum Zweck des Studiums erhalten. Nach rechtskräftiger Abweisung eines Erstantrags auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Zweck "Angehörige" aus dem Grund unzureichender Unterhaltsmittel habe die Beschwerdeführerin am die Verlängerung ihres Aufenthaltstitels beantragt und als Zweck ihres Aufenthalts sowohl "Student" als auch "Angehöriger" angegeben. Im Zuge einer Vorsprache "bei der Magistratsabteilung 35" am habe die Beschwerdeführerin zu verstehen gegeben, dass sie ihr Studium nicht mehr weiter betreiben möchte, sondern einer Erwerbstätigkeit nachgehen wolle. Auf Grund der Belehrung, dass ein Aufenthaltstitel "Angehöriger" grundsätzlich möglich wäre, weil ihr Vater mittlerweile österreichischer Staatsbürger wäre, sie jedoch damit keinen Zugang zum Arbeitsmarkt hätte, habe die Beschwerdeführerin am bekannt gegeben, dass sie einen Aufenthaltstitel "Angehöriger" anstrebe und schließlich am neuerlich einen derartigen Antrag eingebracht.

Wegen unzureichenden Einkommens des Vaters der Beschwerdeführerin habe die Niederlassungsbehörde ein Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung im Sinn des § 25 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG eingeleitet.

In weiterer Folge legte die belangte Behörde dar, weshalb ihrer Ansicht nach das Einkommen des Vaters der Beschwerdeführerin nicht ausreichend sei, um für sich selbst, für den Bruder der Beschwerdeführerin, zu dessen Gunsten der Vater der Beschwerdeführerin eine Verpflichtungserklärung abgegeben habe, und auch für die Beschwerdeführerin die notwendigen Unterhaltsmittel im Sinn des § 11 Abs. 5 NAG aufzubringen. Damit stünde der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels an die Beschwerdeführerin ein Versagungsgrund entgegen, sodass die Voraussetzungen für eine Ausweisung gemäß § 54 Abs. 1 Z. 2 FPG erfüllt seien.

In weiterer Folge legte die belangte Behörde noch dar, weshalb ihrer Ansicht nach die Erlassung einer Ausweisung unter Berücksichtigung des rund viereinhalbjährigen Aufenthalts der Beschwerdeführerin in Österreich zum Zweck des Studiums und der bestehenden engen familiären Bindungen zu ihrem Vater und Bruder nach § 66 FPG zulässig sei.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , B 1373/07-7, ablehnte und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die - im Verfahren ergänzte - Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Mit dem von der Beschwerdeführerin unter Berufung auf ihre türkische Staatsangehörigkeit und auf Grund "der einschlägigen Bestimmungen der anzuwendenden EU-Richtlinie über den Mindeststandard an Rechtsschutz" erhobenen Einwand der Unzuständigkeit der belangten Behörde zielt sie auf die Anwendbarkeit des Assoziationsrechts EWG-Türkei. Mit der unstrittig wiederholt erteilten Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Studiums erhielt die Beschwerdeführerin aber noch keine behördliche Genehmigung im Sinn des Art. 7 Satz 1 ARB Nr. 1/80, zu ihrem Vater, der damals noch türkischer Staatsangehöriger war, nach Österreich zu ziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/18/0143). Da sie sich auch nicht auf eine in Österreich abgeschlossene Berufsausbildung oder ihre Zugehörigkeit zum österreichischen Arbeitsmarkt stützt, zählt sie nicht zu dem von Art. 6 oder 7 ARB 1/80 erfassten Personenkreis, sodass für die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenats kein Raum bleibt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/21/0373).

Der Beschwerdefall gleicht allerdings vor dem Hintergrund der Ausführungen des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) im Urteil vom , C 256/11, darin, dass die belangte Behörde nicht darauf einging, dass die türkische Beschwerdeführerin, welche Angehörige eines Österreichers im Sinn des § 49 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG ist, einer Erwerbstätigkeit in Österreich nachgehen möchte und daher die Voraussetzungen zur Erlassung einer Ausweisung anhand der für die Beschwerdeführerin günstigeren Bestimmungen des FrG zu messen gehabt hätte, jenem Fall, der dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0430, zugrunde lag. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird sohin insoweit auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
UAAAE-81043