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VwGH vom 16.06.2011, 2008/18/0187

VwGH vom 16.06.2011, 2008/18/0187

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch sowie den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des S A, vertreten durch Galanda Oberkofler Rechtsanwälte in 1010 Wien, Gonzagagasse 1/9, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/498.707/2007, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Benin, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ausgewiesen.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass der Beschwerdeführer am illegal in das Bundesgebiet gelangt sei und am einen Asylantrag gestellt habe, der im Instanzenzug vom unabhängigen Bundesasylsenat abgewiesen worden sei. Die Behandlung einer dagegen eingebrachten Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof sei von diesem (mit Beschluss vom , Zl. 2004/01/0169) abgelehnt worden.

Nachdem der Beschwerdeführer am die österreichische Staatsbürgerin S. geheiratet habe, habe er einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung eingebracht. Mit Bescheid vom sei dieser Antrag von der Bundespolizeidirektion Wien (der Behörde erster Instanz) abgewiesen worden. Der Beschwerdeführer verfüge über keinen Aufenthaltstitel.

Die Ehe des Beschwerdeführers und S. sei mit Urteil des Bezirksgerichtes Donaustadt rechtskräftig (seit ) geschieden worden. Der Ehe entstamme eine Tochter, welche am geboren worden sei.

Laut einem Versicherungsdatenauszug der "österreichischen Sozialversicherung" weise der Beschwerdeführer seit Beschäftigungszeiten "als geringfügig beschäftigter Arbeiter und als Arbeiter" auf. Seit sei der Beschwerdeführer laufend als Angestellter beschäftigt.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass die Voraussetzungen zur Erlassung der Ausweisung - vorbehaltlich der Bestimmung des § 66 FPG - im Grunde des § 53 Abs. 1 FPG gegeben seien.

Vor diesem Hintergrund sei von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen; dieser Eingriff erweise sich jedoch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier:

zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens - als dringend geboten. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses Interesse verstoße der nicht bloß kurzfristige unrechtmäßige Weiterverbleib im Bundesgebiet im Anschluss an die vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1997 jedoch gravierend. Die damit bewirkte Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei daher von solchem Gewicht, dass die gegenläufigen privaten und familiären Interessen nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet. Es könne daher kein Zweifel daran bestehen, dass die Erlassung der Ausweisung dringend geboten und somit zulässig im Sinne des § 66 FPG sei.

Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe die belangte Behörde auch keine Veranlassung gesehen, von der Erlassung der Ausweisung im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, nahm allerdings von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Beschwerde wendet sich gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG vorgenommenen Interessenabwägung und bringt dazu vor, es sei nicht berücksichtigt worden, dass der Beschwerdeführer zu seiner Tochter, die österreichische Staatsbürgerin sei, regelmäßigen Kontakt habe. Der Beschwerdeführer sei in Österreich berufstätig und halte sich seit zehn Jahren hier auf.

1.2. Dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde zum Erfolg.

Der belangten Behörde ist zwar zuzugestehen, dass die während des Aufenthalts erlangten Gesichtspunkte der Integration großteils in einem Zeitraum erworben wurden, als sich der Beschwerdeführer der Unsicherheit seines Aufenthaltsstatus bewusst war, er also - für den Fall eines negativen Ausgangs seines Asylverfahrens - nicht mit einem dauernden Aufenthalt im Bundesgebiet rechnen durfte. Allerdings hat dies schon vor dem Hintergrund der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht zur Konsequenz, dass der während eines unsicheren Aufenthaltsstatus erlangten Integration überhaupt kein Gewicht beizumessen wäre und ein solcherart begründetes privates bzw. familiäres Interesse nie zur Unzulässigkeit einer Ausweisung führen könnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0348).

Der Verwaltungsgerichtshof teilt die in der Beschwerde vertretene Auffassung, dass der unbestritten fast zehn Jahre dauernde Aufenthalt des Beschwerdeführers sowie die über acht Jahre lang ausgeübten Erwerbstätigkeiten in Verbindung mit der familiären Beziehung zu seiner österreichischen Tochter den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet in ihrer Gesamtheit ein derart großes Gewicht verleihen, dass die Ausweisung gemäß § 66 Abs. 1 FPG unverhältnismäßig erscheint (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/21/0206, mwN).

2. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das auf Ersatz von Umsatzsteuer gerichtete Mehrbegehren war abzuweisen, weil diese in dem Pauschalsatz bereits enthalten ist.

Wien, am

Fundstelle(n):
RAAAE-81031